Interview

Julia Ebner: Taliban-Reise „zeigt Inkonsistenz der FPÖ-Rhetorik“

Die österreichische Extremismusforscherin Julia Ebner erklärt im Interview, welche ideologischen Überschneidungen es zwischen Islamisten und Rechtsextremen gibt. Bei der FPÖ ortet sie einen „Widerspruch“ zwischen Rhetorik und Realität.

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FPÖ-Vertreter haben den islamistischen Taliban in Afghanistan einen Besuch abgestattet. Wie passt das zusammen? Eigentlich bekämpfen die sich doch.
Ebner
Es ist zwar auf den ersten Blick verwunderlich, aber auf den zweiten gar nicht so sehr: Die Narrative von Rechtsextremen und Islamisten decken sich vielfach. Beide setzen auf eine Rückkehr in die gute, alte Welt. Es geht um die Rückkehr zur traditionellen Familie, also eine extreme Ausprägung von Konservativismus – das eint sie.
So wie auch Globalisierungskritik und Anti-Amerikanismus.
Ebner
Nicht nur das. Es fällt auf, dass sich Islamisten immer öfter rechten Verschwörungsmythen bedienen. Da gibt es islamistische Influencer, die von einem Great Reset reden, also von einer angeblichen Verschwörung der Eliten. Dieses Narrativ wird sonst vor allem von Rechtsextremen verbreitet. Und noch eine weitere Gemeinsamkeit gibt es: Ressentiments gegen Jüdinnen und Juden.

 

Sie haben sich mit beiden Szenen intensiv beschäftigt. Münden diese inhaltlichen Überschneidungen auch in eine Zusammenarbeit?
Ebner
In rechtsextremen Randgruppen gibt es oft eine Verherrlichung von Islamisten, da wird im Extremfall sogar der Begriff vom weißen Jihad verwendet. Was bei Jihadisten ein Kalifat ist, das ist bei Rechtsextremisten der weiße Ethnostaat. Die Utopien sind sich gar nicht so unterschiedlich. Die Identitären reden ja auch vom Ethnopluralismus. In Frankreich hat im Jahr 2015 ein Mitglied der Identitären zwei Jihadisten geholfen, die Waffen für eine antisemitische Geiselnahme aufzutreiben. Die Kooperation hat auch oft eine antisemitische Dimension.
Gibt es diese Kooperation auch in Österreich?
Ebner
Der rechtsextreme Verschwörungssender AUF1 aus Österreich, der gute Kontakte zur FPÖ pflegt, hat heuer den deutschen Islamismus-Influencer Yavuz Özoguz eingeladen, der dort etwa vor einem angeblichen Great Reset warnte.
Trotzdem steht die Reise im klaren Widerspruch zur islamfeindlichen Haltung der FPÖ.
Ebner
Es ist ein absolutes Paradox und mit der traditionellen Position der FPÖ eigentlich nicht in Einklang zu bringen. Der Ruf der FPÖ baut darauf auf, Muslime unter Generalverdacht zu stellen, was Terrorismus und andere Formen der Kriminalität angeht. Das ist ein zentraler Baustein ihrer Rhetorik. Wenn nun FPÖ-Vertreter mit einer islamistischen Regierung kooperieren, geht das weit über das hinaus, was als glaubwürdig wahrgenommen wird. Das schadet der FPÖ bei ihrer Wählerschaft.

Es zeigt sich eine Bruchlinie im rechten Lager. Manche sehen Islamisten als ultimativen Feind. Und andere glorifizieren diese Gruppen fast schon.

Julia Ebner

Deshalb will die freiheitliche Parteiführung von dem Besuch nichts gewusst haben. Es wird auch darüber spekuliert, ob der wahre Grund für die Reise ein österreichischer Rechtsextremist ist, der im Sommer in Afghanistan inhaftiert wurde.
Ebner
Wir wissen noch zu wenig über die wahren Motive der Reise. Aber klar ist: Es zeigt sich eine Bruchlinie im rechten Lager. Manche sehen Islamisten als ultimativen Feind. Und andere glorifizieren diese Gruppen fast schon.
Die Taliban sind nicht die einzigen muslimischen Machthaber, mit denen die FPÖ Kontakte geknüpft hat. Auch der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow zählt dazu.
Ebner
Das zeigt, dass es eine tiefe Inkonsistenz in der Rhetorik und Ideologie der FPÖ gibt. Vieles ist bloß das Ausnutzen von Ängsten, die Wahlkampagnen dienen. Muslimische Migranten als gefährlich zu branden und andererseits extreme muslimische Staatsherrn zu hofieren, ist sehr widersprüchlich.
Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.