Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm: Die junge Milde
Auch Konservative brauchen Partys, vor allem die jungen. Einer, dem das bewusst war, hieß Sebastian Kurz. Es haperte aber in der Gestaltung, seine schräge Partytour mit dem „Geilomobil“ sollte Kurz bis ins Kanzleramt verfolgen. Am Land, im oberösterreichischen Mühlviertel, wo Claudia Plakolm herkommt, sind die Zeltfeste der Landjugend, die „fetzngeile Musi“ versprechen, der Renner. So war es kein Zufall, dass das Waldinger Sommerfest in Plakolms Heimatort zu ihrem politischen Erweckungserlebnis wurde: Dort sei sie nämlich, wie sie später erzählt, als 16-Jährige erstmals mit Leuten aus der Jungen Volkspartei (JVP) in Kontakt gekommen, die die feuchtfröhliche Fete jedes Jahr veranstalten. In den Jahren darauf packte Plakolm selbst in der Zeltfest-Organisation mit an und schenkte noch später als Nationalratsabgeordnete Misch-Spezialitäten wie „Jacky-Bull“ oder „Feiglinge“ aus.
Seit Dezember ist die 27-jährige Claudia Plakolm Staatssekretärin für Jugend im Bundeskanzleramt. In den vergangenen zehn Jahren legte sie, eher unterhalb des Radars der breiten Öffentlichkeit, eine beachtliche Parteikarriere hin: 2012 wurde die Gymnasiastin Landesschulsprecherin der ÖVP-nahen Schülerunion, 2015 Mitglied im Waldinger Gemeinderat. Ab 2016 war sie Obfrau der JVP Oberösterreich, 2017 zog sie mit 22 Jahren in den Nationalrat ein. In ihrem Heimatort Walding kennt man sie für ihr Vereinsengagement: Plakolm war oder ist in Landjugend, Jungschar und Blasmusikkapelle aktiv. Und die Tochter des Bürgermeisters ist sie auch.
Der „weibliche Sebastian Kurz“?
Nicht zuletzt wegen ihres Alters reißen die Vergleiche mit ihrem Vorgänger in der JVP nicht ab: „Ist sie der weibliche Sebastian Kurz?“, fragte die „Kronen Zeitung“ im Dezember. In den sozialen Medien bläst ein Gegenwind, der ebenfalls an Kurz’ Anfänge erinnert: „Wer braucht eine 26-Jährige ohne Ausbildung als Staatssekretärin mit einem Gehalt von 14.760 Euro?“, twitterte „Woman“-Chefredakteurin Euke Frank und erntete viel Zuspruch. Für Häme sorgte im Netz auch ein Videoclip, in dem Plakolm einen alten Spruch zur Mühlviertler Weisheit umdichtete: Es brauche drei Dinge, die man vor dem 30. Lebensjahr erledigen sollte, um als erwachsen zu gelten: „Ein Kind zeugen, ein Haus bauen und einen Baum pflanzen“, so Plakolm in der JVP-Grußbotschaft. Viele spotteten, die neue Jugendstaatssekretärin sei eher eine Staatssekretärin der Landjugend.
Doch wie berechtigt sind die Vergleiche mit Sebastian Kurz wirklich? Wie stramm türkis ist die neue Junge, die zwar in der Partei jeder kennt, doch der breiten Öffentlichkeit erst jetzt auffällt? Und was hat die ÖVP nach den heftigen Turbulenzen des letzten Jahres mit dem neu geschaffenen Jugendressort überhaupt vor?
Zumindest aktuell sieht es nicht so aus, als ob die Neo-Staatssekretärin ihre eigene Weisheit selbst erfüllen möchte. Statt „Hausbauen“ in Oberösterreich bewohnt sie derzeit eine Wohngemeinschaft in Wien, gemeinsam mit ihrem jüngeren, studierenden Bruder. Trotz eines üppigen Gehalts sei „definitiv nicht geplant umzuziehen“, sagt sie im Gespräch mit profil.
