Heinz Fischer in seinem neuen Büro: "Die Geschichte ist keien Autobahn."
„Ein bissl Pensionist“

Heinz Fischer: „Ein bissl Pensionist“

Ein halbes Jahr nach Ende seiner Amtszeit ist der Kalender von Altbundespräsident Heinz Fischer immer noch prallvoll.

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Unten im Burghof stehen die Touristen vor dem Sisi-Museum Schlange, ein Fiaker klappert Richtung Michaelerplatz, drüben in der Präsidentschaftskanzlei hat man an diesem düsteren Novembernachmittag schon die Leuchter in Betrieb genommen.

Schaut Heinz Fischer aus dem Fenster seines neuen Büros im Amalientrakt, sieht er hinüber zu seinem ehemaligen Arbeitsplatz im Leopoldinischen Trakt der Wiener Hofburg. Und unten links hat Kaiser Franz Joseph gewohnt, wenn er nicht gerade in Schönbrunn war. Aber Heinz Fischer schaut nur selten aus dem Fenster. Für solche Lustbarkeiten hat er sich nie wirklich Zeit genommen.

Am 8. Juli verabschiedete sich der Bundespräsident im alten Reichsratssitzungssaal von der Bundesversammlung, und dass das Parlament eine Foto-Broschüre zu diesem Ereignis gestaltete, rührt ihn sichtlich. Seither hat er einmal kurz Urlaub gemacht – in Hallstatt – und sonst fast so weitergearbeitet wie vor diesem Tag im Juli, vor dem er sich laut eigenem Bekunden nicht gefürchtet hatte: „Ich hab ja von Beginn an gewusst, wann ich mein Amt zurückgeben werde.“

Zwei Heinz-Fischer-Bücher sind seit dem Sommer erschienen. Eines hat er selbst geschrieben („Eine Wortmeldung“ mit einem Nachwort von Hugo Portisch; Ecowin Verlag), in einem anderen wird die Geschichte der Zweiten Republik als Graphic Novel mit dem Altbundespräsidenten als Zentralfigur erzählt. Die Texte hat der Kabarettautor Fritz Schindlecker beigesteuert, die Zeichnungen Reinhard Trinkler (Ueberreuter Verlag).

Stellen Sie sich vor, wenn mir irgendwo eine falsche Jahreszahl hineinrutscht. Das steht dann in jeder Zeitung.

Eine Funktion, die er schon vor seiner Präsidentschaft innehatte, hat er wieder angenommen: Fischer ist Präsident des Verbands österreichischer Volkshochschulen. 500 gibt es insgesamt, und wohl die meisten von ihnen würden auf einen Besuch des Präsidenten großen Wert legen, was sich aber zeitlich kaum ausgehen wird, weil Fischer eine Gastprofessur an der Universität Innsbruck angenommen hat, die er sehr ernst nimmt. Vor jeder seiner Vorlesungen diktiert er seiner langjährigen Mitarbeiterin Gertraud Mica den meist rund 50 Seiten umfassenden Vorlesungstext. „Das politische System Österreichs (Vertiefung)“ steht im Vorlesungsverzeichnis, die Rolle der Bundespräsidenten in der Zweiten Republik war Thema der ersten Lehrveranstaltung. Wofür braucht Fischer ein Manuskript? „Stellen Sie sich vor, wenn mir irgendwo eine falsche Jahreszahl hineinrutscht. Das steht dann in jeder Zeitung.“

700 Hörer drängten bei seiner Antrittsvorlesung in den Hörsaal, auch die Spitzen des Landespolitik waren in die Uni gekommen. Drei Stunden dauert eine Vorlesung, zwischendurch gibt es eine Zehn-Minuten-Pause, mehr ist beim Herrn Ex-Präsidenten nicht drinnen. Ende Jänner stehen die Prüfungen an. Allein die Teilnehmerzahl macht nur einen schriftlichen Test möglich, was Fischer verständlicherweise ohnehin lieber ist.

Das neue Büro im Dachgeschoss der Amalienburg hat ihm der Ministerrat per Beschluss zugewiesen. Der Ex-Präsident soll hier die Aktivitäten anlässlich des im Jahr 2018 zu feiernden 100. Geburtstags der Republik koordinieren. Zwei weitere Jubiläen will Fischer im Gedenkjahr ebenfalls berücksichtigen: Dann wird es 80 Jahre her sein, dass die Nazis die Macht in Österreich übernahmen, 70 Jahre sind seit der Deklaration der Menschenrechte vergangen.

