Ein Pro-Choice-Protest; Frau hält Schild hoch, auf dem steht: "Körperautonomie ist ein Menschenrecht!"
Reproduktive Rechte

Initiative fordert: EU soll kostenlose Abtreibungen finanzieren

Schwangerschaftsabbrüche sollen entstigmatisiert und von der Europäischen Union bezahlt werden. profil hat mit den österreichischen Initiatorinnen gesprochen.

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Laut der WHO wird jede fünfte Schwangerschaft weltweit abgebrochen. Katharinas* war eine davon. April 2023: Die damals 23-Jährige besucht ihren Gynäkologen, weil ihre Periode seit drei Monaten ausgeblieben ist: „Ich hatte zwar die leise Vorahnung, dass ich schwanger sein könnte, doch ich wollte es einfach nicht wahrhaben", erzählt sie profil. Auf dem Ultraschall ist ein Fötus klar erkennbar. „Als ich das Ultraschallbild gesehen habe, bin ich in Tränen ausgebrochen“, so die mittlerweile 24-Jährige. Katharina ist bereits in der zwölften Woche schwanger, als sie davon erfährt. Für sie ist von Anfang an klar: Sie möchte abtreiben.

Hohe Kosten

Eine Schwangerschaft abzubrechen, ist in Österreich jedoch gar nicht so einfach – es ist vor allem aber eines: teuer. 600 Euro zahlte Katharina für ihren operativen Schwangerschaftsabbruch. Mit einem Sauggerät wird der Fötus aus der Gebärmutter der schwangeren Person herausgesaugt. Der ganze Eingriff passiert während die Patientin unter Vollnarkose ist und dauert etwa fünf Minuten. Dann gibt es noch den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch, der mittels Tabletten den Abgang des Fötus einleitet. Dafür war es in Katharinas Fall schon zu spät. 

Österreichische Fristenlösung

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, wie Polen oder Malta, sind Abtreibungen in Österreich zugänglicher. Doch auch hierzulande gibt es einige Hürden, die ungewollt Schwangere durchmachen müssen. Beispielsweise die finanzielle. Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Österreich eine Privatleistung. Der Wohnort der Schwangeren spielt beim Abbruch eine große Rolle. Beispielsweise gibt es im Burgenland keine einzige Klinik, die Abtreibungen anbietet. In Vorarlberg ist der letzte Gynäkologe, der Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt hat, 2023 in Pension gegangen. Nach einer lauten Protestwelle beschloss man jedoch, Abtreibungen in Vorarlberger Spitälern durchzuführen.

Dann gibt es noch den Paragraphen 97 im Strafgesetzbuch, die sogenannte „Fristenlösung“ – laut ihr sind Schwangerschaftsabbrüche in Österreich bis zur zwölften Schwangerschaftswoche verboten, aber dennoch straffrei. Wer hierzulande also abtreibt, bricht das Gesetz, wird allerdings nicht bestraft. 

Gratis Abtreibungen für alle?

Am Mittwoch wurde die Initiative „My Voice, my Choice“ (Deutsch: Meine Stimme, meine Entscheidung) von NGOs aus unterschiedlichen europäischen Ländern ins Leben gerufen, die sich dafür einsetzt, Abtreibungen europaweit sicher und zugänglich zu machen. Umsetzen möchte man das mittels finanzieller Anreize durch die Europäische Union. Angelehnt ist die Aktion an die von der EU umgesetzten kostenlosen Brustkrebs-Screening-Programme, die von der Europäischen Kommission durch eine finanzielle Unterstützung zu vermehrten Vorsorgeuntersuchungen geführt haben. 

„In der Praxis könnte dank der Initiative eine ungewollt Schwangere aus Polen, wo Abbrüche in praktisch allen Fällen verboten sind, in anderen EU-Ländern kostenfreien Zugang bekommen. Für Betroffene in Österreich würden die Kosten für den Eingriff entfallen“, erhofft sich Mirjam Hall, Assistenzärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe bei einer Pressekonferenz. Funktionieren soll dies mit einem Geldtopf, der von der EU für alle Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt wird. Wie hoch der Fonds sein soll und wie das finanziert werden soll, hänge jedoch von der EU-Kommission und der geschätzten Zahl der durchgeführten Abtreibungen ab. Soll heißen: Einen konkreten Plan haben die Initiatorinnen noch nicht.

Ziel ist es, bis Juni bis zu einer Million Unterschriften zu sammeln – 13.395 davon in Österreich. 

Kippt Deutschland Kriminalisierung?

In Deutschland wird das Thema Abtreibungen derzeit wieder medial in den Mittelpunkt gestellt. Grund dafür ist eine repräsentative Umfrage, laut der fast 80 Prozent der Deutschen sich für eine Legalisierung aussprechen. Dort herrscht derzeit eine ähnliche Regelung wie hierzulande – Schwangerschaftsabbrüche sind bis zur zwölften Woche straffrei, aber nicht legal. 

Ein von der deutschen Bundesregierung eingesetztes Gremium sprach sich dafür aus, Schwangerschaftsabbrüche in den ersten Wochen zu legalisieren. Noch ist aber nichts beschlossen. In Österreich sieht es jedenfalls nicht nach einer solchen Gesetzesänderung aus. 

Dafür unterstütze man die „My Voice, My Choice“-Initiative: „Der Zugang zu niederschwelligen Schwangerschaftsabbruchsmöglichkeiten ist uns bekanntermaßen ein großes Anliegen. Aus einer Frauengesundheitsperspektive kann den Forderungen der EU-Initiative zugestimmt werden“, heißt es aus der Pressestelle des Gesundheitsministeriums.

Entkriminalisierung führt zu Entstigmatisierung

Auch, wenn eine Streichung aus dem Strafgesetzbuch faktisch nichts am Prozess des Schwangerschaftsabbruchs ändert, bringt Entkriminalisierung vor allem eine Sache mit sich: Die Entstigmatisierung. Und genau diese Entstigmatisierung hätte Katharina 2023 geholfen. Bereut hat sie ihre Entscheidung bisher nicht. Erzählt hat sie davon aber auch keinem – außer ihrer Mutter und ihrer besten Freundin – aus Angst, man würde über sie urteilen, erzählt sie profil. 

*Name von der Redaktion geändert

Natalia Anders

Natalia Anders

ist Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.