Kalter Himmel: Kunst und Krieg
Ein Krieg betreibt neben der Vernichtungskraft, die er entfesselt, das Geschäft der Angst – auch die Einschüchterung jener, die von ihm (noch) nicht direkt betroffen sind. Wer wagt es, aus privilegierter Perspektive sich zu ihm zu äußern? Wer könnte behaupten, zu verstehen, was sich vor unseren Augen ereignet? Tatsächlich ist die Gemengelage unübersichtlich: Traditionelle Männlichkeitsbilder erleben eine ungeahnte Hochkonjunktur, neue alte Formen der chauvinistischen Selbstvergewisserung sind wieder satisfaktionsfähig. Wladimir Putin gibt den stahlgewitterfesten Feldherrn, und die von ihm Attackierten – Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj – tun es ihm notgedrungen gleich: Sie posieren bewaffnet, uniformiert, kriegerisch-viril.
Im verständlichen Bestreben, sich mit der Ukraine solidarisch zu erklären, ersteht gerade ein neuer globaler Militarismus, der über Jahrzehnte in den Zivilgesellschaften geschlummert haben mag. Pazifisten wurden, gleichsam über Nacht, zu Bellizisten. Muss man dem Frieden rückhaltlos abschwören, um das Böse auszuhebeln? Der Schriftsteller und Filmemacher Alexander Kluge formulierte seine Ohnmacht, den Krieg zu erklären, unlängst im Hamburger Wochenblatt „Die Zeit“ so: „Jede Seite, jedes Gremium behauptet, die Übersicht zu haben. Die gibt es aber nicht. Wir sprechen mit dem großen Kriegstheoretiker Clausewitz von den ,Nebeln des Krieges‘. Sowie der Krieg ausbricht, ist alles unbestimmt.“ Kluge ist überzeugt davon, dass Putins Angriffskrieg als Spätfolge der unverarbeiteten Demütigung, die sich aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion ergeben hat, zu begreifen ist. Im Kunstmagazin „Monopol“ betonte er die Notwendigkeit eines historischen Verständnisses dieser Krise: „Wie man den Impfstoff aus dem Gift entwickelt, wäre es gut, den Weg zum Frieden aus den Fehlern der Vergangenheit abzuleiten, also zu reparieren, und nicht durch Rechthaberei und Monolog die Risse zu panzern.“
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