Hypo: Grasser leitete auf Intervention Haiders Verfahren gegen FMA ein
Wollte sie nicht? Konnte sie nicht? Oder – durfte sie nicht? Wo war Österreichs Finanzaufsicht, als die Geschäfte der Kärntner Hypo Alpe-Adria nach und nach aus dem Ruder liefen? Wieso durfte der Vorstand von Haiders (und später der Bayern) Gnaden so lange ungestört fuhrwerken?
Sollte der laufende parlamentarische Untersuchungsausschuss sich der leidigen Debatten um Aktenschwärzungen und Auskunftspflichten entledigen, könnte er sich – endlich – seinem eigentlichen Zweck widmen. Der Klärung ebendieser Fragen. Tatsache ist, dass die frühere Landesbank ihren Niedergang unter den Augen von Finanzministerium, Finanzmarktaufsicht und Oesterreichischer Nationalbank zelebrierte. Die Bücher der Bank wurden zwar immer wieder geprüft, teils traten dabei auch haarsträubende Mängel zu Tage – und doch nahm das Unheil unaufhaltsam seinen Lauf. Begünstigt durch fehlende Sanktionsmöglichkeiten, verschärft durch politische Willkür und Liebedienerei.
Frühjahr 2006: Wolfgang Schüssel war Bundeskanzler, Karl-Heinz Grasser Finanzminister, Jörg Haider Kärntner Landeshauptmann, die Hypo bereits ein Trümmerhaufen, aber noch nicht an die Bayerische Landesbank verkauft.
Verluste nicht ordnungsgemäß verbucht
Im Mai 2006 nahm eine Geschichte ihren Ausgang, welche vor nunmehr drei Wochen auch im Untersuchungsausschuss zur Sprache kam. Die Minister Grasser unterstellte – formal aber „unabhängige“ – Finanzmarktaufsicht leitete ein Verfahren gegen das damalige Hypo-Management um Wolfgang Kulterer ein. Auslöser war ein Vorgang, der die Bank damals in die Schlagzeilen gebracht hatte. Die Hypo Alpe-Adria hatte sich bereits Ende 2004 bei Devisentermingeschäften überhoben, 288 Millionen Euro verloren, dies aber nicht ordnungsgemäß verbucht. Was auch die Nationalbank im Zuge einer „Vor-Ort-Prüfung“ beanstanden sollte (profil berichtete ausführlich).
Am 19. Mai 2006 also übermittelten die damaligen FMA-Vorstände Heinrich Traumüller und Kurt Pribil der Bank ein Schreiben, das unabsehbare Konsequenzen nach sich ziehen sollte – und zwar für alle Beteiligten. Ein Auszug: „Nunmehr ist basierend auf den bisherigen Ermittlungsergebnissen ein Geschäftsleiterqualifikationsverfahren einzuleiten.“ Die FMA habe „Zweifel an der Zuverlässigkeit“ des Hypo-Vorstands und beabsichtige, diesen „abzuberufen“.
Was dann passierte, verrät viel über die Anatomie des Hypo-Skandals. Jörg Haider, der damals noch über 49,4 Prozent der Bank gebot, geriet ob des Vorgehens der FMA öffentlich völlig außer sich: Dies sei „eine willentliche und vorsätzliche Vorverurteilung Kulterers“, die FMA-Vorstände agierten wie „mittelalterliche Henker“, die Finanzmarktaufsicht bestehe aus einem „Klüngel von Sekretären, die mit der ihnen anvertrauten Macht nicht fertig werden.“ Er, Haider, werde gegen diese „Palette an Rechtsbrüchen“ vorgehen, die Herren „aus dem Verkehr ziehen“ und „Schadenersatz“ fordern. In weiterer Folge ließ Haider Worten Taten folgen – und zeigte den vermuteten Amtsmissbrauch der FMA-Vorstände bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt an (die Sachverhaltsdarstellung wurde wenig später mangels Substrat zurückgelegt).
profil-Recherchen belegen nun: Haider beließ es nicht dabei. Er machte seinen Einfluss auch auf politischer Ebene geltend. Heute, neun Jahre später, stellt sich heraus, dass seine Anwälte ihrerseits bei Karl-Heinz Grasser die Absetzung der unbequemen FMA-Vorstände betrieben. Mit dem erklärten Ziel, die Ablöse Kulterers zu verhindern. Und wohl auch mit dem Kalkül, die handelnden Aufsichtsorgane gehörig einzuschüchtern.
Bizarre Vorbringungen
Am 28. Mai 2006, das FMA-Verfahren gegen die Hypo-Manager war noch gar nicht richtig in die Gänge gekommen, übermittelten Haiders Klagenfurter Vertrauensanwälte – offiziell im Namen der Bank – Karl-Heinz Grasser ein Schreiben, in welchem sie vom Finanzminister die sofortige „Abberufung“ von Traumüller und Pribil einforderten. Mit Hinweis auf „rechtswidriges Verhalten“, „Verletzung der Amtsverschwiegenheit“ und „Befangenheit“. Im Kern ging es dabei um den Vorwurf, die FMA-Vorstände würden Kulterer ein faires Verfahren verweigern, weil sie ihn längst vorverurteilt hätten.
Die Vorbringungen waren teils bizarr. Demnach behaupteten die Anwälte allen Ernstes, die FMA-Vorstände hätten beispielsweise Starkoch Toni Mörwald anlässlich eines Besuchs seines Restaurants „Schloss Grafenegg“ zwanglos zugeraunt, Kulterer sei „bereits Geschichte“ (der vermeintliche Kronzeuge Mörwald sagte später jedoch aus, weder die FMA-Vorstände noch Wolfgang Kulterer zu kennen).
