Karl Schwarzenberg: „Hofer würde Österreichs Position in der Welt untergraben“

Karl Schwarzenberg: „Hofer würde Österreichs Position in der Welt untergraben“

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profil: Was sagen Sie als langjähriger Beobachter der österreichischen Politik zur Wiederholung der Stichwahl zum Bundespräsidenten? Karl Schwarzenberg: Ich mache mir ernsthaft Sorgen. Terroristische Anschläge helfen immer Populisten.

profil: Manche Österreicher werden vielleicht gar nicht mehr zu den Urnen gehen. Schwarzenberg: Viele Österreicher sind verärgert, weil sie noch einmal wählen müssen. Ein guter Freund aus dem bürgerlichen Lager sagte mir, er werde diesmal einen weißen Stimmzettel einwerfen, weil er nicht immer nur gegen jemanden stimmen wolle. Aber als langjähriger Politiker weiß ich, dass 80 Prozent der politischen Entscheidungen getroffen werden, um etwas Dummes zu verhindern. Das Unangenehme in der Politik ist, dass man oft für das geringere Übel stimmen muss.

Man muss einen Kandidaten ja nicht lieben, aber doch klar sagen, wer das kleinere Übel ist.

profil: Und das heißt jetzt Alexander Van der Bellen? Die ÖVP wollte keine Wahlempfehlung abgeben und wird dies wohl auch diesmal nicht tun. Schwarzenberg: Das halte ich für ein schweres Versäumnis der ÖVP. Immerhin hat sich jetzt die SPÖ etwas hatschert deklariert, indem sie Van der Bellen im Wahlkampf unterstützen will. Beide ehemals großen demokratischen Parteien der Mitte sind offenbar beleidigt, dass ihre Kandidaten im ersten Wahlgang so deutlich durchgefallen sind. Deswegen wollen sie jetzt nicht ihrer demokratischen Pflicht nachkommen und eine klare Empfehlung abgeben. Man muss einen Kandidaten ja nicht lieben, aber doch klar sagen, wer das kleinere Übel ist. Denn wenn ich mich der Stimme enthalte, fördere ich den, den ich nicht unterstützen will.

profil: Die ÖVP sollte sich also klar für Van der Bellen aussprechen? Schwarzenberg: Viele Bürgerliche werfen Van der Bellen vor, dass er in seiner Jugend sehr links stand und sogar eine Zeit lang Kommunist war. Man darf aber niemandem vorwerfen, als Jugendlicher einer Versuchung erlegen zu sein. Wesentlich ist doch, wie sich ein Politiker in den letzten 20 oder 30 Jahren verhalten hat. Viele Leute in der österreichischen Politik sind in ihrer Jugend dem Dritten Reich verfallen. Der frühere Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, sagte mir, sein Vater sei Monarchist gewesen, er aber in seiner Jugend Kommunist.

Ein Populist weiß, dass er alle Seiten befriedigen muss, um die Macht zu erringen

profil: Er war sogar überzeugter Maoist. Schwarzenberg: Und er hat sich zu einem guten Europäer entwickelt.

profil: Würden Sie Ihren Freunden raten, Van der Bellen zu wählen? Schwarzenberg: Ja, von Van der Bellen sind mir in den vergangenen 20 Jahren keine Äußerungen bekannt, über die ich mich empört hätte. Bedauerlicherweise gilt das nicht für Herrn Ing. Hofer. Von ihm gibt es einige bedenkliche Äußerungen. Außerdem erfüllt mich seine Umgebung mit Sorge. Zudem gibt es derzeit in ganz Europa einen Trend zum Populismus und Nationalismus. Freilich besteht ein weit verbreiteter Irrtum, wonach Populismus immer rechts sein muss. Das ist nicht wahr. Sogar ein echter Populist wie Jörg Haider hat Ideen von rechts und links übernommen. Ein Populist weiß, dass er alle Seiten befriedigen muss, um die Macht zu erringen.

