Strache, Kickl (Februar 2019)
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Inseratenaffäre: Wie Blaue schalten, wenn sie walten

Die WKStA vermutet, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl Steuergeld veruntreut haben könnte. Worauf die Staatsanwaltschaft ihren Verdacht stützt und welche Muster sich daraus ergeben.

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Manchmal tut man in der Nacht Dinge, die man Jahre später bereut. Der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kann davon ein Lied singen. Eine Nachricht, die Strache als Vizekanzler am 19. April 2019 um 22.12 Uhr verschickte, könnte besonders schwere Folgen haben – auch für die heutige FPÖ-Spitze. Es geht um den Verdacht der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit und ein Muster blauer Inseratenkorruption. Wörtlich schrieb Strache an damalige FPÖ-Minister, man müsse Wolfgang Fellner „klarmachen, dass wir ihn nicht mit Inseraten füttern, damit er permanent vorbestrafte FPÖ-Hasser einlädt und gegen uns anschreibt“.

Heinz-Christian Strache, 19. April 2019

Nachdem Fellner, trotz Zusage Stadler nicht mehr zu oe24 Diskussionen einzuladen, diesen heute wieder zur FPÖ-Beschimpfung eingeladen hat, sollten wir die Inserate bei ihm einstellen … und wenn er dann wieder vorstellig werden sollte, sollten wir ihm klarmachen, dass wir ihn nicht mit Inseraten füttern, damit er permanent vorbestrafte FPÖ-Hasser einlädt und gegen uns anschreibt. Dann soll er bitte von Stadler, der SPÖ und co die Inserate einholen. Dazu braucht er uns dann nicht! Lg

profil liegen Hunderte Seiten an Chats vor, die aus dem Handy von Strache stammen. Das Handy des früheren Parteichefs war im Zuge der Ermittlungen in der Wiener Spesenaffäre kassiert worden. Für den „Rot-blauen Machtmissbrauch Untersuchungsausschuss“ durchsuchte die Staatsanwaltschaft das Gerät dann auf politisch relevante Nachrichten.

Dabei fanden die Korruptionsjäger konkrete Hinweise, die folgende Verdachtslage ergeben: Die Freiheitlichen sollen genehme Berichterstattung durch Inserate im Boulevard, in rechten und rechtsextremen Medien finanziell belohnt und kritische Stimmen bestraft haben wollen. Und das nicht nur mit Parteigeldern, sondern mit Geldern aus blauen Ministerien. Gelder, die dafür reserviert sind, die Bevölkerung neutral zu informieren. Sie für parteiische Zwecke zu entfremden, erfüllt den Tatbestand der Korruption. „Finanzielle Gunst gegen gefälligen Journalismus“, so beschreibt Medienwissenschafter Andy Kaltenbrunner das österreichische Phänomen der Inseratenkorruption, das beileibe keine Erfindung der FPÖ ist.

FPÖ-Affären

Sumpf statt Trumpf

Von Gernot Bauer, Lena Leibetseder, Max Miller und Jakob Winter

Der heutige Parteichef Kickl ist durch seine Amtszeit als Innenminister in der türkis-blauen Regierung (2017 bis 2019) in die Inseratenaffäre verwickelt. Er soll – so der Verdacht der WKStA – eigene Ministeriumsgelder für Straches Plan ermöglicht haben, die Berichterstattung im Boulevardmedium „oe24“ (Mediengruppe „Österreich“) durch Inserate positiv zu beeinflussen. Weitere mögliche Komplizen: der damalige Verteidigungsminister und aktuelle Chef der FPÖ-Steiermark, Mario Kunasek, sowie der damalige FPÖ-Verkehrsminister und heutige Dritte Nationalratspräsident, Norbert Hofer. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Die Ausgangslage

In der türkis-blauen Regierung war Strache nicht nur Vizekanzler, sondern auch Sportminister. Als solcher vergab er 90 Prozent seines Inseratenbudgets an die drei großen Boulevardmedien „Kronen Zeitung“, „Österreich“ und „Heute“, berechnete Kaltenbrunners „Medienhaus Wien“. Die FPÖ hatte zudem eine auffällig großzügige Beziehung zu Fellners Mediengruppe „Österreich“. Nur FPÖ-geführte Ministerien inserierten 2018 und 2019 mehr in der Mediengruppe „Österreich“ als bei der größten Zeitung des Landes, der „Kronen Zeitung“: das Innenministerium, das Verkehrsministerium und das Sozialministerium unter FPÖ-Ministerin Beate Hartinger-Klein.

