FPÖ-Fürst: „Ich bezeichne das als islamische Unterwanderung“
Von Gernot Bauer und Robert Treichler
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Frau Abgeordnete, im Wahlprogramm der FPÖ ist zu lesen, dass Zugewanderte die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren sollen, wenn sie sich „der Geringachtung des Landes schuldig“ machen. Was bedeutet das?
Fürst
Die Geringachtung bezieht sich auf Menschen, die zu uns kommen, aber uns als ihr Gastland nicht respektieren, sondern als vorgebliche Asylwerber gar nicht die Absicht haben, sich anzupassen. Wenn Zuwanderer Konflikte aus ihrer Heimatregion zu uns tragen. Wenn es zu Bandenkriegen kommt. Aber auch wenn Kinder und Jugendliche in Schulen beginnen, ihr Weltbild über unsere Werte zu stellen.
Und das wäre ein neuer Straftatbestand?
Fürst
Nein. Wir haben ein ausreichendes Strafgesetzbuch. Es gehört aber durchgesetzt. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Begehung einer Straftat Auswirkungen auf ein Asylverfahren hat.
Das bedeutet, dass jede Straftat bereits als Geringachtung des Landes gilt, etwa ein Ladendiebstahl.
Fürst
Auch ein Ladendiebstahl ist eine Missachtung des Aufnahmelandes, aber es geht hier vorrangig um Kapitalverbrechen.
In Ihrem Wahlprogramm beziehen Sie sich explizit auf eingebürgerte Migranten, denen Sie die österreichische Staatsbürgerschaft wegen Geringachtung aberkennen wollen.
Fürst
Es geht vor allem darum, den Zuzug zu vermeiden. Personen, die keinen legal gefestigten Aufenthaltsstatus haben, müssen wir außer Landes bringen, wenn kein Fluchtgrund vorliegt. Und ein laufendes Asylverfahren soll bei einer Straftat beendet werden.
Das ist ja jetzt schon Rechtslage. Schwere Straftaten sind ein Asylausschließungsgrund.
Fürst
Es kann eine Rolle spielen, ist aber nicht so klar geregelt. Eine Straftat muss Konsequenzen haben.
Wie ein Ladendiebstahl, der ja eigentlich als Bagatelldelikt gilt?
Fürst
Wenn einer Cottage-Käse mitgehen lässt, wird das nicht das große Problem sein. Es geht um Wiederholungstäter und eben um die Geringachtung des Staates. Ein 17-jähriger somalischer Asylwerber ist dringend verdächtig, ein 14-jähriges Mädchen im Bahnhof Langenzersdorf vergewaltigt zu haben. Derzeit ist es so, dass er nicht automatisch rausmuss.
Aber was ist nun mit eingebürgerten Migranten und Flüchtlingen?
Fürst
Der Schwerpunkt liegt bei jenen ohne Staatsbürgerschaft. Wenn aber jemand etwa einen Terrorakt plant oder ausübt, sollte die Staatsbürgerschaft aberkannt werden.
Das ist ja ein relativ defensives Konzept. In der Türkei ist die Beleidigung des Türkentums ein Strafdelikt. Man darf also weiterhin als Zuwanderer über Österreich schimpfen.
Fürst
Man darf die FPÖ beleidigen, ohne dass ich hier einen Freibrief ausstellen will. Es geht uns nicht um Nationalstolz.
In Ihrem Wahlprogramm ist auch von einem Notgesetz zu lesen, durch welches das Asylrecht temporär vollständig ausgesetzt werden kann.
Fürst
Das ist nichts Neues. Das ist eine Obergrenze, wie sie auch SPÖ und ÖVP 2016 beschlossen haben. Wir gehen aber weiter und vertreten das Konzept der Nullzuwanderung. Die öffentliche Sicherheit in Österreich ist akut gefährdet, daher ist ein Nullzuzug auf Basis eines Notgesetzes gerechtfertigt. Das steht auch im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Die EMRK kann nur im absoluten Notstandsfall ausgesetzt werden, etwa in einem Krieg oder in einem öffentlichen Notstand, der die gesamte Nation bedroht.
