Wirtschaftskammer Österreich Außenansicht
Wirtschaftskammer

Kammer-Wahl: Wenn Fraktionen im großen Stil Wahlkarten besorgen

Mehrere Fraktionen in der Wirtschaftskammer bieten einen umstrittenen Service für Wahlberechtigte: Sie besorgen ihnen auf Wunsch die Wahlkarte. Ist das erlaubt?

Drucken

Schriftgröße

Es ist ein nicht ganz alltäglicher Service, den mehrere Fraktionen für die Wirtschaftskammer-Wahl im März 2025 anbieten: Sie können auf Wunsch die Wahlkarten für die wahlberechtigten Unternehmerinnen und Unternehmer organisieren.

Entsprechende Briefe hat der ÖVP-Wirtschaftsbund in mehreren Bundesländern verschickt, wobei auf den ersten Blick nicht immer ersichtlich ist, dass die Wahlberechtigten die Wahlkarten gar nicht bei der Kammer beantragen, sondern bei einer der politischen Fraktionen. Auch der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) setzt zumindest in Wien auf dieses Angebot.

Doch wie passt das mit der Wahlordnung zusammen? Auf der Webseite der Wirtschaftskammer (WKO) findet sich zum Prozedere folgender Hinweis: „Sie müssen die Wahlkarte persönlich oder schriftlich bei der zuständigen Hauptwahlkommission, d.h. bei der Hauptwahlkommission der Landeskammer, in der Sie Mitglied sind, ab dem 25. November 2024 beantragen.“

Ob Dritte - noch dazu wahlwerbende Gruppen - für Wahlberechtigte die Wahlkarten organisieren dürfen, geht aus der WKO-Seite nicht hervor. Die Grüne Wirtschaft wittert einen Verstoß gegen die Bestimmungen und übt Kritik an der Praxis. Was ist dran an den Vorwürfen?

Das Beispiel Wien: Die ÖVP-Teilorganisation Wirtschaftsbund besitzt die Domain „wkwahl.wien“, die vom Namen her wie eine offizielle Webseite der Wirtschaftskammer anmutet. Dort wird der Service prominent angepriesen: „Jetzt Wahlkarte für die Wirtschaftskammerwahlen 2025 beantragen! Nutzen Sie die Chance, die Zukunft unserer Wirtschaft aktiv mitzugestalten! Ihre Stimme ist für Ihr Unternehmen und Ihre Branche von großer Bedeutung!” Wer das Formular ausfüllt, muss dem Wirtschaftsbund auch gleich die Zustimmung erteilen, dass seine Daten für „Wirtschaftsbund-Wien Informationen (via E-Mail, Telefon, SMS, Brief, etc.) verwendet werden”. 

So sammeln die Fraktionen wertvolle Daten von Wahlberechtigten - und sie wissen, wer von ihnen sehr wahrscheinlich von seinem Wahlrecht Gebrauch macht. 

Wie wichtig den Fraktionen die Wahlkartenanträge sind, verdeutlicht ein Lockangebot des Sozialdemokratisches Wirtschaftsverbands (SWV) Wien: Die roten Wirtschaftsvertreter verlosen ein iPad und ein Fotoshooting an Personen, die ausgefüllte Anträge von drei Personen an den SWV senden. 

Das sei ganz einfach eine Service-Leistung, betont eine Sprecherin der Fraktion gegenüber profil. Leise schwingt auch Kritik an der Wirtschaftskammer selbst mit: Ein Großteil der Mitglieder wisse nicht, dass die Wahl stattfindet. „Die Fraktionen müssen einen wesentlichen Teil der demokratiefördernden Arbeit zur Wahlinformation erfüllen.”

Der Wirtschaftsbund Österreich sieht sich auf profil-Anfrage nicht zuständig, da die Wahlkartenanträge von den Landesorganisationen abgewickelt würden. Nur soviel: „Die Beantragung von Wahlkarten erfolgt direkt durch den Wahlberechtigten bei der zuständigen Landeskammer oder einer von dieser bestimmten Stelle. Dies entspricht den geltenden rechtlichen Bestimmungen”, so der Wirtschaftsbund Österreich gegenüber profil.

Betrugsgefahr bei Kammer-Wahl?

Sabine Jungwirth, die Chefin der Grünen Wirtschaft, sieht das problematisch, sie hält das Sammeln von Wahlkartenanträgen der schwarzen und roten Landesfraktionen für rechtswidrig. Denn dabei würden auch die Daten der Wahlberechtigten abgegriffen werden: „Ein Schelm, wer meint, dass diese nicht auch für ‘bevorzugte’ Beschickung mit Wahlinformationen genutzt werden. Außerdem ist es äußerst befremdlich, dass die Wahlbehörde WKO die Formulare aus fremder Hand annimmt. Die Hauptwahlkommission ist aufgefordert, diesem Treiben Einhalt zu gebieten”, sagt Jungwirth zu profil.

Die Grüne Wirtschaft spricht sich dagegen aus, dass die wahlwerbenden Gruppen Wahlkartenanträge und Wahlkarten sammeln und an die WKO weiterleiten. „Nur so kann gewährleistet werden, dass keine Manipulationen stattfinden.” Sie fordert eine Legitimation beim Antrag mittels ID-Austria oder das Hochladen eines Personalausweises als Anforderung. 

Das würde aber eine Novelle des Wahlrechts der Wirtschaftskammer bedeuten, die bis März unwahrscheinlich scheint. Ob die Grüne Wirtschaft gegen die Vorgehensweise der anderen Fraktionen rechtliche Schritte ergreift, wird sich erst zeigen.

Der Verfassungsjurist Christoph Bezemek von der Universität Graz würde so einem Unterfangen aber wenig Chancen einräumen: „Die Wahlordnung orientiert sich an der Bundesverfassung, sie ist aber freier.” 

Die Briefwahl sei in der Kammer schon „längste Zeit” Usus. Denn auch wenn die Wahlkarte über eine Fraktion angefordert wird, dann wird der Antrag für die Wahlkarte dem Mitglied zugeschickt. Dass die Ausstellung der Wahlkarte auf Antrag erfolgen muss, sieht Bezemek „streng”. Der Antrag auf die Ausstellung einer Wahlkarte könne zwar auf verschiedenen Wegen erfolgen - über die Post oder auch eine Fraktion; der Antrag müsse aber vom Wahlberechtigten kommen und dessen Identität müsse von der Wahlkommission beim Ausstellen der Wahlkarte geprüft werden: „Wenn dieser Mechanismus beachtet wird, sehe ich es im Grunde unproblematisch, weil dann gibt es keine Manipulationsmöglichkeit.”

Ganz grundlos dürften die Warnungen vor Betrug aber auch wieder nicht sein. Bei der vergangenen Wirtschaftskammer-Wahl kam es - wie profil damals aufgedeckt hat - zu gezieltem Wahlbetrug in der Fachgruppe der Personenbetreuung, in der auch die selbstständigen 24-Stunden-Betreuerinnen wahlberechtigt sind. Mehrere Betreiber von Vermittlungsagenturen haben sich die Wahlkarten der Frauen an ihre Agenturadresse schicken lassen und die Stimmzettel selbst ausgefüllt oder von Mitarbeitern ausfüllen lassen. Die Causen waren Gegenstand von umfangreichen Ermittlungen.

Der Fall im Burgenland sei zwar drastisch, aber hier sei mit manipulativer Absicht vorgegangen worden, sagt Bezemek.

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

Seit Dezember 2024 im Digitalteam.