An ihrem Arbeitsplatz in der Hofburg am Ballhausplatz gegenüber dem Kanzleramt herrscht kein studentisches Altbau-Flair. Die großen Büroräumlichkeiten wirken noch einigermaßen steril. Ein wenig Gemütlichkeit vermittelt die Eck-Couch mit bunten Polstern. Wie das zusammengehe, das hohe Amt in der Hofburg und das WG-Leben? „Ich bin eine pflegeleichte Mitbewohnerin, befülle kaum den Kühlschrank, nehme aber selten was heraus. Und eigentlich komme ich sowieso nur zum Schlafen heim.“ Mit Wien hat Plakolm einst gefremdelt. Sie zog 2013 zunächst in die Bundeshauptstadt, um Wirtschaft zu studieren, ging aber wieder retour nach Oberösterreich und schrieb sich in Linz für Wirtschaftspädagogik ein. Ein Abschluss steht noch aus, auch deshalb gab es im Netz süffisante Kommentare und Anspielungen auf Sebastian Kurz. Über den früheren JVP- und ÖVP-Obmann spricht sie nur in Superlativen: „Er hat wahnsinnig Großartiges geleistet, wovon andere Regierungsprogramme nur geschrieben haben. Er hat viele junge Leute, wie auch mich, in die Politik gebracht.“ Als Idol nennt sie ihn aber nicht: „Ich habe es generell nicht so mit Vorbildern.“
Ihr heutiges Amt hat sie den Turbulenzen rund um den Ex-Kanzler zu verdanken: Nach dem Abgang von Kurz und der Regierungsumbildung im Dezember war der Posten eines Staatssekretärs für die ÖVP zu vergeben. Magnus Brunner, zuvor im Klimaschutzministerium unter Leonore Gewessler, wechselte ins Finanzministerium. Dem Vernehmen nach hätte Plakolm auch im Umweltressort Staatssekretärin werden können, habe sich aber für die Jugendagenden entschieden, obwohl ihr budgetärer Spielraum gegen null geht. Im Klimaschutzministerium kam die ÖVP aber nicht zur Geltung.
„Mit dem neuen Staatssekretariat geht es der ÖVP natürlich stark um Signale: Claudia Plakolm als junges, weibliches Gesicht, die auch anders – also verstärkt über Social Media – kommunizieren kann“, sagt Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle. „Sie kann Ansprechperson für Initiativen, NGOs sein und damit auch Nehammer entlasten.“ Ähnlichkeit mit Sebastian Kurz, der 2011 mit 24 Jahren das Integrationsstaatssekretariat im Innenministerium übernahm, sieht die Politologin nur bedingt: „Kurz hat mit dem Thema Migration wesentlich mehr polarisiert und auch Gegenwind bekommen. Es stimmt aber, dass Claudia Plakolm mit den Jugendagenden ein Thema bekommen hat, das gerade in Pandemiezeiten ein brennendes ist. Das bietet durchaus Karrierechancen, je nachdem, wie man es nützt.“
Erstes Konfliktpotenzial bot sich um das Thema der mündlichen Matura. In den vergangenen zwei Jahren war die Prüfung pandemiebedingt freiwillig, für heuer fordert die Schülervertretung dasselbe. Von Plakolm gibt es dazu eine klare Absage: „Die mündliche Matura ist eine riesige Chance und ein Schritt in Richtung Normalität, ich plädiere voll dafür, den Schülerinnen und Schülern das zuzutrauen. Bei Lehrlingen gab es in den vergangenen zwei Jahren gar keine Einschränkungen, und es hat funktioniert.“ Das ist insofern bemerkenswert, als auch die ÖVP-nahe Schülerunion, in der Plakolm selbst lange aktiv war, für die Freiwilligkeit eintritt. Die Jugendsprecherin der Grünen, Barbara Neßler, drängt bereits auf ein Aufweichen der Regierungslinie: „Man muss sich nur die psychosoziale Situation der Jugendlichen anschauen, da macht es wenig Sinn, gerade jetzt den Druck zu erhöhen.“