Das Finanzministerium nahm die Sache dennoch ernst. Noch im Juni leiteten Grassers Beamte tatsächlich ein Abberufungsverfahren gegen Traumüller und Pribil ein, die ja ihrerseits ein Abberufungsverfahren gegen Kulterer und Kollegen eingeleitet hatten. Ein bis dahin beispielloser Vorgang.
Am 8. April dieses Jahres wurde die damalige Hypo-„Staatskommissärin“ und FMA-Aufsichtsrätin Sabine Kanduth-Kristen dazu befragt. Sie sagte im Untersuchungsausschuss: „Also der Bundesminister für Finanzen hatte die Aufsicht über die Finanzmarktaufsicht, die ja an und für sich als weisungsfreie Behörde eingerichtet wurde, und als solcher hatte er auch entsprechende Maßnahmen zu setzen. Zum Beispiel hat er die Kompetenz der Abberufung bei den Vorstandsmitgliedern. Hier geht es darum, dass der Bundesminister für Finanzen eben die Aufsicht über die FMA dahingehend ausüben muss, dass diese der Besorgung ihrer Aufgaben nachkommt, keine Gesetze verletzt und ihren Aufgabenbereich nicht überschreitet.“ Sie, Kanduth-Kristen, könne sich aber an „keinen zweiten Fall erinnern“, bei welchem Minister Grasser eine derartige Vorgangsweise gewählt habe.
In weiterer Folge kam es 2006 zu Briefwechseln zwischen der Finanzmarktaufsicht, dem Finanzministerium und der ebenfalls eingeschalteten Finanzprokuratur. Die FMA-Vorstände verwehrten sich am 10. Juli in aller Ausführlichkeit gegen die Vorwürfe, das Finanzministerium insistierte dennoch und forderte am 12. Juli eine „ergänzende Stellungnahme“ ein.
Kulterers Ausweichmanöver
Das Ende der Geschichte: Das Verfahren gegen Traumüller und Pribil verlief ergebnislos im Sand, die Hypo-Vorstände kamen der amtswegigen Abberufung durch Rücktritte zuvor. Oder, im Falle Kulterers, durch ein Ausweichmanöver: Er wechselte noch im Herbst 2006 von der Spitze des Vorstands an die Spitze des Aufsichtsrats der Hypo Alpe-Adria-Bank International AG, wo er bis zum Einstieg der Bayerischen Landesbank verbleiben sollte.
Was sagt Karl-Heinz Grasser dazu? Wenig. „Ich kann mich ganz ehrlich nicht daran erinnern, dass das Finanzministerium ein Abberufungsverfahren gegen die damaligen FMA Vorstände eingeleitet hätte“, so der Finanzminister a. D. auf profil-Anfrage. „Bitte fragen Sie im Ministerium nach. Dort sollte man über die entsprechenden Informationen verfügen.“
Heinrich Traumüller, zwischen 2000 und 2002 Grassers Kabinettschef und einst einer seiner engeren Vertrauten, sitzt bis heute im Finanzministerium. Und er hat keine guten Erinnerungen an seine Zeit als FMA-Vorstand im Allgemeinen und die Hypo im Besonderen. „Diese Sache war Teil eines größeren Ganzen. Wir standen damals unter gewaltigem politischen Druck. Das ging unter die Haut. Anfeindungen, die Sachverhaltsdarstellung, Schadenersatzdrohungen und ein Abberufungsverfahren.“ Warum? „Haider wollte Kulterer um jeden Preis halten, weil Kulterer der Garant dafür war, dass das fehlgeleitete System Hypo weiter bestehen konnte.“ Dass eine Bank sich mit Unterstützung der Politik solcherart gegen eine Aufsichtsbehörde stelle, sei in zivilisierten Teilen der Welt „wohl einmalig“.
Traumüller war 2004 von Grasser in die FMA beordert worden, wo er bis 2008 wirken sollte, ehe sein Vertrag nicht verlängert wurde. Er legt heute Wert auf die Feststellung, dass er den Hypo-Vorstand bereits vor Auffliegen der „Swap“-Affäre im Herbst 2005 immer wieder vor den dräuenden Problemen insbesondere im kroatischen Kreditgeschäft gewarnt habe. „Ich habe den Herren mehrfach gesagt: Wenn euch da etwas passiert, reiß ich euch den Kopf ab. Wir als FMA waren der Meinung, die seien auf dem besten Wege, die Bank geradwegs gegen die Wand zu fahren. Das habe ich so auch der Regierungsspitze vom Bundeskanzler abwärts kommuniziert.“
Nach damaliger Rechtslage waren die Möglichkeiten der Finanzmarktaufsicht allerdings überschaubar. Sie konnte Manager abberufen – schwerwiegende Gründe vorausgesetzt – und die Bankkonzession entziehen. Was gleichbedeutend mit dem Konkurs der Bank gewesen wäre – damals wie heute nachgerade undenkbar.
Wie sehr der Behörde die Hände gebunden waren, zeigte sich einmal mehr an der Personalie Kulterer. Die FMA wollte ihn mangels Zuverlässigkeit aus dem Verkehr ziehen, Jörg Haider ihn aber einzementieren. Daher der umstandslose Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat. Wobei: Ganz so umstandslos lief die Sache nicht. Laut Hypo-Satzung hätte Kulterer erst nach einer dreijährigen „Abkühlphase“ in das Kontrollgremium einziehen dürfen. Also wurde noch im August 2006 die Satzung geändert. „Ich war entschlossen, alle Entscheidungsträger rauszuschmeißen. Doch wir hatten keine Handhabe“, rekapituliert Traumüller. „Als Kulterer Aufsichtsratsvorsitzender wurde, war mir klar, dass wir als Behörde verloren hatten. Man hat uns verhöhnt.“