Norbert Darabos holt seine Vergangenheit ein
Norbert Darabos war schon fast alles: Gemeinderat, Ortsvorsteher, Pressesprecher des Landeshauptmanns, Leiter des Renner-Instituts, Landesgeschäftsführer, Landtagsabgeordneter, Klubobmann, Bundesgeschäftsführer, Nationalrat, Verteidigungsminister und noch einmal Bundesgeschäftsführer. Heute ist er Landesrat für Gesundheit und Soziales im Burgenland. Darabos hat stets pflichtbewusst Ja gesagt, wenn seine Partei ihn rief.
Darabos, 52, sitzt in seinem Büro in der burgenländischen Landesregierung. Der Raum ist mit dunklem Holz verkleidet, alles wirkt wie frisch bezogen. "Ich war in dieser Saison schon auf 15 Arbeiterbällen“, sagt Darabos stolz. Dazu Spatenstiche, Taufen von neuen Feuerwehrautos und eine Faschingskrapfenverkostung, gesponsert von der Regionalzeitung "BVZ“. Das Leben in der Landespolitik ist um einiges gemächlicher als jenes auf dem Wiener Parkett. Man kann ohne Störgeräusche regieren, hat eine mächtige Landespartei und wohlgesinnte Medien im Rücken. "Wien geht mir nicht ab“, sagt Darabos.
Allzu lange war Darabos die Ruhe im Heimatbundesland jedoch nicht vergönnt; seine Vergangenheit als Verteidigungsminister und die Eurofighter holen ihn ein. ÖVP und FPÖ würden den Untersuchungsausschuss gern zum "Darabos-Ausschuss“ (ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka) umfunktionieren. Wie so oft darf sich Darabos keine Unterstützung von der SPÖ erwarten.
Hätte er bloß einmal Nein gesagt. Darabos aber tat in jener Jännernacht des Jahres 2007, was er immer tat: Er dachte kurz nach, beriet sich mit seiner Frau und sagte am nächsten Morgen zu. Er sei verblüfft gewesen, erzählt er, als ihm Alfred Gusenbauer spätabends am Telefon das Verteidigungsministerium anbot. Darabos hatte mit dem Innenministerium gerechnet. Doch in den letzten Verhandlungsrunden machte Wolfgang Schüssel den Ministerientausch zur Koalitionsbedingung. Und Darabos spielte mit.
"Sozialfighter statt Eurofighter“
Ein folgenschwerer Fehler. Darabos war der erste Zivildiener in dieser Funktion; der Spott ließ nicht auf sich warten. Als SPÖ-Wahlkampfmanager hatte er im Jahr 2006 noch "Sozialfighter statt Eurofighter“ plakatieren lassen und die Abbestellung der Kampfjets gefordert. Als Verteidigungsminister fuhr Darabos allein nach Deutschland, um mit dem Eurofighter-Hersteller EADS zu verhandeln. Es kam zu einem mauen Vergleich: Nur drei der 18 Jets wurden abbestellt, die Einsparungen beliefen sich auf 370 Millionen Euro (der Rechnungshof schätzt sie freilich um 120 Millionen Euro niedriger ein). Selbst wenn Darabos im Schurkenstück um die Eurofighter nur eine Nebenrolle spielte, wird er im U-Ausschuss einer der Hauptangeklagten sein. Hätte er mehr herausschlagen können? War der Vergleich sogar schädlich, weil die Republik darin explizit auf einen "weitergehenden Rücktritt“ aus dem Eurofighter-Vertrag verzichtete?
Die Eurofighter blieben nicht Darabos’ einzige Schmach. Wiens Bürgermeister Michael Häupl änderte im Gemeinderatswahlkampf 2010 über Nacht die Parteilinie: Abschaffung der Wehrpflicht, pro Berufsheer. Dummerweise hatte Darabos kurz zuvor erklärt, die Wehrpflicht sei "in Stein gemeißelt“. Nun musste er eine Volksbefragung gegen die Wehrpflicht ansetzen, die er am Ende schmählich verlor. Die Bundespartei, die ihm das Schlamassel eingebrockt hatte, hielt sich vornehm zurück - und drängte Darabos in der Folge, als Bauernopfer abzudanken, um zurück in die Parteizentrale zu wechseln.