Fürst
Wie gesagt, die öffentliche Sicherheit in Österreich ist aufgrund der vielen Asylwerber akut gefährdet. Und weder die EMRK noch die Genfer Flüchtlingskonvention zwingen uns dazu, Afghanen oder Syrer aufzunehmen. Krieg ist nach der Genfer Konvention kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling. Es muss eine individuelle politische Verfolgung vorliegen. Davon sind wir in den meisten Fällen weit weg.
Allerdings gibt es eine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der die Fluchtgründe weiter fasst.
Fürst
Diese Rechtsprechung sollte sich ändern. Die EMRK war nie so gemeint, dass wir verpflichtet sind, Somalier aufzunehmen.
Sollte Österreich die EMRK aufkündigen?
Fürst
Nein, das halte ich nicht für notwendig. Ich habe mit dem Wortlaut der Konvention kein Problem, sondern mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs. Diese Gerichtshöfe haben sich angemaßt, das internationale Asylrecht auszulegen, wie es nicht gemeint war.
Im Juni hat der Europäische Gerichtshof Ungarn wegen dessen rigiden Asylrechts zu Strafzahlungen in Höhe von 200 Millionen Euro verurteilt. Wenn Sie das Asylrecht aussetzen wollen, blühen Österreich auch Strafzahlungen.
Fürst
Das werden wir sehen. Wir können da etwas auslösen. Nicht nur Ungarn, auch Tschechien, die Slowakei, die Balten, Dänemark und Schweden haben eine Kehrtwende in Asylfragen hingelegt. Politische Verhältnisse haben Auswirkungen auf die Rechtsprechung. Je mehr Länder die jetzigen Asylregeln hinterfragen, umso freier wird man diskutieren können. Und wie will man die jetzige Situation in Bezug auf Flüchtlinge vor der Bevölkerung rechtfertigen? Will die Judikatur von EuGH und EGMR in den Köpfen akzeptiert werden, sollte sie sich damit decken, was eine Mehrheit in der Bevölkerung als gerecht empfindet.
Man begibt sich auf dünnes Eis, wenn man in komplexen juristischen Fragen mit dem sogenannten gesunden Volksempfinden argumentiert.
Fürst
Ich weiß, das ist ein heikles Feld. Aber ein Beispiel: Belgien konnte einen Kinderschänder nicht abschieben, weil es Gerichte untersagten. Hier versteigt sich die Judikatur. Die Gerichte sind ein Vehikel für offene Grenzen geworden. Richter machen Politik, ohne je gewählt worden zu sein.
Die Rechtsprechung der Gerichte zu ändern, wird dauern. Wesentlich schneller ginge die Einstellung oder Reduktion der österreichischen Beitragszahlungen an die EU. Diese fordern Sie in Ihrem Wahlprogramm für den Fall, dass die EU ihre Aufgaben nicht erfüllen würde. Das wäre Rechtsbruch.
Fürst
Ich nenne das Notwehr. Wenn die EU ihre Verpflichtungen nicht erfüllt, etwa indem sie die Außengrenzen nicht sichert, bricht sie Verträge. Die grundsätzliche Vereinbarung lautete ja: Die Landesgrenzen innerhalb der EU fallen, dafür sind die Außengrenzen sicher.
Der Schutz der Grenzen ist nationale Kompetenz.
Fürst
Ja, aber in den EU-Verträgen ist auch der Außengrenzschutz festgelegt.
Aber für ihren unmittelbaren Grenzschutz sind etwa Italiener und Griechen selbst verantwortlich.
Fürst
Die EU und vor allem der EuGH behindern die Mitgliedstaaten darin, ihre Grenzen zu sichern, indem sie es verbieten, dass Menschen zurückgeschickt werden.
