Auch wenn die MFG „den fortschreitenden Abbau von Demokratie und Grundrechten“ sowie „die Vernichtung von Arbeitsplätzen“ kritisierte, galt ihr politischer Widerstand vor allem der Corona-Impfung, die Ende 2020 begonnen hatte.
Juristischer Aktionismus
Erster Obmann der MFG wurde der Wiener Rechtsanwalt Michael Brunner, der 2022 auch bei der Bundespräsidentenwahl kandidierte und es dadurch zu einer gewissen Prominenz brachte. Bei der Wahl am
9. Oktober erreichte er bloß 2,1 Prozent. Den Parteivorsitz legte er in der Folge zurück, um sich wieder seinem Zivilberuf widmen zu können. Zum Abschied wurde Brunner zum Ehrenobmann der Partei ernannt.
Doch mit der anwaltlichen Tätigkeit ist es nun vorbei. Wie Brunner gegenüber profil bestätigt, ging er Ende November 2023 in Pension. Jetzt widmet er sich wieder der Politik und dabei vor allem der internationalen Vernetzung der MFG. Brunner engagiert sich in der von ihm mitgegründeten IAL (International Association of Lawyers for Human Rights) und im ZAAVV (Zentrum zur Aufarbeitung, Aufklärung, juristischen Verfolgung und Verhinderung von Verbrechen gegen die Menschheit aufgrund staatlicher Corona-Maßnahmen).
Für den 10. Dezember 2023 organisierte das ZAAVV eine Großdemo in Karlsruhe mit 10.000 Teilnehmern und brachte beim Bundesgeneralanwalt 592 Strafanzeigen gegen Abgeordnete, Verfassungsrichter und den Bundespräsidenten ein.
Monothematische Partei
Es ist ein Aktionismus ganz nach Brunners und Aigners Geschmack. Sie planen Ähnliches für Österreich. Regierungsmitglieder und Abgeordnete von National- und Bundesrat, die die Impfpflicht beschlossen, sollen wegen Verbrechens gegen die Menschheit nach Paragraf 7 des Völkerstrafgesetzbuchs angezeigt werden.
Das Datum der Anzeige und ihre konkreten Zielpersonen wollen Brunner und Aigner nicht verraten. Die Aktion soll zum Booster ihrer Kampagne für die Nationalratswahl werden. Aus Sicht der Meinungsforscher ist es dennoch ein aussichtsloses Unterfangen. Laut Peter Hajek (Unique research) ist die MFG in Umfragen nicht mehr wahrnehmbar. Die FPÖ habe mittlerweile die Stimmen des Impfgegner-Lagers aufgesaugt.
Und ein anderes wirkungsvolles Thema hat die MFG nicht. Auch heute noch könnten Brunner und Aigner lang über angebliche Impfschäden oder die Übersterblichkeit in Ländern mit hoher Impfrate sprechen – wie es MFG-Vertreter auf ihrem YouTube-Kanal tun, der deswegen jüngst wieder einmal gesperrt wurde.
Gesucht: Spitzenkandidat und Quereinsteiger
Joachim Aigner wird nicht als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl gehen. Er bleibt in Oberösterreich. So wird wohl Michael Brunner die Liste anführen.
Neben bisherigen Funktionären aus eigenen Reihen setzt die MFG auch auf Quereinsteiger– nicht nur bei der Nationalratswahl.
Bei der Salzburger Gemeinderatswahl am 10. März (bei der EU-Bürger aktiv und passiv wahlberechtigt sind) tritt der deutsche Mediziner Andreas Sönnichsen an. Dieser wurde Mitte Dezember 2021 als Leiter der Abteilung für Allgemein- und Familienmedizin der Medizinischen Universität Wien freigestellt, weil er sich nicht an Corona-Vorgaben gehalten hatte. Sönnichsen wurde zum Märtyrer aller Corona-Maßnahmen-Gegner. Nach der Kündigung lud FPÖ-Chef Herbert Kickl ihn zu einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Das blaue Programm ist mit jenem der Impfgegner beinahe deckungsgleich – inklusive der Ablehnung der Russland-Sanktionen, der ORF-Haushaltsabgabe und von supranationalen Organisationen wie EU, NATO und WHO.
