Straches Schamane: "War nicht mit Federn und Trommeln im Ministerium"
Am Rande eines kleinen Ortes im Südburgenland steht auf einer großen Wiese ein mit weißen Planen bedecktes Zelt. Herr G. nennt es "Jurte". Im Sommer finden im Zelt Seminare statt. Jetzt ist es dafür zu kalt, der Gastgeber bittet in einen hölzernen Seminarraum im Haupthaus: bunte Decken, Trommeln, ein Kamin, ein langer Besprechungstisch. Herr G. ist 52 Jahre alt, Autor, Humanenergetiker und - folgt man seiner Website - auch im "traditionellen Heilwissen des Schamanismus" bewandert. Plötzliche Bekanntheit erlangte Herr G. nun als Schamane von Heinz-Christian Strache. Die profil-Enthüllungen über den Terminkalender des ehemaligen Vizekanzlers brachten die skurrile Beziehung ans Tageslicht: Zumindest vier Mal im Jahr 2018 - im April, Juli, Oktober und November - soll der damalige FPÖ-Chef die Dienste von Herrn G. in Anspruch genommen haben. Die Causa beschäftigt mittlerweile sogar das Parlament: Die Grünen brachten vergangene Woche eine Anfrage im Nationalrat ein, mit der geklärt werden soll, wer für die Dienste eigentlich bezahlte. Immerhin traf Strache den Schamanen bei sich im Vizekanzleramt.
Gegenüber profil bestätigt der Mann, dass er mit Ex-Vizekanzler Strache gearbeitet hat. Allerdings hätte das mit "echtem" Schamanismus nichts zu tun gehabt. Vielmehr sei es beim FPÖ-Chef um "Coachings" gegangen: Physisches Auftreten vor Konfrontationen, Atemübungen und "zur Ruhe finden", nennt G. es. Unter Führungskräften in der Wirtschaft sei dieses Angebot gang und gäbe. Zur weiteren Aufklärung lud Herr G. deshalb zu einem Lokalaugenschein auf sein abgelegenes Anwesen im Südburgenland. "Ich bin nicht mit einer Trommel unter dem Arm oder Federn am Kopf ins Ministerium spaziert, diese Vorstellung ist doch völlig absurd", sagt er. Ja, er habe sich vor 20 Jahren in Mexiko und Ecuador mit schamanischer Lehre und Kommunikation mit Geistern beschäftigt. Dann entwickelte der gelernte Chemielaborant ein neues Standbein in der Humanenergetik. Und behauptet, dass der klassische Schamanismus mit seinen Praktiken wenig zu tun habe, am allerwenigsten mit seiner Tätigkeit als Privatcoach. "Es geht um zackige Techniken, um Blockaden abzubauen und die Körperhaltung der Leute wieder geradezurichten", meint G., während er mit der flachen Hand auf den Körper des Besuchers klopft und so Schmerzreize testet.
Und dann kam irgendwann Strache
90 Prozent seiner Klienten seien Privatpersonen, die Ausgleich suchen. Über Mundpropaganda sei irgendwann auch die Wirtschaft auf ihn aufmerksam geworden. Dort gehe es darum, Stress standzuhalten oder drohende Burn-outs zu vermeiden. Und dann kam irgendwann Strache: "Ich hätte nicht gedacht, dass es mich einmal in die Politik verschlägt. Aber natürlich war dieser Ausflug schon interessant, wenn man da reingeht, hinter die Kulissen blickt und merkt: Cool, das funktioniert.
Bei der Bundesstelle für Sektenfragen sieht man Energetik und Schamanismus skeptischer. "Für uns ist das dieselbe esoterische Kategorie", so die Psychologin Ulrike Schiesser. Von den im letzten Jahr behandelten gut 400 "Problemfällen", welche bei der Beratungsstelle 2018 eingingen, fiel die Mehrheit auf den Bereich Esoterik. "Problematisch wird es, wenn Energetik einen höheren Stellenwert einnimmt als die klassische Medizin", so Schiesser. Unter der Mehrheit heimischer "Plastik-Schamanen" gebe es aber sicher auch "bodenständige Typen mit Hausverstand".
Geht es nach Herrn G., sollten Coachings in der Politik öfter eingesetzt werden, das würde den Diskurs "ruhiger und aufrichtiger" machen. Trotzdem hat er von der Politik derzeit genug. "Ich habe nicht die Zeit für so ein zermürbendes System."
Vom "Krieger" zum Staatsmann
Inwiefern die Praktiken am Ende Erfolg brachten, darüber hält sich der Gastgeber bedeckt. Es gebe Nachbesprechungen, außerdem sei eine Wandlung des früheren "Kriegers" Strache hin zum "ruhenden Staatsmann " ja offenkundig. Schon im Jahr 2015, vor der Wien-Wahl, arbeitete er vor TV-Konfrontationen mit Strache. Und sagt: "Ich bin kein Weltverbesserer - aber als Coach ist man seinem Gegenüber ja sehr nahe. Da hofft man natürlich schon, dass etwas zum Besseren hängen bleibt." Was die Abrechnung seiner Honorare betrifft, sei Herrn G. nie etwas fragwürdig vorgekommen. Es sei auch nicht seine Aufgabe, das zu überprüfen, sagt er. Straches tiefen Fall kommentiert er vage so: "Manchmal lernt man mehr aus Niederlagen als aus Siegen."