Migration

Islamismus-Experte: „Ist integriert, wer Steuern zahlt und Homosexuelle nicht akzeptiert?"

Die ÖVP holt sich vor den Regierungsverhandlungen und der Wien-Wahl 2025 Ezzes vom deutschen Islamismus-Experten Ahmad Mansour. Dieser plädiert für ein neues Integrationsbild.

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Bei seinem Besuch in der ÖVP-Zentrale in Wien checken zwei Bodyguards den Raum für die Pressekonferenz und postieren sich dann vor der Türe. Der arabisch-israelische Psychologe Ahmad Mansour, der in in Berlin lebt, leitet Programme gegen Extremismus und gilt als eine führende Stimme gegen Islamismus. Er ist ein Dauergast in deutschen Talkshows und bekam wiederholt Todesdrohungen von Dschihadisten. Auf Einladung von ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer plädierte er für ein erweitertes Integrationsverständnis. 

Der 7. Oktober als Augenöffner

„Man kann arbeiten und Steuern zahlen. Aber wenn man Homosexualität als Sünde sieht oder den Staat Israel nicht anerkennt, ist man dann integriert?" Zu lange sei Integration auf die Formel „Sprache plus Arbeit minus Kriminalität" reduziert worden, meint Mansour. Die Menschen müssten aber auch „emotional ankommen". Das sei ihnen zu wenig vermittelt worden. „2015 hieß es, wir schaffen das. Aber es wurde nicht dazugesagt, was und wie." Die Antisemitismus-Welle nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 habe überdeutlich gezeigt, welche unvereinbaren Werte ein Teil der Zuwanderer mitgebracht oder in Europa entwickelt hätte.  

„Unsere Werte sind attraktiv"

Mansour wird lieber von konservativen als linken Parteien eingeladen, weil er nicht dem Staat die Hauptverantwortung für gelungene Integration zuschreibt, sondern den Familien. „Staaten wie Deutschland und Österreich bieten Zuwanderern unglaublich viele Chancen und investieren sehr viel Geld in sie. Auch unsere Werte von Selbstbestimmung und Freiheit wären eigentlich sehr attraktiv." Der Hauptgrund, wenn diese Chancen nicht ergriffen werden, liege in patriarchalen Strukturen, die Zuwanderer mitbrächten. 

Was versteht er darunter? Väter oder Clan-Chefs, die für Familien unhinterfragt entscheiden; die Gehorsam einfordern - auch mit Gewalt; die Kinder und Frauen die Chance auf individuelle Selbstbestimmung und auch sexuelle Freiheit nehmen; die selbst definieren, was schandhaft und unrecht ist und dabei ihre Werte über jene der Aufnahmegesellschaft stellen. 

Durch das Messer kein Opfer sein

Patriachale Strukturen sind für Mansour Nährboden für Kriminalität, Homophobie, Frauenunterdrückung und im äußersten Fall Terror. „Gewalt bleibt nie in der Familie, sondern kommt auch auf die Straße", sagt Mansour. „Wenn man Burschen fragt, warum sie ein Messer dabei haben, sagen sie: Sie wollen kein Opfer sein." Dieser Opferstatus, den sie durch ihre übertriebene Männlichkeit überspielen, habe den Ursprung in ihrer Erziehung.

ÖVP-Mahrer leitet daraus Forderungen ab: Einen Straftatbestand gegen Sittenwächter, die unabhängige Kontrolle des Islamunterrichts, die verstärkte Prüfung von Moscheen sowie einen veränderten Zugang zur Staatsbürgerschaft.

Weniger Gehalt, mehr Werte für Staatsbürgerschaft? 

Die Staatsbürgerschaft solle nicht automatisch nach zehn Jahren, sondern am Ende eines „gelungenen Integrationsprozesses" verliehen werden. Wenn die „Einstellung" zu den Werten in Österreich und Europa passe. Andererseits könne Migranten, die wirklich angekommen sind, der Weg zur Staatsbürgerschaft erleichtert werden. In der SPÖ drängen der Wiener Bürgermeister, Michael Ludwig, sowie die Zweite Nationalratspräsidentin, Doris Bures, auf eine niedrigere Gehaltsschwelle für die Staatsbürgerschaft. Sie liegt derzeit bei 1200 Euro netto nach Abzug aller Lebenserhaltungskosten. 

In Regierungsverhandlungen wird die Staatsbürgerschaft sicher Thema sein. 

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.