Eher diskret verlaufen Fischers Auslandskontakte.

In seinem Büro hat Fischer vier Fotos aufgehängt, die auch seine Lebensgeschichte erzählen. Eines zeigt ihn mit seiner Frau Margit, ein zweites mit den Enkeln, ein drittes mit Bruno Kreisky. Auf Bild vier ist Heinz Fischer noch ein sehr junger Mann, der neben einem alten Herrn sitzt. Es stammt wohl aus den frühen 1960er-Jahren. Beim Mann auf dem Foto handelt sich um Hans Kelsen, den Architekten der österreichischen Bundesverfassung von 1920, der später von den Nazis vertrieben wurde.

Eher diskret verlaufen Fischers Auslandskontakte. So reiste er Ende Oktober nach Sotschi, um dort an einem internationalen Treffen von Russland-Experten teilzunehmen. Auch Österreichs Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel war akkreditiert. Das Podium war prominent besetzt: Neben Fischer saßen da Russlands Staatspräsident Wladimir Putin, der ehemalige Staatspräsident Südafrikas, Thabo Mbeki, und die finnische Ex-Präsidentin Tarja Halonen. Die Beziehungen zwischen der EU und Russland hätten sich nicht so entwickelt wie erhofft, sagte Fischer in seiner Wortmeldung. Russland müsse erkennen, dass Aktionen, die nicht im Einklang mit dem Völkerrecht stehen, „die europäische Öffentlichkeit irritieren“. Fischers Rede wurde vom russischen Fernsehen live übertragen.

Anfang November gab es ein Treffen mit dem bulgarischen Staatspräsidenten, vergangene Woche kam der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel. Ex-Kanzler Gerhard Schröder wollte Fischer am Wahlwochenende besuchen, wurde dann aber von der deutschen Bundesregierung zum Begräbnis Fidel Castros abkommandiert. Nächste Woche kommt Uruguays Staatspräsident Tabaré Vázquez zu Heinz Fischer. Einige Tage später hat sich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon angesagt. Mitte des Monats steht eine Visite des russischen Kulturministers Wladimir Medinski im Terminkalender.

Die politischen Entwicklungen in Europa und den USA bereiten ihm Sorge.

Mangels geeigneter Räumlichkeiten, wie sie etwa in der Präsidentschaftskanzlei zur Verfügung standen, lädt Fischer seine Gäste entweder zu sich in die Josefstädter Wohnung oder reserviert in einem Restaurant.

Derartige außenpolitische Aktivitäten sind ein Balanceakt. Fischer ist schließlich nur noch Privatperson und hat in Österreichs Politik keine Rolle mehr; andererseits hat sein Wort noch immer Gewicht. Eine russische Fernsehstation wollte ihm kürzlich möglichst kritische Äußerungen zu Norbert Hofer entlocken. Der Langzeit-Politiker roch den Braten: Der neue Nationalismus in Europa sei ein negativer Trend, meinte Fischer, aber man dürfe ihn nicht als Rückkehr zur Nazi-Ideologie interpretieren. Das treffe auch auf den Kandidaten Hofer zu. Wählen wird Fischer allerdings Alexander Van der Bellen, das hat er wiederholt angekündigt.

Die politischen Entwicklungen in Europa und den USA bereiten ihm Sorge. „Die Geschichte ist keine Autobahn“, meint er. Das aus dem 19. Jahrhundert stammende Parteiensystem komme in die Jahre, weil es in der komplexer werdenden Gesellschaft immer weniger einheitliche Weltbilder gebe. Das treffe auch oder sogar vor allem die Sozialdemokratie.

Seit seinem Ausscheiden aus dem Amt hat Fischer „zwei oder drei Kilo zugenommen, weil ich mehr Zeit zum Frühstücken habe“. Darum geht er oft auch zu Fuß ins Büro. Im neuen Jahr will er den Kalender nicht ganz so voll machen wie in den vergangenen Monaten. Das hat er sich fest vorgenommen. „Ich will ja auch in bissl Pensionist sein dürfen.“

Glaubwürdig ist das nicht.