Jedem Kind sein Schnitzel?
Wie politisch ein paniertes Stück Fleisch sein kann, zeigte kürzlich die Aufregung über den Entschluss zweier Leipziger Kindertagesstätten, Schweinefleisch aus Rücksicht auf muslimische Kinder vom Speiseplan zu nehmen. Der Beitrag der „Bild“-Zeitung dazu entflammte Debatten in sozialen Medien und Politik.
Auch die Freiheitliche Jugend, das Jungformat der FPÖ, wetterte gegen die geplante Reform. „Jedes Kind soll in den Genuss eines Schnitzels kommen dürfen“, titelte diese ironischerweise über dem Bild eines panierten Fisches auf Facebook. Die Forderung ist vergleichsweise harmlos. Viele nahmen den Vorfall aber als Anlass für diffamierende und islamfeindliche Postings.
Ein schweinefleischfreier Speiseplan würde aber nicht nur muslimischen Kindern, sondern auch der Gesundheit von Kindern anderer Religionsbekenntnisse und dem Tier- und Umweltschutz zugutekommen. In Deutschland soll deshalb sogar eine Fleischsteuer eingeführt werden. Auch in Österreich wird das Modell diskutiert, trifft aber auf wenig Anklang in der Politik.
Was wir essen wird immer politischer, und so auch das Essen unserer Kinder. Studien zu Folge beeinflusst die Ernährung im Kleinkinderalter maßgeblich, welche Nahrungsmittel man auch als Erwachsener bevorzugt.
2018 zeigte eine bundesweite Untersuchung der Verpflegung an Österreichs Kindergärten von Greenpeace, dass bei der Speiseplangestaltung Gesundheits- und Umweltbewusstsein nicht gerade vordergründig ist. Wiens Kindergärten schnitten bei der Beachtung dieser Faktoren im Bundesländervergleich noch am besten ab. Untersucht wurde der Anteil an Biolebensmitteln, regionaler Kost und inwiefern Maßnahmen zur Fleischreduktion umgesetzt wurden. Auch ist Wien das einzige Bundesland, das politische Vorhaben zur Reduktion des Fleischangebots in Schulen und Kindergärten beschlossen hat.
Beim Besuch eines sogenannten „Bildungscampus“ in der Wiener Donaustadt, wo Kinder unterschiedlicher Altersgruppen untergebracht sind, fällt auf, dass es hauptsächlich in den Händen der Kinder liegt, was diese wirklich essen. Das Essen wird in Buffetform angerichtet und die Kinder nehmen sich was, und wie viel sie wollen.
Eva Reznicek, stellvertretende Abteilungsleiterin der städtischen Kindergärten in Wien, betont im Gespräch mit profil vor allem den pädagogischen Wert des Essens: „Die Kinder lernen sehr viel beim Essen. Sich selbst essen zu holen, zu merken wann sie satt sind und auch zu entscheiden, was sie essen wollen. All das trägt stark zur Selbstständigkeit bei.“
Vor allem außerhalb Wiens ist Fleisch meist dominierend am Kindergartenspeiseplan. Nicht selten kommt es vor, dass die fleischhaltigen Speisen nur einmal wöchentlich von zu Hauptspeisen umfunktionierten Desserts unterbrochen werden. In Kindergärten der Stadt Wien steht meist zumindest nur zwei mal Fleisch am Speiseplan, sofern Eltern die Menüoption „Mischkost“ für ihr Kind auswählen (Diese steht in den meisten Kindergärten neben der Option „Vegetarisch“ und „Schweinefleischlos“ zur Auswahl.) Nach Richtlinien des World Cancer Research Funds ist jedoch selbst dieser Wert hoch bemessen, denn diese sehen maximal drei kleine (100g) Portionen Fleisch pro Woche vor – inklusive eventueller innerfamilär verzehrter Produkte.
Sabine Seywerth, Leiterin des Bildungscampus meint, ihr lege es vor allem daran, den Kindern Vielfalt anzubieten, einen Eindruck zu schaffen, was es zu essen gibt und wie viel davon zur Verfügung steht. „Auch die Eltern legen sehr viel wert auf Essen. Und die bilden ja eine sehr heterogene Gruppe“. Es sei schwierig sich an die verschiedenen Wünsche anzupassen, sagt sie.
Auf die Frage, was sie von einem Verzicht auf Schweinefleisch im Menüplan halten würde, reagiert Seywerth verblüfft: „Warum sollten wir das? Ich sehe dazu keinen Grund“, sagt sie. Das Weglassen eines Lebensmittels würde ihrer Idee von Vielfalt widersprechen, der Schwerpunkt läge ohnehin auf anderen Fleischsorten, da Schweinefleisch ja auch nicht besonders gesund sei. Das sei auch der Grund, warum manche Eltern die Menüoption Schweinefleischlos wählen würden. Religiöse Motive nennt sie eine „Unterstellung“.