Rechtsextremismus

Rechtsextremist Martin Sellner verbreitete seine Propaganda am Wiener Polizeiball

Der Rechtsextremist Martin Sellner tanzte am Freitag beim Wiener Polizeiball im Rathaus und legte ein rechtsextrem-konnotiertes Lied über eine Rede von Innenminister Gerhard Karner.

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Freitag, 31. Jänner, war eigentlich kein erfolgreicher Tag für Rechtsextreme: Das umstrittene Zustrombegrenzungsgesetz fand im deutschen Bundestag keine Mehrheit. Die konservative CDU/CSU-Fraktion hatte das Gesetz eingebracht in der Hoffnung, gemeinsam mit der liberalen FDP und der ultrarechten AfD ausreichend Stimmen zu erreichen. Doch während die vom deutschen Verfassungsschutz als in Teilen rechtsextrem eingestufte AfD fast geschlossen für das Gesetz stimmte, gaben zahlreiche Abgeordnete von CDU/CSU und FDP keine Stimme ab, zwei FPD-Abgeordnete stimmten sogar dagegen. Das Gesetz hätte den Familiennachzug einschränken sollen und hätte der Polizei die Erlaubnis gegeben, selbst Abschiebungen durchzuführen. Hunderttausende Menschen demonstrierten in ganz Deutschland gegen das Gesetz, für das sich Rechtsextreme im ganzen deutschsprachigen Raum starkgemacht hatten.

Zumindest ein Unterstützer des Gesetzes feierte am Freitag dennoch: Der Rechtsextremist Martin Sellner tanzte im Wiener Rathaus auf beim Wiener Polizeiball. Sellner war bis 2023 Sprecher der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ in Österreich, deren Symbole hierzulande verboten sind, deren französische Schwestergruppe in Frankreich aufgrund ihrer Aufrufe zu „Diskriminierung, Hass und Gewalt“ verboten wurde und deren völkischen Positionen aus Sicht des deutschen Verfassungsschutzes nicht mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar sind. 

Auf der Feststiege des Wiener Rathauses konnte Sellner beim Wiener Polizeiball am 31. Jänner aber offenbar unbehelligt seine Propaganda verbreiten obwohl sich die heimische Exekutive regelmäßig mit dem amtsbekannten Rechtsextremisten und seiner Bewegung beschäftigen muss: „Sei's drum, ich bin auf einem Ball“, feixt Sellner und hebt ein Sektglas in die Kamera. Sechs Minuten lang ist das Video, das der Rechtsextremist Freitagnacht auf der Feststiege des Rathauses filmt. „Ich bin auch beim Polizeiball, weil ich unsere Ordnungskräfte generell schätze“, sagt Sellner, wenige Meter von mehreren Beamtinnen und Beamten in Uniform entfernt, und: „In Österreich ist die Polizei noch weniger politisiert als in der BRD.“ 

Was der Rechtsextremist damit meint? Die deutsche Polizei würde seine Lesungen verhindern, beschwert sich Sellner. In Wien wird er offenbar nicht einmal am Ball der Polizei gestört.

2019 sorgte die Nähe der FPÖ zu der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ noch für Verstimmungen innerhalb der damaligen türkis-blauen Regierung. In Folge distanzierten sich die Freiheitlichen nach außen hin von der Gruppierung allerdings nur für kurze Zeit. „Mit dieser Distanziererei ist es jetzt aber definitiv vorbei“, wie es FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz bereits im Herbst 2020 ausdrückte. 

FPÖ-Obmann Herbert Kickl, der nun mithilfe der ÖVP zum ersten blauen Kanzler seit 1945 gewählt werden könnte, sieht in der rechtsextremen Bewegung schlicht eine „NGO von rechts“ und ein „interessantes und unterstützenswertes Projekt“. Einige ehemalige Mitglieder der „Identitären Bewegung“ sind mittlerweile für rechtsextreme Medien im Umfeld der FPÖ tätig. Der frühere Leiter der Wiener Gruppierung ist etwa „Innenpolitik Redakteur“ des oberösterreichischen Verschwörungssenders „AUF1“. Als Kanzler will Kickl das NS-Verbotsgesetz aufweichen und öffentliche Fördermittel an rechtsextreme Medien auszahlen.

Sellner war am Freitag bei Weitem nicht der prominenteste Gast im Wiener Rathaus: Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), Bundespolizeidirektor Michael Takàcs oder der Wiener Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl ließen sich den Abend nicht entgehen. Bei der Rede des Innenministers dürfte Sellner mitgefilmt haben: Statt Karners Worte hat Sellner über das Video allerdings eine Orchester-Version von l'Amour Toujours“ gelegt. Das Lied des italienischen DJs Gigi D'Agostino wird in rechtsextremen Kreisen rassistisch uminterpretiert.

Veranstalter des Wiener Polizeiballs ist der Verein Kuratorium Polizeimusik Wien, der zu der Landespolizeidirektion (LPD) Wien gehört. Auf Anfrage betont die LPD Wien, dass Eintrittskarten nicht personalisiert seien und im Vorfeld nicht bekannt war, dass Sellner den Ball besuchen würde. Selbst wenn dies bekannt gewesen wäre, hätte man Sellner kaum an der Teilnahme hindern können.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.