Jörg Haiders Observation durch den BND
Anmerkung: Dieser Artikel erschien ursprünglich in der profil-Ausgabe Nr. 42/2010 vom 18.10.2010.
Der zweite Todestag verlief schon deutlich geräuschloser als der erste. Eine schlichte Gedenkfeier mit Kranzniederlegung an der Unfallstelle, Lokalprominenz, rund 300 mehr oder weniger bewegte Gäste. Am 11. Oktober 2010, also Montag vergangener Woche, jährte sich Jörg Haiders Tod zum zweiten Mal.
Es ist merklich stiller geworden um das Andenken des früheren Kärntner Landeshauptmanns. Und doch gibt der Tote keine Ruhe. Sein Vermächtnis beschäftigt längst nicht mehr nur unbelehrbare Adoranten und politische Gegner, sondern auch die Justiz.
Zwei Jahre nach seinem Ableben ist der ehedem notorische Kläger Jörg Haider mittelbar selbst gerichtsanhängig - und zwar in Zusammenhang mit der Affäre um diskrete finanzielle Zuwendungen der einst mit ihm befreundeten Potentaten Muammar al-Gaddafi (Libyen) und Saddam Hussein (Irak).
Obskure Geldtransfers
Seit nunmehr drei Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Klagenfurt die Hintergründe des obskuren Geldtransfers. Wie profil im August unter Berufung auf Informationen aus dem Bagdader Innenministerium und eines Augenzeugen enthüllte, soll Haider allein 2002 zwischen 2,5 und fünf Millionen Dollar von Hussein kassiert haben - als Gegenleistung dafür, dass er auf internationalem Parkett für den irakischen Diktator lobbyierte. Beim früheren FPÖ-Generalsekretär und Buwog-Lobbyisten Walter Meischberger wiederum war ein Tagebuch sichergestellt worden, in dem von weiteren 45 Millionen Euro die Rede ist, die der Kärntner Politiker von Gaddafi erhalten habe. Das geheime Vermögen soll zunächst auf Haider zuzurechnende Treuhandkonten in Liechtenstein und der Schweiz verfrachtet worden und später zum weitaus größten Teil verschwunden sein.
Laut Meischbergers Notizen soll Haiders ehemaliger Generalsekretär Gerald Mikscha auf die Gelder zugegriffen haben und damit "abgehauen" sein. Am 4. August leitete die Staatsanwaltschaft Klagenfurt unter der Aktenzahl 12St187/10a-3 Ermittlungen gegen Mikscha wegen des Verdachts der Untreue ein. Diese dauern an, wie Behördensprecher Helmut Jamnig betont: "Es wurden in diesem Ermittlungsverfahren zahlreiche Einvernahmen durchgeführt."
Drei Zeugen. Zu den Geladenen zählte auch der im Irak tätige Villacher Geschäftsmann und Bauingenieur Franz Limpl. Nach profil-Recherchen hat Limpl seine belastenden Aussagen in profil (Nr. 33/2010) zwischenzeitlich auch gegenüber der Justiz bekräftigt. Demnach soll Haider im Rahmen seiner drei Irak-Trips 2002 zumindest zweimal die Hand aufgehalten haben. Im Februar des Jahres soll er 500.000 Dollar eingestreift haben, im Mai weitere zwei Millionen.
Dem Vernehmen nach haben zwei weitere Zeugen Limpls Aussagen bestätigt. Als einer der Zahlungsempfänger wird Haiders früherer Pressesprecher Karlheinz Petritz genannt. Was dieser energisch bestreitet. Auch Gerald Mikscha will mit all dem nichts zu tun haben.
Für die österreichischen Strafverfolgungsbehörden sind Haiders Extravaganzen erst interessant, seit vor einigen Monaten Hinweise auf klandestine Vermögenstransfers nach Liechtenstein ruchbar wurden.
V-Mann des BND eingeschleust
Internationale Geheimdienste hatten Haider aber schon sehr viel früher in der Ziehung. Zumindest bei der zweiten Reise des Kärntner Landeshauptmanns nach Bagdad vom 3. bis 6. Mai 2002 war nach Recherchen von profil ein V-Mann des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) in die Delegation eingeschleust worden, der auch die Flugkosten übernahm.
Ärger in Amerika. Es deutet vieles darauf hin, dass diese Aktion in Absprache mit dem US-amerikanischen Geheimdienst CIA erfolgt war.
Der BND unterhält traditionell enge Kontakte zur CIA. Und in Washington waren Haiders Bagdad-Eskapaden zu Jahresbeginn 2002 - also in der Vorbereitungsphase für die Invasion im Irak - natürlich ein Thema. Einer der bekanntesten europäischen Rechtspopulisten an der Seite Saddam Husseins, und das am Vorabend des Kriegs? Das rief sogar das Weiße Haus auf den Plan.