profil: Norbert Hofer hat nach dem Brexit-Referendum eine Abstimmung über den Verbleib Österreichs in der EU nicht ausschließen wollen. Schwarzenberg: Ich fürchte, dass die EU-Kritik derzeit bei vielen österreichischen Politikern eine große Rolle spielt. Ein EU-Austritt Österreichs wäre natürlich ein Wahnsinn. Man muss sich ja nur die Lage Österreichs ansehen: Mit Ausnahme der Schweiz und Liechtensteins sind wir von lauter EU Staaten umgeben. Der Großteil unserer Exporte geht in die EU. Also kann ich nur mit einem englischen Sprichwort sagen: Wir brauchen so ein Referendum so notwendig wie ein Loch im Kopf. Als ehemaliger Außenminister eines Nachbarlandes weiß ich, dass die Mitgliedschaft in der EU auch innenpolitisch das Wichtigste ist. Man muss in dieser Frage auch eine Beständigkeit wahren, damit man ein verlässlicher Partner ist, sonst bringt man in Brüssel keine Initiativen mehr durch. Hofer würde als Bundespräsident mit solchen Spielchen die Position Österreichs in der EU aber auch in der Welt untergraben. Darüber müssen sich die Österreicher im Klaren sein.

profil: Mit einem Bundespräsidenten Norbert Hofer wäre Österreich das erste EU Land mit einem rechtspopulistischen Staatsoberhaupt. Schwarzenberg: Er vertritt in der EU-Frage keinen beständigen Standpunkt, auf den man sich verlassen kann. Und da ich es nicht für ausgeschlossen halte, dass die FPÖ bei den nächsten Nationalratswahlen die stärkste Partei wird, hätten wir in Österreich eine Kombination, die diesem Land - milde gesagt - nicht nützen würde.

profil: Aber auch tschechische Politiker üben gerne harte EU-Kritik. Zuletzt wehrte sich Präsident Milos Zeman gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, weil dies Terrorakte ermöglichen würde. Schwarzenberg: Ich nehme zum tschechischen Staatsoberhaupt, gegen den ich bei der Wahl unterlegen bin, im Ausland nicht Stellung. Aber es gibt bei uns beständige Politiker, dazu gehört Premierminister Bohuslav Sobotka. Es gibt populistische und fremdenfeindliche Politik auch in anderen EU Ländern, aber man muss auch die Vergangenheit Österreichs berücksichtigen. Wenn solche Töne aus Österreich kommen, ist man doppelt empfindlich. Österreich steht aus historischen Gründen unter Beobachtung. Damit werden hier noch einige Generationen zu tun haben.

Man muss immer die Wahrheit sagen, aber man muss nicht jede Wahrheit auch aussprechen

profil: Van der Bellen hätte auf diesem Gebiet wohl keine Probleme. Schwarzenberg: Was Österreichs Position im Ausland betrifft, wäre er hundertprozentig besser für Österreich. Ich kenne Hofer nicht persönlich, aber wenn ich mir seine politischen Standpunkte anschaue, so weiß ich, dass es für Österreich nicht gut wäre, falls er Bundespräsident werden sollte.

profil: Zwischen Österreich und der Türkei herrscht gerade politische Eiszeit. Was halten sie von den Forderungen der österreichischen Regierung, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu beenden? Schwarzenberg: Mein Vater hat gesagt: Man muss immer die Wahrheit sagen, aber man muss nicht jede Wahrheit auch aussprechen. Nachdem jedem, der in der Außenpolitik tätig ist, ganz klar ist, dass in den nächsten Jahren die Türkei nicht EU- Mitglied werden kann, weil sie die Bedingungen nicht erfüllt, ist es überflüssig wie ein Kropf, dies jetzt auch auszusprechen.

profil: Sie kritisieren sowohl Bundeskanzler Christian Kern wie auch Außenminister Sebastian Kurz? Schwarzenberg: Der wirkliche Fehler lag darin, dass der Adressat ihrer Wortmeldungen nicht die Türken waren, sondern der österreichische Wähler. Wenn verantwortungsvolle Politiker dem Populismus anheimfallen, dann ist es schon sehr schlimm.

profil: Außenminister Kurz will das Öffnen weiterer Verhandlungskapitel mit der Türkei durch ein Veto verhindern. Schwarzenberg: Die Kernfrage, die ich stelle, ist: War das Außenpolitik oder Innenpolitik?

