Illegales Online-Glücksspiel: Einnahmen von 308 Millionen Euro in Österreich
Seit dem coronabedingten Lockdown ruhen die Roulettekugeln in den zwölf Spielbanken der Casinos Austria AG ( CASAG) – und auch die Walzenspiele in den Automatensalons machen Zwangspause. Es gibt aber einen Ort, an dem Spieler weiter zocken können: an den digitalen Spieltischen und den animierten Slot-Maschinen im Netz.
Auf dem Papier besitzt die CASAG dafür ein lukratives Monopol. Über die Tochter win2day hält das teilstaatliche Glücksspielunternehmen die einzige österreichische Lizenz für Online-Gaming – und das bis zum Jahr 2027. Das wäre insbesondere während einer globalen Pandemie ein starker Trumpf.
In der Praxis ist das Monopol der CASAG allerdings wenig wert: Denn Online-Anbieter mit Lizenzen in Malta, Gibraltar, Großbritannien und Irland bieten ihre Glücksspiele auch in Österreich an. Sie berufen sich auf die EU-Dienstleistungsfreiheit. Mit einer Lizenz aus einem anderen EU-Land dürften sie auch in Österreich anbieten. Das Finanzministerium hat dieser Rechtsansicht zwar wiederholt widersprochen – doch ansonsten wenig gegen den boomenden „grauen“ Markt unternommen.
Das volle Ausmaß des illegalen Glücksspiels im Netz zeigt nun eine aktuelle Anfragebeantwortung des Finanzministeriums an NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper. Demnach erwirtschafteten die Illegalen im Jahr 2019 insgesamt 308,4 Millionen Euro an Bruttospieleinnahmen.
Lizenzlose Anbieter kontrollieren drei Viertel des Marktes
Zum Vergleich: Der einzige legale Anbieter – win2day – kam bloß auf 95,4 Millionen Euro. 30 Anbieter ohne Konzession kontrollieren also drei Viertel des österreichischen Online-Marktes. Wobei das Jahr 2019 laut der Anfragebeantwortung ein besonders krasser Ausreißer zugunsten der Illegalen war. Im Vierjahresmittel kommen die Konzessionslosen zumindest auf einen Marktanteil von zwei Dritteln. Das Finanzministerium ist nur deshalb so genau über die Einnahmen der lizenzlosen Betreiber informiert, weil diese die gesetzlich vorgeschriebene Glücksspielabgabe von 40 Prozent abführen – und so einem Finanzstrafverfahren entgehen. Im Jahr 2019 flossen über diesen Weg immerhin 123,4 Millionen Euro ins Staatsbudget – Gelder, die illegal erwirtschaftet wurden. „Das ist, wie wenn die Polizei einen offensichtlich sturzbetrunkenen Autofahrer weiterfahren lässt, da er ja brav seine Steuern zahlt. Eine rechtsstaatliche Bankrotterklärung“, kritisiert NEOS-Abgeordnete Krisper.
Was unternehmen die Behörden gegen die Betreiber? Wenig: „Der Vollzug gegen illegale Glücksspiele (offline und online)“ liege „in der Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden bzw. der Landespolizeidirektionen“, erklärte das Finanzministerium. Ein gesetzlicher Murks: Denn wie soll etwa die Bezirkshauptmannschaft Baden (Niederösterreich) bei einem Glücksspielgiganten in Malta eine Verwaltungsstrafe exekutieren? Deshalb bleiben die Verwaltungsübertretungen der konzessionslosen Anbieter weitgehend ungestraft.
Gesetzesentwurf wieder zurückgezogen
Dabei hätte das Finanzministerium schon lange einen Plan gegen die illegalen Betreiber. Bereits im Glücksspielbericht des Jahres 2017 erwog das Ressort, die Websites von illegalen Anbietern für User aus Österreich zu blockieren – genauso wie Zahlungen an sie: „Es müssen repressive Maßnahmen (Verwaltungsstrafen und Zwangsmaßnahmen) und präventive Maßnahmen (Internet-Sperren, Payment Blocking, Bekämpfung von Werbung) mitzivilrechtlichen Konzepten (Unwirksamkeit des Glücksspielvertrages), begleitet mit Aufklärungs- und Informationskampagnen des Staates, kombiniert werden.“ Diesem Gedanken folgend, legte der damalige Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) im Februar 2018 einen Gesetzesentwurf zum sogenannten IP-Blocking von illegalen Glücksspiel-Websites vor. Gemäß der geplanten Bestimmung sollte Anbietern von Internetprovidern behördlich aufgetragen werden können, illegale Glücksspiel-Websites zu blockieren. Bloß: Nur drei Tage nach Einbringung wurde der Entwurf wieder zurückgezogen und verstaubt
seither im Ministerium. Das Gesetz soll damals am Widerstand der mitregierenden FPÖ gescheitert sein. Insbesondere deshalb, weil im Entwurf keine zweite Lizenz für Online-Glücksspiel vorgesehen war. Mit politischen Interventionen solcherart wird sich ab Donnerstag der Ibiza-Untersuchungsausschuss befassen. Krisper will als Fraktionsvorsitzende der NEOS auch der Frage nachgehen, warum die Behörden bei den illegalen Online-Betreibern „untätig“ bleiben – sie ortet sogar „Amtsmissbrauch“.
Und was wird aus dem schubladisierten Gesetzesentwurf zum IP-Blocking? Das Finanzministerium erklärte dazu auf profil-Anfrage äußerst knapp: „Die Idee wird weiterverfolgt.“