„Ibiza“-Verfahren: Geheimsache Kanzler

Seit dem Frühjahr ermittelt die WKStA gegen Sebastian Kurz wegen vermuteter Falschaussage im „Ibiza“-Ausschuss. Es gab Hektik und Streit um die Frage, wer ihn überhaupt einvernehmen darf. Mittlerweile ist es still geworden. Was wurde nun aus der Vernehmung? Wir fragten nach.

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Im Mai 2021 wurde bekannt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz und dessen Kabinettschef Bernhard Bonelli als Beschuldigte führt: Verdacht der mehrfachen Falschaussage im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss 2020 (Kurz) beziehungsweise 2021 (Bonelli). Beide bestreiten die Vorwürfe.

 

Alsbald sorgten die Bedingungen der Einvernahme des Bundeskanzlers für hitzige Debatten; Kurz‘ Anwalt Werner Suppan hatte erreicht, dass die Befragung durch einen Richter und nicht durch die WKStA geführt wird (Kurz und die ÖVP fühlen sich von der WKStA bekanntlich zu Unrecht verfolgt).

Noch Anfang Juli sagte Suppan im ORF, er rechne mit einer baldigen Vernehmung des Kanzlers. Ende Juli hatte die WKStA beim Wiener Straflandesgericht dann einen entsprechenden Antrag gestellt, das Gericht auch einen Richter bestimmt.

Mittlerweile haben wir Mitte September. Und es ist still geworden um diese Causa. Daher fragte profil an mehreren Stellen nach, ob denn der Bundeskanzler nun bereits einvernommen wurde – oder nicht.

Das waren die Fragen:

Wurde Sebastian Kurz im „Ibiza“-Falschaussageverfahren der WKStA bereits von einem Richter einvernommen?

Wenn ja, wann? Wenn nein, wann dann?

Die gleichlautenden Fragen wurden am Freitagvormittag an das Justizministerium, die Oberstaatsanwaltschaft Wien, die WKStA, das Landesgericht für Strafsachen Wien, das Kabinett des Bundeskanzlers und seine Anwaltskanzlei Suppan Spiegl Zeller geschickt. Mit dem Ersuchen, die Fragen bis 13.00 Uhr zu beantworten.

Und das kam zurück:

Die Medienstelle des Justizministeriums verweist auf die WKStA:

Wir bitten Sie, sich wegen Auskünften zu Ermittlungsverfahren an die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft zu wenden. Die Kontaktdaten der Medienstelle der WKSTA finden Sie hier …

Auch die Medienstelle der Oberstaatsanwaltschaft Wien verweist auf die WKStA:

Ich ersuche Sie um Verständnis, dass über einzelne Ermittlungsschritte ausschließlich die fallführende Staatsanwaltschaft Auskunft gibt, zumal die Oberstaatsanwaltschaft in der Regel über einzelne Verfahrensschritte vorab nicht in Kenntnis ist.

Die Medienstelle der WKStA verweist auf das Landesgericht:

Da es sich bei der gerichtlichen Beweisaufnahme um ein gerichtliches Verfahren handelt, kann laut Medienerlass des Bundesministeriums für Justiz auch nur die Medienstelle des zuständigen Landesgerichtes Auskunft dazu geben. Daher darf ich Sie an die Medienstelle des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verweisen.

Die Medienstelle des Landesgerichts verweist auf die Amtsverschwiegenheit:

Es handelt sich um ein Ermittlungsverfahren, Ermittlungsverfahren sind nie öffentlich, unabhängig von der Person des Beschuldigen oder den vorzunehmenden Handlungen. Dh auch in dieser Sache kann ich keine Angaben zu einem Termin machen.

Das Kabinett des Bundeskanzlers verweist auf den Anwalt des Bundeskanzlers:

In dieser Angelegenheit möchte ich Sie höflich auf die Rechtsvertretung von Sebastian Kurz, Herrn Mag. Werner Suppan verweisen.

Und der Anwalt des Bundeskanzlers? Sagt, dass es nichts zu sagen gibt.

Ich bitte um Verständnis, dass ich dieses Thema vertraulich behandle. Wir werden dazu kommunizieren, wenn es etwas zu sagen gibt.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.