Haiders Ausritt sei "nicht hilfreich", zürnte etwa Condoleezza Rice, Sicherheitsberaterin von Präsident George W. Bush. Rice konnte ihren Ärger gleich an der FPÖ-Spitze höchstpersönlich auslassen: Just zum Zeitpunkt von Haiders erstem Bagdad-Trip vom 11. bis 13. Februar 2002 befand sich Parteichefin Susanne Riess-Passer auf Arbeitsbesuch in Washington.
Not amused war auch der heutige US-Vizepräsident Joseph Biden, damals Senator und Vorsitzender des Komitees für auswärtige Beziehungen (United States Senate Committee on Foreign Relations).
Wie brüskiert die Amerikaner von Haiders Reisen waren, lässt sich an der Schärfe der hochoffiziellen Statements aus dieser Zeit ermessen. "Die Irak-Reisen Haiders demonstrieren nur seine eigene Dummheit", polterte etwa Philip Reeker, Sprecher des Außenministeriums, bei einer Pressekonferenz.
Intensives Interesse an Haiders Reisen
Es liegt auf der Hand, dass die westlichen Geheimdienste sich intensiv für Haiders Reisediplomatie zu interessieren begannen - und möglicherweise sogar versuchten, ihn für ihre Zwecke einzuspannen. Zumal der Kärntner ja keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass er dem Saddam-Regime gewogen und an weiteren Kontakten interessiert war.
Wenige Monate nach dem ersten Treffen packte Haider im Mai 2002 schon wieder für den Irak. Diesmal hatte er sich zum Ziel gesetzt, kranke Kinder zur Behandlung nach Österreich auszufliegen: Angesichts der internationalen Isolation des Landes kein leichtes Unterfangen, verbunden mit unzähligen bürokratischen Hürden.
Da traf es sich gut, dass bei der von FPÖ-Volksanwalt Ewald Stadler geführten Irakisch-Österreichischen-Gesellschaft (IRAS), welche die Aktion koordinierte, wie aus dem Nichts ein hilfsbereiter Zeitgenosse auftauchte: Klaus S. (Name der Redaktion bekannt) stellte sich als österreichischer Geschäftsmann mit besten Beziehungen zur irakischen Regierung vor.
Saddam und Joschka. Gute Kontakte hatte der Mann nach Recherchen von profil tatsächlich. Und zwar nicht nur zum Regime, namentlich zu Saddams Söhnen Udai und Kusai, sondern auch zur deutschen Bundesregierung.
Das ließ S. durchblicken, als es darum ging, Start-, Überflugs-und Landegenehmigungen für einen Privatjet zu besorgen, der Haiders Entourage von Klagenfurt nach Damaskus bringen sollte. Im Handumdrehen hatte S. alle Hindernisse aus dem Weg geräumt. Wie er das zuwege gebracht habe, fragte ihn damals einer der Haider-Getreuen. "Über Joschka Fischer", habe die Antwort gelautet - also über den damaligen deutschen Vizekanzler und Außenminister.
Klaus S. erwies sich aber nicht nur als hilfsbereit, sondern auch als generös. Er charterte den Privatjet, mit dem Haider seine zweite Reise in den Irak unternahm und am Rückweg zwei krebskranke Kinder zur Behandlung nach Österreich ausflog. "Finanziert worden ist die Reise von einem österreichischen Geschäftsmann mit guten Kontakten in den Irak, der aber nicht genannt werden wolle", berichtete die APA damals unter Berufung auf IRAS-Chef Ewald Stadler.
Ob Joschka Fischer tatsächlich Bescheid wusste? Das deutsche Außenministerium bezeichnete den FPÖ-Trip an den Tigris in einer geharnischten Stellungnahme jedenfalls als "Blamage". Möglicherweise war das aber nur die offiziell kolportierte Einschätzung der Diplomaten am Werderschen Markt in Berlin.
BND-Tarnunternehmen in Salzburg
Denn in Pullach bei München sah eine nachgelagerte bundesdeutsche Behörde den Haider-Trip mit ganz anderen Augen. Dort residiert der BND, einer der größten und einflussreichsten Geheimdienste der Welt. Mit ihm stand Klaus S. nachweislich in Verbindung.
Der Geschäftsmann unterhielt Kontakte zu einer in Salzburg angesiedelten Detektei namens HCL International Ltd., deren Mitarbeiter sich aber mitnichten auf schnöde Privatschnüffler-Aufträge wie Beschattungen in Scheidungsfällen beschränkten.
HCL war vielmehr ein Tarnunternehmen des BND, das "um die 30 Leute in beinahe alle Himmelsrichtungen schickte - zwecks Undercover-Recherche", wie stern.de, der Online-Ableger des deutschen profil-Schwestermagazins, im Jahr 2008 berichtete: "Ausgestattet mit Zweigbüros in Moskau und Kapstadt interessierten sich die Salzburger Hilfsagenten für die Geschäfte der russischen und italienischen Mafia, die Finanziers der südafrikanischen Regierungspartei ANC und den Terrorismus im Kosovo." Nicht nur dafür. Nachweislich stand auch der Irak im Blickfeld von HCL.
