Wirtschaftskammer Kärnten

Inseraten-Affäre: Deals zwischen öffentlicher Hand und Parteimedien

Öffentliche Institutionen schanzen Parteimedien jede Menge Inserate zu. In Vorarlberg gab es Rücktritte, nun kommen neue brisante Details aus Kärnten und Oberösterreich heraus.

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Wenn eine Partei jahrzehntelang ein Bundesland regiert, eine öffentliche Kammer kontrolliert, zentrale Positionen in staatsnahen Unternehmen besetzt und auch die Verwaltung mit Vertrauten infiltriert, dann verschwimmen die Grenzen zwischen Partei und öffentlichen Institutionen, weil alle Involvierten da wie dort Funktionen bekleiden. Und es schwindet das Gespür dafür, was vertretbar ist und was nicht.

Dieses Gespür lassen viele Amtsinhaber vermissen, die für Anzeigenetats von Kammern, Landesregierungen und staatsnahen Unternehmen verantwortlich sind und der Verlockung erliegen, zumindest einen Teil dieser Gelder in die Parteikassen zu leiten. Meist sind die Annoncen in den parteieigenen Medien zwar legal – moralisch aber fragwürdig und politisch wettbewerbsverzerrend. Nach einem Skandal rund um den ÖVP-Wirtschaftsbund in Vorarlberg gerät die Inseraten-Praxis in Verruf, und die kaum bekannten Parteigazetten geraten in den Fokus. profil-Recherchen zeigen, dass sich Regierungsparteien auch in anderen Bundesländern fleißig an öffentlichen Geldern bedienen. Und dafür teils kuriose Konstruktionen zimmerten.

Dabei stehen den Parteien in Bund und Ländern jährlich ohnehin 212 Millionen Euro aus der Parteienförderung, der Klubförderung und der Subvention für Parteiakademien zur Verfügung. Dazu kommen noch Fraktionsförderungen der Wirtschaftskammern (knapp 25 Millionen Euro jährlich) und Arbeiterkammern (knapp acht Millionen Euro).
Manchen Parteien reicht das nicht, sie sichern sich über Inserate eine Zusatzfinanzierung. Das Magazin des Vorarlberger Wirtschaftsbundes soll jährlich über eine Million Euro an Annoncen lukriert haben, teils aus öffentlichen Geldern, etwa von der Wirtschaftskammer. Der Direktor des Wirtschaftsbundes verdiente bei jeder Inseratenschaltung über eine Media-Agentur mit, die die Buchungen abwickelte. Und die Einnahmen sollen von der ÖVP-Teilorganisation an die schwarze Landespartei weitergereicht worden sein – allerdings ohne Mehrwertsteuer zu bezahlen, was dem Wirtschaftsbund nun eine Prüfung durch das Finanzamt einhandelte. Und zum Rücktritt der Führungsriege führte.

„Überraschend an der Vorarlberger Affäre war das hohe Volumen, das da zusammenkommt. Das kann einen Einfluss darauf haben, welche Ressourcen in den Wahlkämpfen zur Verfügung stehen und kann zum ungleichen politischen Spielfeld beitragen“, sagt Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit. Er ortet bei öffentlichen Inseraten für Parteimedien „möglichen Missbrauch von anvertrauten Geldern“. Eine Lösung wäre laut Huter ein Inseratenverbot für öffentliche Stellen in parteieigenen Zeitungen. Oder: Die Offenlegungspflichten verschärfen. Es ist allerdings fraglich, ob solche Vorschläge im Parlament eine Mehrheit finden. Denn österreichweit profitieren viele Parteiorganisationen vom Status quo.

Familiendeals am Wörthersee

Wenn der ÖVP-Wirtschaftsbund in Kärnten ein Inserat von der Kärntner Wirtschaftskammer will, dann sind die Wege nicht weit. Der Kammerpräsident und der Obmann des Parteibundes sind dieselbe Person: Jürgen Mandl. Offiziell ist er in die Inseratendeals nicht involviert, wie die Kammer auf profil-Anfrage erklärt. Fest steht: Die Wirtschaftskammer ist einer der treuesten Anzeigenkunden des „M.U.T.“-Magazins, das von der ÖVP-Teilorganisation Wirtschaftsbund herausgegeben und an Kärntner Unternehmer verschickt wird.

Besonders deutlich wird das in der „M.U.T.“-Ausgabe 3/2021: Darin findet sich ein ganzseitiges Inserat der Wirtschaftskammer Kärnten, ein ganzseitiger bezahlter redaktioneller Beitrag der Wirtschaftskammer-Fachgruppe Handel, ein halbseitiges Inserat des Exportförderungsprogramms der Wirtschaftskammer und des Digitalisierungsministeriums (dessen Ministerin Margarete Schramböck Wirtschaftsbündlerin ist), eine halbseitige Schaltung des Gründerservices der Kärntner Kammer, eine ganzseitige Annonce des Weiterbildungsinstituts WIFI (das im Eigentum der Wirtschaftskammer steht) und auf der Rückseite eine ganzseitige Anzeige der Wirtschaftskammer Österreich. Diese sechs vollen Seiten an Kammerinseraten in der Zeitschrift des Wirtschaftsbundes sind laut der online abrufbaren Inseratenpreisliste zusammengerechnet 15.400 Euro wert.

