Attentat in Wien 2020

Held der Terrornacht: Kein echter Österreicher?

Beim Attentat in Wien rettet er einen Polizisten. Doch die Behörden halten Osama Abu El Hosna für eine Gefahr und verweigern ihm die Staatsbürgerschaft. Warum bloß?

Drucken

Schriftgröße

Dass er ein Held ist, hat Osama Abu El Hosna, 25, amtlich. Am 22. Dezember 2020 verlieh ihm Wiens Bürgermeister Michael Ludwig die „Rettungsmedaille des Landes Wien“. In einer Aussendung des Rathauses hieß es, Abu El Hosna habe beim Attentat am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt „unter Lebensgefahr am Schwedenplatz einen schwerverletzten Polizisten aus dem Kugelhagel des Terroristen in Sicherheit gebracht“. Der Geehrte sei „auch Beispiel für die gelungene Integration in Wien“.

Osama Abu El Hosna, der junge Mann mit palästinensischen Wurzeln, der 2013 als Flüchtling nach Wien kam, mag ein „Beispiel für gelungene Integration“ sein – ein echter Wiener darf er formal nicht werden.  Am 21. Dezember 2022 teilte ihm das Amt der Wiener Landesregierung mit, dass „eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Sie derzeit nicht möglich ist“. Die Begründung der zuständigen Magistratsabteilung 35 (Einwanderung und Staatsbürgerschaft) wirkt paradox: Osama Abu El Hosna, der in der Terrornacht einen Beamten des Innenministeriums in Sicherheit brachte, stellt aus Sicht desselben Innenministeriums „eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich“ dar.

Seine Heldentat vom 2. November 2020 hat der junge Mann dutzendfach geschildert: Wie er aus der Tiefgarage am Schwedenplatz kommt und plötzlich Schüsse hört; hinter einem Baumstamm in Deckung geht; ein Polizist vom Attentäter angeschossen wird; er den Schwerverletzten zu Sanitätern schleppt. Vier Menschen ermordet der Terrorist, Kujtim F., an diesem Abend im Spätherbst 2020, bevor er von zwei Beamten der Alarmabteilung der Wiener Polizei erschossen wird.

Held ohne Staat

Als gebürtiger Palästinenser ist Osama Abu El Hosna staatenlos. Im September 2020 stellt er einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Laut Gesetz kann diese bei „außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik“ sogar bevorzugt verliehen werden. Wer einem Polizisten das Leben rettet, hat wohl Außerordentliches geleistet.

Doch im April 2022 folgt die böse Überraschung: Die Landespolizeidirektion Wien äußert Bedenken gegen die Einbürgerung. Der Grund: Die Staatsanwaltschaft Graz führt zu diesem Zeitpunkt ein Ermittlungsverfahren gegen Abu El Hosna. Die Vorwürfe wiegen schwer: Mitgliedschaft bei der palästinensischen Terror-Organisation Hamas und Terrorismusfinanzierung.

Ins Visier der Ermittler war Abu El Hosna im Vorfeld der Operation Luxor geraten. Am 9. November 2020, eine Woche nach dem Attentat in Wien, führten 930 Polizisten in vier Bundesländern eine Großrazzia bei Organisationen und Personen mit angeblich islamistischem Hintergrund durch. Ziel war es, „die Wurzeln des politischen Islam zu bekämpfen“, so der damalige Innenminister und heutige Bundeskanzler Karl Nehammer.

Abu El Hosna wurde ein soziales Engagement zum Verhängnis. Für einige Monate war er im Verein International Hope Association mit Sitz in Wien tätig, der Spenden sammelte und Hilfspakete in den Nahen Osten schickte. Dem Verdacht der Ermittler zufolge soll der Verein aber auch Gelder in ein „mögliches Einflussgebiet der terroristischen Vereinigung Hamas“ weitergeleitet haben. 

Doch wie so viele Vorwürfe in Zusammenhang mit der Operation Luxor erweisen sich auch die Anschuldigungen gegen Abu El Hosna als unzutreffend. Am 20. September 2022 stellt das Landesgericht für Strafsachen Graz das Verfahren gegen ihn ein. Laut dem Beschluss gebe es keine „konkreten Beweisergebnisse, die die Annahme einer Mitgliedschaft bei der Hamas tragen würden“. Auch das Ermittlungsverfahren gegen den Verein International Hope Association wird eingestellt.

Enttäuschte Hoffnung

Abu El Hosna schöpft Hoffnung. Seine Anwältin, die frühere SPÖ-Staatssekretärin Muna Duzdar, wendet sich nach der Einstellung des Verfahrens erneut an die Behörden. Diesmal äußert die Landespolizeidirektion Wien keine Bedenken. Doch dann abermals eine böse Überraschung: Das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) stellt in einem mit 14. Dezember 2022 datierten, nur wenige Zeilen langen Bericht fest, Osama Abu El Hosna würde „nach wie vor im Umfeld der terroristischen Gruppierung Hamas in Erscheinung“ treten. „Eine Verleihung der Staatsbürgerschaft“ sei „eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich“. Konkreter wird es nicht.

Auf Basis des LVT-Berichts verweigert die MA 35 die Einbürgerung. Rechtsanwältin Duzdar übt heftige Kritik: „Die Stellungnahme des LVT ist reine Willkür. Es handelt sich um haltlose Vorwürfe, die jeglicher Grundlage entbehren. Dieses Vorgehen ist rechtsstaatlich sehr bedenklich.“ Da ihr Mandant durch den tatsachenwidrigen Bericht des LVT wirtschaftlich geschädigt werde, wird Duzdar eine Amtshaftungsklage gegen den Bund einbringen. 

Osama Abu El Hosna hofft weiter, auch amtlich ein echter Österreicher werden zu dürfen: „Wien ist meine Heimat, ich möchte nirgendwo sonst leben.“

 

 

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.