„Bisher keine Machtspielereien“
Abgeordnete anderer Parteien, die mit Plakolm im Parlament zu tun hatten, sprechen von Handschlagqualität, Integrität und einem moralischen Kompass, der sich stark von jenem des Sebastian Kurz unterscheiden würde. „Ich habe bei ihr bisher keine Machtspielereien oder ein ,System Plakolm‘ erkennen können – der Vergleich mit Kurz hinkt daher“, sagt NEOS-Jugendsprecher Yannick Shetty. Andererseits sei sie „klar Parteisoldatin“, ein Abweichen von der Parteilinie von ihr nicht zu erwarten. Gesellschaftspolitisch schert sie auch im profil-Gespräch nicht aus. Ob sie sich als Feministin verstehe? „Wenn das heißt, dass man für Chancengleichheit zwischen Mann und Frau eintritt, dann bin ich das definitiv. Eine Freundin von Quoten bin ich aber nicht, sie reduzieren Frauen nur auf ihr Geschlecht.“ Den Lobautunnel, den Klimaschutzministerin Gewessler stoppte, hält sie für baureif. „Es braucht beim Thema Klima Innovationen statt Verbote. Ich halte nichts davon, nur den Griechenlandurlaub zu verbieten oder die Avocados zu streichen.“
In der Flüchtlingsfrage kam es im September 2020 zu einer bemerkenswerten Episode im Leben der Claudia Plakolm. Damals schwelte die Debatte um die Aufnahme von Menschen aus den Elendslagern auf Lesbos. Die Türkisen waren vehement dagegen, die Koalition mit den Grünen war belastet. Etliche ÖVP-Gemeinden erklärten sich hingegen bereit für eine Aufnahme von Flüchtlingen – darunter auch Plakolms Heimatort Walding, wo ihr Vater Johann seit 2015 Bürgermeister ist. Die Eltern der Staatssekretärin engagieren sich in der Integrationsarbeit, ihre Mutter gründete sogar eine eigene Flüchtlingsinitiative. Bei einer SPÖ-Resolution im Gemeinderat stimmte Vater Plakolm für, Tochter Plakolm – sie war sowohl dort als auch im Nationalrat Mandatarin – gegen eine Aufnahme von Moria-Flüchtlingen. „Ich unterstütze die Arbeit meiner Eltern und sehe keinen Widerspruch. Auch sie setzen sich vor allem für die Verbesserungen bei Asylverfahren ein“, sagt sie heute. „Ich halte es aber für plakativ, nur dorthin zu schauen, wo gerade die meisten TV-Kameras sind.“
Was aber plant Claudia Plakolm mit ihrem neuen Amt? Heidi Glück, frühere ÖVP-Pressesprecherin und Politikberaterin, hatte die junge Staatssekretärin bislang nicht am Schirm. Die ersten öffentlichen Auftritte haben sie überrascht: „Sie wirkt für ihr Alter extrem routiniert, eigentlich professioneller, als Sebastian Kurz es am Anfang war. Sie scheint schon eine echte politische Karriere im Kopf zu haben.“ Gleichzeitig sei für Glück ein „klassischer Politiksprech“ erkennbar, der eher das Publikum über 27 Jahre als jenes darunter anspricht. „Da wird es sicher entscheidend sein, wie sie Themen angeht, die die Jungen interessieren.“ Ein Termin, der Interessen der Jüngeren betrifft, findet nächste Woche statt: Da will Plakolm Vertreter von Fridays for Future in ihrem Büro empfangen. Ideologische Reibereien wären nicht überraschend.
In der ÖVP gilt Claudia Plakolm als Zukunftshoffnung, sie selbst sieht sich als „Pacemakerin“ für die Jugend, zu Deutsch „Tempomacherin“. Ganz durchdacht ist das Branding in eigener Sache noch nicht. Zwar geben „Pacemaker“ im Laufsport das Tempo vor, als Erster ins Ziel kommen aber meist andere.