Der Geheimdiensthintergrund der Detektei flog auf, weil ihre Inhaber 2004 in eine Bestechungsaffäre schlitterten, die in gerichtlichen Ermittlungen gegen sie mündeten. Im Zuge des Verfahrens bestätigte der BND, dass die beiden Männer als Agenten tätig gewesen waren - was in der Schlapphut-Community zu schweren Verwerfungen führte: Die Österreicher waren nämlich alles andere als erfreut zu erfahren, dass die Deutschen diesseits der Grenze aktiv geworden waren, ohne um Genehmigung zu fragen. So etwas tut man unter Freunden nicht.
Nunmehr bestätigen ehemalige Mitarbeiter der 2006 in den Konkurs geschlitterten HCL gegenüber profil, dass Klaus S. in direkter Verbindung zur Salzburger Spionage-Dependance des BND stand. Wie übrigens auch Saad G., ein damaliger Agent des Saddam-Geheimdienstes, der an der irakischen Botschaft in Wien tätig war.
Die Verbindungen von Klaus S. und seine Rolle als Begleiter der Haider-Delegation werfen eine Reihe von Fragen auf. Unter anderem, ob der BND die zweite Reise von Haider zumindest mitfinanziert hat. Und wenn ja, mit welchen Hintergedanken?
Zudem spricht vieles dafür, dass der deutsche Geheimdienst über die Millionenzahlungen, die - mit höchster Wahrscheinlichkeit an Ewald Stadlers IRAS vorbei - an das Umfeld von Jörg Haider flossen, genau Bescheid wusste.
Ob Klaus S. für den BND als Agent tätig war, ob er als Informant und Zuträger fungierte oder bloß abgeschöpft (also unwissentlich als Quelle benutzt) wurde, ist vorerst nicht zu klären. Gegenüber profil verweigerte der Geschäftsmann jede Stellungnahme.
Auch kroatischer Geheimdienst interessiert
Die Deutschen waren beileibe nicht die Einzigen, die sich für Haiders Umtriebe interessierten. Auch der kroatische Geheimdienst SOA hatte den Politiker bereits auf dem Radar. Und zwar hauptsächlich in Zusammenhang mit den Machenschaften der Hypo Alpe-Adria auf dem Balkan. Im November 2007 übermittelte der SOA der Staatsanwaltschaft in Zagreb einen rund 80-seitigen Bericht über die Verbindungen damaliger Hypo-Manager zu einer Reihe mehr oder weniger gut beleumundeter kroatischer Geschäftsleute, unter ihnen der frühere stellvertretende Verteidigungsminister Vladimir Zagorec. Das Dossier liegt profil jetzt in deutscher Übersetzung vor. SOA-Agenten berufen sich darin unter anderem auf Aussagen eines redseligen österreichischen Hypo-Geschäftspartners, der in Kroatien zugange war.
Dieser soll etwa der CIA schon Jahre zuvor "Angaben zu russischen Kapitalzuflüssen in die Hypo Alpe-Adria sowie zu Transaktionen aus arabischen Ländern" gemacht haben, die "über kroatische Verbindungen, aber auch über J. Haider persönlich abgewickelt wurden".
Klagsdrohungen. Tiefe Einblicke in die Welt des Tarnen und Täuschens gewähren auch jene Personen, die direkt in die Affäre um die Haider-Millionen involviert sind. Das Wort "Klage" ist früheren FPÖ-Politikern ohnehin geläufig, im konkreten Fall ging es manchen Herren sehr locker über die Zunge. Gerald Mikscha etwa: Er ließ über seinen Anwalt ausrichten, dass "alle in den Medien getätigten Vorwürfe unrichtig und haltlos" seien, und drohte "zivil- und strafrechtliche Schritte" an. Soweit es profil betrifft, hat Mikscha bis heute nicht einmal einen Leserbrief geschrieben.
Der Mikscha einst verbundene Liechtensteiner Rechtsanwalt und Treuhänder Gerold Hoop etwa, in dessen Vaduzer Kanzlei im März dieses Jahres eine Hausdurchsuchung der Hypo-Ermittler stattfand: "Ich fordere Sie auf, dass Sie im Zusammenhang mit Ihrer Berichterstattung, insbesondere in der Causa Haider, von der Nennung meines Namens Abstand nehmen, andernfalls ich rechtliche Schritte einleiten müsste." Auch das ist nicht geschehen.
Das BZÖ etwa: Haiders Erben hatten ebenfalls unmittelbar nach Auffliegen der Haider-Affäre Klagen gegen profil angekündigt - dabei blieb es auch.
Und schließlich Karlheinz Petritz: Seine Empörung richtete sich allerdings gegen den Villacher Geschäftsmann Limpl, der Petritz in einem Interview mit profil als Empfänger der Hussein-Millionen genannt hatte. Haiders Ex-Pressesprecher wollte daraufhin Limpl klagen. Passiert ist das bis heute nicht.