Wie die FPÖ warnen auch MFG-Politiker vor der „Klimahysterie“ und werfen der Bundesregierung die Abschaffung der Neutralität vor. Man könnte die MFG als FPÖ minus „Ausländer“-Hetze plus esoterischer Neigung qualifizieren. Im oberösterreichischen Landtag setzt sich Aigner für die Anerkennung alternativer Heilmethoden ein.
Ein Vorbild für die MFG ist die Alternative für Deutschland (AfD), sagt Aigner. Nicht inhaltlich, aber organisatorisch. Denn die AfD habe gezeigt, wie man es als Polit-Start-up „mit organischem Wahlkampf“ ins Parlament schafft.
Wer ist hier „System"?
Die FPÖ sei dagegen „eine Systempartei“, sagt Aigner, „eine ÖVP auf Anabolika“, „eine Mogelpackung“ (Brunner). Wo auch immer die Blauen an der Regierung beteiligt seien (Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg), würden sie sich arrangieren, während die MFG vom „System“ verfolgt würde. Als Nachweis dieser Verfolgung führt Aigner den „Aktionsplan gegen Extremismus“ an, den die oberösterreichische Landesregierung im Juli 2023 beschloss.
Neben Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus widmet sich der Plan auch „staatsfeindlichen Verbindungen“. Anhand eines Lagebilds des Landesamts für Verfassungsschutz wird darin vor „gewaltbereiten Anhängerinnen und Anhängern“ aus der Bewegung der „Corona-Maßnahmen-Gegner (CMG)“ gewarnt. Es sei zu „konspirativen Treffen der CMG-Führungskader mit Vertretern von nationalsozialistisch-inspirierten Gruppierungen und Vertretern der ‚Neuen Rechten‘“ gekommen.
Zwar wird die MFG im Aktionsplan nicht genannt, Joachim Aigner sieht dennoch eine Diffamierung seiner Partei. Er habe an jeder Anti-Maßnahmen-Demo in Wien teilgenommen, ohne dass ihm Rechtsradikale untergekommen wären. Dass einzelne Neonazis wie Gottfried Küssel mitmarschieren würden, dürfe nicht die gesamte Bewegung diskreditieren. Eine Unterwanderung der CMG durch rechtsradikale Gruppen sieht er nicht.
Gerippe
Organisatorisch ist die MFG weiterhin ein Gerippe, auch wenn sie neun Landesparteien hat. Vor zwei Wochen versammelten sich die Funktionäre zu einem Workshop bei Lenzing, um sich für das Wahljahr zu rüsten. Zu ihrer besten Zeit hatte die MFG eigenen Angaben zufolge 30.000 zahlende Unterstützer. Demnächst werden alle einen Zahlschein mit der Bitte um eine Spende erhalten. Wahlen kosten, auch wenn die MFG laut Aigner „einen organischen Wahlkampf“ führen will. Soll heißen: sparsam über soziale Medien und direkten Kontakt mit Wählerinnen und Wählern.
Dieses Rezept führte auch bei der Gemeinderatswahl 2022 in Niederösterreich zum Erfolg. So kam die Partei in der Heimatgemeinde von ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Waidhofen an der Ybbs, auf 17 Prozent und sieben Mandate. Mittlerweile haben alle Mandatare die MFG verlassen. Begründung: Die Partei sei zu zentralistisch.
Auch die beiden MFG-Gemeinderäte in Linz sind nicht mehr dabei. Eine von ihnen, Vera Schachner, warf Aigner vor, „Macht, Geld und Vorteilsdenken“ würden im Vordergrund stehen. Auch Ex-Bundesgeschäftsführer Gerhard Pöttler verabschiedete sich. Michael Brunner bezeichnet den Personalschwund als „Geburtswehen einer neuen Partei“. Und: „Manche Mitglieder sind zu uns gekommen, um uns zu unterwandern.“ Auflösungserscheinungen will er nicht erkennen.
Joachim Aigner sagt, die abtrünnigen Mandatare seien nicht teamfähig gewesen. Das soll wohl auch für die Gemeinderäte in Wels und Steyr gelten, die sich ebenfalls von der MFG verabschiedeten. Auch Alfred Hirsch, MFG-Sprecher im Bezirk Kirchdorf an der Krems, verließ die Partei vor einem Jahr. In der „Kronen Zeitung“ begründet er seinen Schritt so: Die MFG habe sich mittlerweile an „das System“ angepasst.