Seit Anfang 2020 wurden acht „M.U.T.“-Ausgaben publiziert, in jeder davon erschienen mindestens zwei Inserate der Wirtschaftskammer. Die Kärntner NEOS schätzen das Gesamtvolumen der Schaltungen auf knapp 73.000 Euro. Die Werbeanzeigen im Parteiblatt sind zwar legal, die Optik ist aber schief. Denn die Wirtschaftskammer Kärnten gibt eine eigene Wochenzeitung heraus, die an alle Mitglieder – und damit im Wesentlichen an denselben Adressentenkreis wie „M.U.T.“ – verschickt wird. Warum bezahlt die Kammer also Inserate an Empfänger, die sie ohnehin selbst erreicht?

Dazu kommt: Der Wirtschaftsbund hat als stärkste Fraktion in der Kammer Anspruch auf üppige Fraktionsgelder. Pro Jahr schüttet allein die Kärntner Landeskammer 1,1 Millionen Euro an die Fraktionen aus, mehr als die Hälfte davon entfällt auf die stärkste Fraktion, den Wirtschaftsbund. Die Inserate für „M.U.T.“ kommen noch obendrauf. Die Grenzen zwischen der Parteiorganisation und der Kammer verschwimmen, das zeigt auch ein Blick in die Autorenzeilen des „M.U.T.“-Magazins: Der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Kärntner Wirtschaftskammer, Peter Schöndorfer, schreibt regelmäßig Coverstorys für das Parteiblatt. Und die Inseratenabwicklung? Die läuft über die Firma seiner Frau. Auf profil-Anfrage erklärt Peter Schöndorfer, dass er diese Texte ehrenamtlich außerhalb seiner Kammer-Arbeitszeit schreibt. In Inseratenbuchungen sei er nicht involviert, daher sieht er auch keine Unvereinbarkeit zwischen seiner Tätigkeit und jener seiner Frau.

Insgesamt seien im Jahr 2021 „ca. 25.000 Euro“ an Inseraten der Landeskammer in das Wirtschaftsbund-Magazin geflossen – die Anzeigen der Bundeskammer sind da noch nicht eingerechnet. Als Grund für die Buchungen im Parteiblatt führt die Kammer aus: Das Magazin „M.U.T.“ sei für die Wirtschaftskammer „besonders interessant, weil es als einziges Kärntner Magazin mit einer Auflage von mehr als 38.000 Stück an alle Kärntner UnternehmerInnen versendet wird, wodurch die für uns relevante Hauptzielgruppe ohne Streuverluste und in einem wirtschaftlich fokussierten, attraktiven redaktionellen Umfeld erreicht werden kann“. Der Seitenpreis liege „deutlich unter jenem anderer Magazine oder Tageszeitungen in Kärnten“. Die eigene Kammerzeitung sei mit dem vierfarbigen Parteimagazin „in Aufmachung und Inhalt nicht vergleichbar“. Und schließlich erklärte die Kammer, dass auch im Magazin „Wirtschaft aktiv“ der Freiheitlichen Wirtschaft um 10.500 Euro (2021) inseriert wurde. Nachsatz: „Andere Fraktionsmedien sind uns nicht bekannt.“

Der Landessprecher der Kärntner NEOS, Janos Juvan, kritisiert die Inseratenpraxis: „Mich stört, dass mit meiner Kammerumlage sinnlose Inserate in einem Parteimedium finanziert werden.“ Sabine Jungwirth, Bundeschefin der Grünen Wirtschaft, kündigte eine Anfragenserie an die Wirtschaftskammer zu den Inseraten in Fraktionsmedien an.

Linz AG: Inseratenstopp für Parteimedien

Es war eine gut geübte Praxis: Die Linzer SPÖ und die Linzer FPÖ suchten für ihre Parteizeitungen „Alles Linz“ bzw. „FPÖ Linz Direkt“ um Inserate beim stadteigenen Dienstleister Linz AG an. Und die Linz AG schaltete bereitwillig Annoncen. Aufsichtsratschef des Konzerns, der unter anderem die Linzer Linien, die Fernwärme und die städtische Bestattung betreibt, ist Bürgermeister und Stadt-SPÖ-Chef Klaus Luger. Im Jahr 2020 flossen immerhin 9.000 Euro an die rote und die blaue Parteizeitung. Andere Fraktionen des Linzer Gemeinderates gingen leer aus. Warum? „Andere Gemeindefraktionen haben nicht angefragt“, erklärt die Linz AG auf profil-Nachfrage.