Zur Person: Susanne Fürst, 55
Die gebürtige Linzerin und promovierte Juristin arbeitete als Universitätsassistentin Institut für Staatsrecht und Politische Wissenschaften an der Universität Linz, bevor sie eine Laufbahn als Rechtsanwältin einschlug. Zur FPÖ fand sie im Jahr 2014, als sie von der FPÖ als Expertin für eine Parlamentsenquete zur Demokratiereform nominiert wurde hatte. Das FPÖ-Bildungsinstitut entsandte sie in den ORF-Publikumsrat. 2017 zog Fürst in den Nationalrat ein. Im FPÖ-Parlamentsklub ist sie Bereichssprecherin für Außen- und Neutralitätspolitik, Menschenrechte und Verfassung. 2022 wurde sie als mögliche Bundespräsidentschaftskandidatin gehandelt. Auf der Bundesliste für die Nationalratswahl am 29. September kandidiert Fürst hinter Parteichef Herbert Kickl auf dem zweiten Platz.
Und weil das so ist, würde es eine FPÖ-geführte Regierung riskieren, die Bezahlung der EU-Beiträge auszusetzen?
Fürst
Nicht als ersten Schritt, aber wir schließen eine solche Maßnahme nicht aus. Wenn die EU ihre Verpflichtungen nach den Verträgen nicht erfüllt, wofür zahlen wir dann?
Sie wurden von Ihrer Partei als EU-Remigrations-Kommissarin vorgeschlagen. Der Begriff „Remigration“ findet sich auch im Wahlprogramm. Bei der Präsentation sagten Sie wörtlich: „Durch Massenzuwanderung werden wir ausgetauscht, auch unsere Identität und Kultur.“ Lassen Sie uns über diese Begriffe reden. Halten Sie am Begriff des „Bevölkerungsaustausches“ fest?
Fürst
Ich habe es nicht gern, wenn man mir Worte verbietet. Wir haben eine Redefreiheit, und angesichts der Problematik ist es für mich unfassbar, dass wir über die Benutzung von Wörtern wie Bevölkerungsaustausch oder Remigration diskutieren und man sofort in ein extremes Eck geschoben wird, wenn man diese Wörter verwendet. Wir sollten darüber reden, was wir damit ausdrücken wollen. Ich war am Wiener Reumannplatz Zettel verteilen. Da erzählten mir Eltern, dass ihre Töchter in der Klasse von muslimischen Mitschülern geschlagen werden, weil sie kein Kopftuch tragen. In vielen Klassen gibt es nur noch einzelne Österreicher oder kaum noch Schüler, die Deutsch als Muttersprache haben. Wie darf ich diesen Zustand benennen?
Würden Sie auch von Überfremdung sprechen?
Fürst
Wir verwenden Begriffe wie Bevölkerungsaustausch, wenn wie jetzt 95 Prozent Nichtösterreicher in Klassen sitzen und nicht 100 Prozent Österreicher wie früher.
Vor einiger Zeit wurde in der FPÖ der Begriff der Umvolkung gebraucht. Würden Sie den auch verwenden?
Fürst
Für mich sind alle Begriffe zulässig: Überfremdung, Umvolkung, Remigration, Bevölkerungsaustausch.
Unterwanderung?
Fürst
Wenn unsere Mädchen unter Druck stehen, ein Kopftuch zu tragen, dann bezeichne ich das als islamische Unterwanderung. Oder wenn sie sich zum Islam bekennen, nur um eine Ruhe zu haben, oder wenn sie absichtlich schlechtes Deutsch sprechen.
Es geht ja um mehr. Der Begriff Bevölkerungsaustausch beschreibt die Theorie, dass die Eliten den angeblichen Plan hätten, die einheimische Bevölkerung durch eine zugewanderte auszutauschen. Ist es das, was Sie befürchten?
Fürst
Nein, so verwende ich den Begriff nicht. Für mich ist es Bevölkerungsaustausch, wenn in den Schulklassen fast zu 100 Prozent Zuwandererkinder sitzen. Da ist nichts geplant. Das ist ja das Problem, dass Zuwanderung völlig planlos stattfindet.
Und die FPÖ will durch Remigration Abhilfe schaffen. Den Anteil von Muslimen könnte man ja nur senken, indem man sie in großem Rahmen außer Landes bringt. Ist das Ihr Konzept?