Wenn Erdogan den Putsch als Gottesgabe bezeichnet, muss man sich schon fragen, ob dieser Gottesgabe nicht ein wenig nachgeholfen wurde

profil: Aber man muss doch kritisieren, wenn massenweise Richter und Lehrer ihres Amtes enthoben oder Journalisten eingesperrt werden. Schwarzenberg: Das ist natürlich nicht akzeptabel. Was jetzt in der Türkei passiert, sieht schon verdächtig aus. Wenn Erdogan den Putsch als Gottesgabe bezeichnet, muss man sich schon fragen, ob dieser Gottesgabe nicht ein wenig nachgeholfen wurde. Für mich steht außer Zweifel, dass es eine echte Verschwörung einer kleinen Gruppe von Offizieren in der Armee gegeben hat, aber die Abwehr und die Maßnahmen danach waren sehr gut vorbereitet.

profil: Was passiert, wenn Recep Tayyip Erdogan den Vertrag mit der EU über die Flüchtlinge aufkündigt? Schwarzenberg: Wenn er die Schleusen wieder aufmacht, bricht er die Brücken nach Europa ab. Aber Erdogan ist hochintelligent. Als Bürgermeister von Istanbul hat er die Stadt auf Vordermann gebracht. Ihm steigt die Macht zu Kopf. Jetzt sucht er eine neue Partnerschaft mit Wladimir Putin. Zur allgemeinen Überraschung und schon vor dem Putsch bestand er auch nicht mehr auf der Ablöse von Syriens Staatschef Baschar al-Assad. Damit schaffte er sich Ruhe an der südlichen und nördlichen Grenze. Wofür, ist unklar. Man sollte Erdogan jetzt nicht zusätzlich reizen. Von seinem früheren Außen- und Premierminister, dem hochintelligenten Ahmet Davutoglu hat er sich getrennt. Er hat gewusst, dass Erdogans Kurs in eine zu starke Autokratie führt.

Bedauerlicherweise hat die österreichische Außenpolitik die Beziehungen zu den Nachbarländern schon seit Jahren vernachlässigt

profil: Eine Gruppe von Diplomaten hat eine neue Initiative zur Nachbarschaftspolitik Österreichs gestartet. Außenminister Kurz sind die Beziehungen zu Brüssel und größeren EU-Staaten wichtiger. Schwarzenberg: Bedauerlicherweise hat die österreichische Außenpolitik die Beziehungen zu den Nachbarländern schon seit Jahren vernachlässigt. Das Außenministerium meinte, darum sollten sich die Landeshauptleute kümmern, was ich für einen entscheidenden Fehler halte. Herr Kurz hat seit drei Jahren noch nie Prag besucht. Bundeskanzler Kern hat sich nun überraschenderweise mit Ungarns Regierungschef Victor Orban solidarisiert, was für einen Sozialdemokraten sehr merkwürdig ist. Es heißt, die Regierung lasse der FPÖ keine Luft mehr. Aber wenn ich mich dem Standpunkt der FPÖ immer mehr annähere, dann ist das für eine sozialdemokratisch geführte Regierung doch sehr seltsam.

profil: Sie machen sich Sorgen um Österreich? Schwarzenberg: Ja, weil ich dieses Land, in dem ich 41 glückliche Jahre verbracht habe, liebe. Aber manche Entwicklungen machen mir tatsächlich Sorgen. Die Ära Werner Faymann war sicher die schwächste Periode in der österreichischen Politik. Ich habe ja mit Ausnahme von Karl Renner seit 1945 von Leopold Figl angefangen alle Bundeskanzler persönlich gekannt. Ich dachte, mit der neuen Regierung unter Bundeskanzler Kern wird ein neuer Aufschwung kommen. Aber ich habe nicht erwartet, dass die Sozialdemokratie unter Kern gleich so weit nach rechts rückt. Eine interessante, wenn auch von mir unerwartete Entwicklung.

KARL (KAREL) SCHWARZENBERG, 78 Der Fürst mit tschechischer und Schweizer Staatsbürgerschaft war von 2007 bis 2013 Außenminister der Tschechischen Republik. Bei der Präsidentenwahl 2013 unterlag der frühere Kanzler von Vaclav Havel dem Sozialisten Milos Zeman. Das profil-Interview fand auf Schloss Murau in der Steiermark, Sitz der von seinem Sohn geleiteten Betriebs-und Forstverwaltung und eines kleinen Familienmuseums, statt.