Seit Herbst 2020 war allerdings Schluss mit dem Geldregen des städtischen Betriebs an jene Parteien, die die Stadt regieren. Wie profil von mehreren stadtpolitischen Insidern bestätigt wurde, hat die Linz AG ihre Inseraten-Policy überdacht. Der Betrieb bestätigt das auf Anfrage: „Im September 2020 hat die LINZ AG Inserate in politisch motivierten Medien der Gemeinderatsfraktionen eingestellt. Lediglich die vor 1. Juli 2020 getätigten Zusagen für 2020 wurden in diesem Jahr noch erfüllt. Neue Zusagen hat es nicht mehr gegeben.“ Die Entscheidung sei „im Rahmen interner Konzern- und Budgetkonsolidierungen“ getroffen worden, die „auch das Marketingbudget betroffen haben“. Tatsächlich finden sich in den folgenden Jahren keine Linz-AG-Annoncen mehr in den Parteigazetten.

Ein ehemaliger Stadtpolitiker erinnert sich: Es sei früher ein offenes Geheimnis unter den Fraktionen gewesen, dass sie auf Anfrage Inserate und Sponsorings von der Linz AG bekommen. Die Beträge seien über die Jahre in etwa gleich geblieben und in der Größenordnung von ein paar Tausend Euro gelegen. Die Linz AG stellt das in Abrede: „Die Inserate hatten aktuelle Themen der LINZ AG (übliche Information/Kommunikation rund um: Kundenaktionen, Wasser, Öffentlicher Verkehr, Bäder …) zum Inhalt und waren ausschließlich nachfrageorientiert. Fixe Jahres- oder Quartalszusagen hat es nicht gegeben.“

Die Kommunikationsabteilung der Linz AG muss ihren subtilen Humor in Zukunft jedenfalls anderweitig ausleben: Das letzte Inserat, das im FPÖ-Parteiblatt geschaltet wurde, zeigt zwei maskentragende Öffi-Nutzer vor einer Straßenbahn, die einen Babyelefanten Abstand halten. Darunter steht in großen Lettern: „Solidarität“.

Ganz auf Inserate von öffentlichen Körperschaften muss die SPÖ-Stadtzeitung trotzdem nicht verzichten: Die rot dominierte oberösterreichische Arbeiterkammer unterstützte die rote Stadtparteizeitung auch im Linzer Wahlkampf 2021 mit Inseraten.

OÖ: Ein PDF als „Online-Inserat“

Auf der Website des ÖVP-Wirtschaftsbundes Oberösterreich werden zwei „Sponsoren“ angeführt, die in der politischen Einflusssphäre der ÖVP stehen: das Land Oberösterreich und die landeseigene Energie AG. Wie sah dieser Sponsoringvertrag aus – und was war die Gegenleistung dafür? Auf Nachfrage erklärt die Parteiorganisation, dass beide Partner jeweils ein Online-Inserat zum Jahrespreis „von € 1500,– (zzgl. 5% Werbeabgabe)“ auf der Website des Wirtschaftsbundes geschaltet hätten.

Online-Werbungen sind üblicherweise so gestaltet, dass sie der Besucher einer Website kaum übersehen kann. Viele User haben Werbeblocker installiert, weil sie die animierten Banner, die in bunten Farben über den Bildschirm blinken, als störend empfinden. Auf der Website des Wirtschaftsbundes Oberösterreich besteht diese Gefahr nicht. Wer die „Online-Inserate“ von ÖVP-Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner und der Energie AG finden will, muss lange danach suchen.

Erst wer auf den Menüpunkt „Presse“ klickt und an den Links zu Pressefotos von Funktionären des Wirtschaftsbundes, zu Broschüren, Mitgliederformularen und Logos vorbeiscrollt, landet bei der Zwischenüberschrift „Sponsoren“. Dort können Websitebesucher unter dem Punkt „Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner – Nachhaltige Wirtschaft, nachhaltige Chacen (sic!)“ ein einseitiges PDF downloaden, auf dem steht, dass das Land einen „Nachhaltigkeits-Bonus“ an innovative Unternehmen auszahlt. Ein Download-PDF als Annonce ist eine Werbeform, die man getrost als unüblich bezeichnen kann.

Unüblich an dem Inseratendeal ist auch: Digitale Werbeanzeigen werden gewöhnlich nach den erzielten Sichtkontakten abgerechnet, also danach, wie vielen Usern die Ads angezeigt wurden. Die Abgeltung der Inserate des Wirtschaftslandesrates und der Energie AG war dagegen nicht an die Reichweite gekoppelt, sondern erfolgte pauschal. Wie gut der Deal war, lässt sich so kaum überprüfen.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.