Fürst
Es geht uns um jene, die illegal hier sind oder eine Straftat begangen haben. Dass wir nie wieder 100 Prozent autochthone Österreicher werden, ist völlig klar. Wir haben einen großen Anteil von Muslimen hier. Der Kontrollverlust, der ja ein Kontrollverzicht durch die Regierung ist, muss überwunden werden.
Sie sprechen von 100 Prozent autochthonen Österreichern. Das deckt sich mit dem Begriff der Homogenität, der ein zentraler Terminus in Ihrem Wahlprogramm ist. Mit welchen Kriterien definieren Sie diese Homogenität?
Fürst
Kriterien sind etwa die gemeinsame Sprache und das Einverständnis über die Lebensweise in unserem Land. Diese wurde nicht gestört durch ungarische Flüchtlinge 1956 oder tschechische 1968. Auch die Zuwanderung von Gastarbeitern haben wir verkraftet. Die Türken sind gekommen, um zu arbeiten. Aber seit 2015 ist die Situation dramatisch geworden, und natürlich gibt es große kulturelle Unterschiede zwischen uns und Personen aus islamischen Kulturen.
Das Kriterium für die Homogenität ist demnach die Religion?
Fürst
Jeder soll im privaten Bereich seine Religion ausüben. Das Problem sind Muslime, die die Trennung von Staat und Religion nicht akzeptieren, bei denen die Scharia das Leben regelt.
Der Begriff der Homogenität ist bedenklich. Er lehnt sich an ein völkisches Konzept an.
Fürst
Ich sehe das nicht so. Da sind wir wieder an dem Punkt, dass man heikle Themen nicht benennen darf. Einen Staat macht die Bevölkerung aus, die darin übereinstimmt, wie sie leben will. Homogenität und kulturelle Identität haben nichts Negatives.
Wenn sich Muslime in Österreich an die Gesetze und Regeln halten, dann können wir sie ja nicht zu unserer kulturellen Identität zwingen. Sie bleiben hier, ob sie die Homogenität nun beeinträchtigen oder nicht.
Fürst
Homogenität ist ein Begriff, der darauf abzielt, dass es in Österreich auch in Zukunft keine mehrheitlich islamische Gesellschaft gibt.
In Ihrem Programm fordern Sie eine Meldestelle gegen politisierende Lehrer. Das klingt nach institutionalisierter Vernaderung.
Fürst
Nein. Uns wird zugetragen, dass in Schulen oft nicht Inhalte, sondern linke politische Positionen vermittelt werden. Das hat in der Schule nichts zu suchen. Ich will auch nicht, dass Lehrer ihren Schülern erklären, wie toll die FPÖ ist. Die Neutralität soll eingehalten werden.
Wäre der Klimawandel ein politisches Thema?
Fürst
Das hängt davon ab. Wenn es dazu keine Diskussionen gibt, sondern nur heißt, der grüne Vizekanzler habe recht, der Klimawandel sei hundertprozentig menschengemacht und daher müssen wir alle uns nur noch an unserem Klimafußabdruck orientieren, sehe ich darin ein Problem.
Es wäre ein politisierender Unterricht, wenn ein Lehrer den menschengemachten Klimawandel durchnimmt?
Fürst
Lehrer sollen mit ihren Schülern das Klimathema diskutieren, aber auch die gesamten wissenschaftlichen Diskussionen vermitteln. Für mich ist es wissenschaftlich diskutabel, wie viel vom Klimawandel, den es ja immer gegeben hat, menschengemacht ist.
Im Jahr 2021 haben Sie die ungarische Staatsbürgerschaft beantragt. Wir nehmen an, Sie sind Patriotin. Warum haben Sie das getan?
Fürst
Wir sind gegen massenweise Doppelstaatsbürgerschaften. Aber unter gewissen Voraussetzungen soll es sie geben. Ich dachte 2020, dass ich meine politische Tätigkeit beende. Es war eine private und berufliche Entscheidung und hatte nichts mit Politik oder Herrn Orbán zu tun. Ich habe das Ganze auch wieder verworfen.
Gernot Bauer
ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.
Robert Treichler
Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur