Club 3

Jörg Leichtfried: „Die CO2-Steuer ist eine Fake-Aktion“

Von der Übergewinnsteuer bis zum Gaspreisdeckel: In der EU setzen sich rote Modelle durch. Warum schwächelt die SPÖ dennoch bei Wahlen, fragen wir die Nummer 2 der Partei, Jörg Leichtfried, im Club 3.

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Als der Stellvertreter der SPÖ-Chefin im Parlament, Jörg Leichtfried, am Donnerstag zur Aufzeichnung des Club 3 – dem gemeinsamen TV-Format von „Kurier“, „Kronen-Zeitung“ und profil – im Studio eintraf, wusste er bereits, dass für die SPÖ eine politische Erntezeit angebrochen war. Von den deutschen Genossen war er darüber informiert, dass die 
dortige Regierung eine Gaspreisbremse verkünden würde. Die Pläne für eine österreichische Version sprudelten nur so aus Leichtfried heraus. Seine Partei hatte bereits vor Wochen ein entsprechendes Modell vom roten Ex-Kanzler Christian Kern ausarbeiten lassen. Am Freitag einigten sich die EU-Energieminister in Brüssel außerdem auf eine Übergewinnsteuer. Auch diesen Markteingriff fordert Leichtfrieds Partei seit Monaten – gegen den Willen der ÖVP und namhafter Ökonomen.

Am Freitag sah sich die SPÖ auch noch in ihrer Forderung bestätigt, die CO2-Steuer zu verschieben. Vor zahlreichen Tankstellen hatten sich Schlangen gebildet. Preissensible Autofahrer wollten noch einmal volltanken, bevor der Liter Benzin am Samstag durch den Öko-Aufschlag um  zehn Cent steigt. „Diese CO2-Steuer ist eine Fake-Aktion“, heizt der SPÖ-Politiker die Wut mancher Autofahrer an. „Sie hat keinerlei Lenkungseffekt mehr.“ Die 0,10 Cent Aufschlag seien gedacht gewesen, um unökologisches Verhalten finanziell zu belasten und ökologisches Verhalten – etwa den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel – zu belohnen. „Doch wenn die Spritpreise wegen der Rekordinflation um 0,80 bis 0,90 Cent steigen, haben 0,10 Cent keinerlei Lenkungseffekt mehr“, ist Leichtfried überzeugt. „Jetzt müssen jene, die aufs Auto angewiesen sind, nur noch mehr zahlen.“

Die SPÖ hat Rückenwind – er weht aus Brüssel, Deutschland und von den Tankstellen des Landes her. Warum kam er nicht in Tirol an? Die SPÖ legte bei der Landtagswahl nur mickrige 0,2 Prozentpunkte zu, während die ÖVP um zehn Prozentpunkte abstürzte. Die FPÖ überholte die SPÖ. „Tirol war für uns immer ein schwieriges Pflaster. Aber wir haben das beste Ergebnis in 20 Jahren erzielt“, sagt Leichtfried. Und Niederösterreich, wo voraussichtlich im Jänner gewählt wird? In einer aktuellen Umfrage steigt die SPÖ nur leicht von 24 auf 25 Prozent, obwohl die ÖVP von 49 auf 39 Prozent runterrasselt. Leichtfried behilft sich mit Kritik an Umfragen, die gerade in Tirol gezeigt hätten, was sie – nicht – können.

Ist Parteichefin Pamela Rendi-Wagner die Richtige an der Parteispitze oder bremst sie den Aufwärtstrend eher? Man zögert, die Frage zu stellen. Zu sehr ist sie Fixpunkt in jedem Interview mit SPÖ-Politikern. Leichtfried antwortet proaktiv: „Es ist völlig klar, dass Rendi-Wagner Spitzenkandidatin bei der nächsten Wahl ist. Da fährt der Zug drüber.“

Was den Rendi-Zug bremsen könnte: eine Asylkrise, die rote Erfolgsthemen überlagert und parteiinterne Rivalen stärkt. Rendi-Wagner sieht im Unterschied zu SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil – ihrem Langzeit-Gegenspieler – noch keine Krise an der burgenländisch-ungarischen Grenze. Leichtfried erinnert an SPÖ-Forderungen beim Thema Asyl, die man nur hört, wenn man nachfragt: die Verteilung von Flüchtlingen auf willige EU-Länder, aus Asylzentren an der EU-Außengrenze. Sollen dann auch jene, die per Schlepper kommen, weiterhin einen Antrag in Österreich stellen können? Ja, meint Leichtfried. Man merkt es ihm an, er würde jetzt gerne wieder zur Gaspreisbremse wechseln.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.