++ ARCHIVBILD ++ JOURNALISTENLEGENDE HUGO PORTISCH 94-JÄHRIG GESTORBEN
1927-2021

Hugo Portisch: Der leidenschaftliche Welterklärer

Christa Zöchling über Hugo Portisch. Der Journalist ist am Donnerstag im Alter von 94 Jahren verstorben.

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Wie viele Generationen hatten seinen Redeschwall im Ohr? - die Dringlichkeit seiner Stimme, mit der er das Weltgeschehen klar und überschaubar zusammenfasste und dann die Geschichte hinter der Geschichte erzählte, ein Journalist in jeder Faser seines Daseins, sich nie gemein machend mit der Sache. Hugo Portisch wollte verstehen, aufklären und verstanden werden.

In jenen Jahren, in denen Portisch als Chefkommentator des ORF zwei, dreimal wöchentlich am Bildschirm zu sehen war, nicht nur mit seiner Stimme, auch ziemlich heftig gestikulierend, sagt ein kleiner Junge beim Friseur: er hätte gern eine Portisch-Frisur.  So populär war Portisch.

So identitätsstiftend war dieser Journalist, Historiker, und Schwammerl-Experte; so vielen ein wahrer Freund, der seine Bekanntheit für eine gute Sache gern zur Verfügung stellte, unzählige Vorworte verfasste, für Bücher, die er für wichtig hielt. Vor drei Wochen noch nahm Hugo Portisch an einer Videokonferenz teil, ein bisschen müde, aber hellwach, wie Erhard Busek damals der Autorin auf Nachfrage erzählte. Busek hatte einen Termin verschoben, weil er Hugo Portisch unbedingt hören und sehen wollte. Jeder, dem sich die Gelegenheit bot, Portisch über die Lage der Welt reden zu hören, hätte sie ergriffen. Denn Portisch war ein Welten-Erklärer, der immer neu und überraschend argumentierte. Nie stand von vorherein und erwartbar fest, welche Position er einnehmen würde. Weil er sie selbst immer hinterfragte.

Im Grunde war seine Karriere vollkommen unösterreichisch, weil er das, was ihn groß gemacht hat - Wissensdurst und intellektuelle Eigenständigkeit - nie verraten hat.

Schauen sie sich nur einmal den Tagesablauf eines Bundespräsidenten an, dann wissen Sie, warum ich das nie wollte“

Hugo Portisch

1927 in einen bildungsbürgerlichen Haushalt in Bratislava hineingeboren, österreichbewusst und gegen die Nationalsozialisten eingestellt, entging er dem Zugriff der Hitlerjugend, doch nicht dem Grauen dieser Jahre. Sein erster Berufswunsch nach 1945: die Welt entdecken,  studieren - das hieß Journalist werden. Nach einem Amerika-Aufenthalt und seiner Rückkehr nach Wien war Portisch bald Chefredakteur des „Kurier“. Doch hatte er sich ausbedungen, zweimal im Jahr eine große Reise unternehmen zu dürfen, und zog Interviews mit allen Staatsmännern der Welt an Land. Mit einem Brandartikel stellte er sich gegen das Vorhaben von ÖVP und SPÖ, den ORF vollständig unter Kuratel der Parteisekretariate zu stellen. Portisch initiierte ein erfolgreiches Rundfunk-Volksbegehren. 1970 war er selbst als ORF-General im Gespräch.

In den 1980er-Jahren gestaltete Portisch für den ORF eine 43 Folgen umfassende Dokumentarreihe, die unter den Namen „Österreich I“ und „Österreich II“ berühmt wurde. Sie hatte sich bald den Rang des offiziösen Geschichtsbildes der Republik erworben und war ein absoluter Publikumserfolg. An den Schulen gehörte „der Portisch“ zum Pflichtprogramm.

Es gab auch Kritik. Portisch harmonisiere in seiner Geschichtsbetrachtung zu sehr, so der Vorwurf. Portisch sagte dazu später: Man müsse auch ihm einen Lernprozess zugestehen. Portisch hatte Ende der 1980er-Jahre - nach dem Waldheim-Debakel - begonnen, die österreichische Regierung zu geißeln, weil sie so lange an der windigen Opfertheorie festgehalten hatte.  

1991 wurde Portisch - zu seinem großen Erschrecken -  als gemeinsamer Präsidentschaftskandidat von ÖVP und SPÖ gehandelt. „Schauen sie sich nur einmal den Tagesablauf eines Bundespräsidenten an, dann wissen Sie, warum ich das nie wollte“, sagte er damals gequält, als sei er gerade noch davongekommen.

Dass einer wie Portisch nicht mehr ist, tut weh.

Christa   Zöchling

Christa Zöchling