Es war nicht immer so schlecht gelaufen. Einst galt Darabos als Wunderwaffe, als Mann für alle Fälle. Seit 1992 verfolgte er jeden US-Präsidentschaftswahlkampf aufmerksam. Später engagierte er den demokratischen Spin-Doctor Stan Greenberg für die SPÖ. "Von dem habe ich gelernt, nicht so sehr auf die Sonntagsfrage zu schielen, sondern den Leuten genauer zuzuhören - etwa in Fokusgruppen“, sagt er.
Nach dem Skandal um die Bank Burgenland im Jahr 2000 kam der SPÖ Burgenland nicht nur Landeshauptmann Karl Stix abhanden, auch der designierte Spitzenkandidat musste gehen. Die SPÖ zog mit dem damals weitgehend unbekannten Hans Niessl in die Wahl - wobei Darabos den offiziellen Geburtsnamen "Nießl“ gegen "Niessl“ tauschte: "Das schaut auf dem Plakat besser aus.“ Obwohl ein knappes Duell mit der ÖVP prognostiziert wurde, siegte die SPÖ deutlich. Von diesem Zeitpunkt an wurde Darabos gut gebucht. Ob Präsidentschafts- oder Nationalratswahl: Darabos kam, analysierte und siegte. Die Arbeit in der zweiten Reihe war ihm auf den Leib geschneidert.
"Man neigt sicher dazu, ihn zu unterschätzen, aber er kann schon hart sein." Nikolaus Berlakovich.
"Man neigt sicher dazu, ihn zu unterschätzen, aber er kann schon hart sein“, sagt Nikolaus Berlakovich, ÖVP-Nationalrat und Ex-Landwirtschaftsminister. Die Lebensläufe von Berlakovich und Darabos ähneln einander frappant: Einst waren sie zeitgleich Landesgeschäftsführer, dann saßen sie gemeinsam in der Bundesregierung. Heute stehen sie sich als Bezirksparteichefs von Oberpullendorf gegenüber. "Er ist nicht der, der an der Schank steht und ins Volk eintaucht. Sein Metier sind mehr die taktischen Erwägungen“, sagt Berlakovich über seinen Amtskollegen.
Als Darabos vergangenen Donnerstag vor dem alten Landhaus für Fotos posiert, fährt die Limousine des Landeshauptmann-Stellvertreters Johann Tschürtz ( FPÖ) vorbei. Beide winken und lächeln. Nach Darabos’ glückloser Zeit in der Bundesregierung und einem letzten Wahlkampf im Jahr 2013 wirkte die Rückkehr ins Burgenland vor eineinhalb Jahren wie eine späte Belohnung durch Landeshauptmann Niessl. Doch wieder erlaubte sich die Geschichte einen Scherz mit Darabos: Just er, der sich in der Auseinandersetzung mit der FPÖ einst als "Bollwerk gegen den Faschismus“ tituliert hatte, sitzt nun in einer Koalition mit den Freiheitlichen.
Vergangenen Sommer wäre Darabos fast eine kleine Sensation geglückt: Der SC Kroatisch-Minihof, der Fußballklub aus seiner Heimatgemeinde, spielte bis zum Schluss um den Meistertitel in der vorletzten Spielklasse mit. Am Ende reichte es nur knapp nicht für den Aufstieg. Einst hatte er selbst dort gekickt, heute ist er Präsident, regelt die Finanzen und zieht bei so manchem Spielertransfer die Fäden. In der Kantine spielt er Tarock, an Matchtagen ist er immer auf dem Platz. Gerhard Kornfeind, Obmann des Fußballvereins und Jugendfreund von Darabos: "Für uns ist er immer nur der Norbert, er ist nicht der Politiker. Mich interessiert das nicht, was in den Zeitungen steht.“ Würden das alle Burgenländer so sehen, könnte Darabos dem U-Ausschuss gelassen entgegensehen.
War es das endgültig? Oder will er, wie immer wieder kolportiert wird, Landeshauptmann werden? "Nein“, sagt Darabos: "Ich halte da jemand anderen für geeigneter.“ Wen denn? Darabos denkt lange nach und sagt dann: "Den Hans Peter Doskozil.“ Nach knapp 30 Jahren in der Politik hat Darabos etwas dazugelernt: die Kunst, Nein zu sagen.
Dieser Artikel stammt aus dem profil Nr. 11 vom 13.3.2017. Das aktuelle profil können Sie im Handel oder als E-Paper erwerben.