Der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl gab als Innenminister sogar rund 100.000 Euro mehr für Werbung in der Mediengruppe „Österreich“ aus als bei der „Kronen Zeitung“ – obwohl Letztere rund drei Mal mehr Leser hat. „Irgendein sachlich begründbarer Informationsauftrag für solche Inseratenvergabe durch das Innenministerium lässt sich nicht finden“, sagt Kaltenbrunner.

Die Nähe, die Strache zu „Österreich“ suchte, führte offenbar zu umso größeren Enttäuschungen, wenn sie nicht erwidert wurde. Auf „oe24“, einem Fernsehsender, der zur Mediengruppe „Österreich“ gehört, finden regelmäßig Streitgespräche statt, die besonders bei der Kernwählerschicht der FPÖ beliebt sind. 2019 lautete ein Format: der linke Politikberater Rudi Fußi gegen den Ex-FPÖ-Abgeordneten Ewald Stadler. Stadler hatte die FPÖ 2007 im Rosenkrieg verlassen und kritisiert sie seither öffentlich bis aufs Blut. 2019 tat er dies nun auch auf „oe24“. Die FPÖ – offenbar genervt davon, dass Stadler noch immer der eigenen Partei zugeordnet wurde – wollte ihn durch einen anderen, loyalen, Mann ersetzt wissen. Im Furor könnte sie zu weit gegangen sein.

Straches heiße Nachricht an Fellner 

Ab Jänner 2019 beschwerte sich Strache beim „Österreich“-Herausgeber über Stadler. Im März kam es zu einer Einigung: Statt Ewald Stadler sollte künftig der frühere EU-Abgeordnete der Partei, Andreas Mölzer, gegen Fußi antreten. Die Rochade klappte und befruchtete fortan die Beziehung zwischen Freiheitlichen und dem Boulevardmedium: Im April bot Strache Fellner an, einen Link zu „oe24“ auf seiner Facebookseite zu posten und trat selbst im Sender auf. Fellner bedankte sich daraufhin „für die super-Quote gestern“, und schrieb dem damaligen Vizekanzler: „Sieht so aus als wären wir ein gutes Duo“.

Als Stadler im April plötzlich wieder im „oe24“-Streitgespräch auftrat, krachte es. Am 19. April 2019 schrieb Strache schließlich die verfängliche Nachricht in einer Gruppe an seine Minister Kickl, Hofer, Kunasek und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, sowie den heutigen EU-Spitzenkandidaten Harald Vilimsky: „Nachdem Fellner, trotz Zusage Stadler nicht mehr zu oe24 Diskussionen einzuladen, diesen heute wieder zur FPÖ-Beschimpfung eingeladen hat, sollten wir die Inserate bei ihm einstellen … und wenn er dann wieder vorstellig werden sollte, sollten wir ihm klarmachen, dass wir ihn nicht mit Inseraten füttern, damit er permanent vorbestrafte FPÖ-Hasser einlädt und gegen uns anschreibt. Dann soll er bitte von Stadler, der SPÖ und co die Inserate einholen. Dazu braucht er uns dann nicht! Lg“

Strache ließ seinen Frust auch direkt bei Fellner aus: „sie können auch nicht länger erwarten, dass wir Stadler – mit seinem pathologischen Hass gegen uns – in ihrer Sendung unterstützen“, schrieb Strache – und: „Das soll dann bitte er mit Inseraten in Zukunft machen!“

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

war bis Oktober 2024 stv. Online-Ressortleitung und Teil des faktiv-Teams.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.