Christian Kern (ehemaliger österreichischer Bundeskanzler), Karin Kneissl (Nahost Expertin und ehemalige österreichische Außenministerin) und Hans-Peter Siebenhaar (Präsident der Auslandspresse in Wien) eröffneten den 13. Europäischen Mediengipfel Lech am

Kern hofft auf Koalition aus ÖVP und Grünen

SPÖ müsse sich wieder „um die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen kümmern“.

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Der frühere Bundeskanzler Christian Kern trat nach längerer Pause wieder öffentlich auf - am Donnerstagabend zur Eröffnung des 13. Medienforums in Lech am Arlberg. „Die SPÖ wird sich wieder erholen“. Denn in der SPÖ gebe es weiterhin einen „sehr, sehr aktiven Kern“, so der ehemalige Politiker. Die gemeinsame Sicht einer besseren und gerechteren Welt stelle weiter die Basis der Sozialdemokratie dar. Im Gespräch mit profil forderte Kern aber grundlegende Reformen in der Partei. „Der gesamte Habitus der Partei, unser Auftritt muss sich ändern. Die SPÖ müsse sich viel stärker um die „Bedürfnisse der arbeitenden Menschen kümmern. Wir dürfen nicht bloß Schlagzeilen rund um unsere Funktionäre machen.“

Eine mögliche Koalition zwischen ÖVP und Grünen sieht Kern auch als Chance für die Sozialdemokratie. "Ich hätte gedacht, dass das mit ÖVP und Grünen sehr schwer werden kann. Mittlerweile, wenn man die Alternativen aussortiert, muss man eigentlich als Staatsbürger fast schon hoffen, dass es zu einer Einigung kommt."

„Restauration der Vernunft“

Die 2010er-Dekade werde künftig mit dem Begriff „alternative facts“ verbunden sein, sowie mit dem Verlust von „Objektivität und Wirklichkeitsanspruch“. Auch Politiker wie US-Präsident Donald Trump, die Präsidenten von Brasilien und den Philippinen, Bolsonaro und Duterte, sowie der britische Premier Boris Johnson oder Rechtspopulisten in Europa würden mit falschen Nachrichten Politik machen. Aber das Pendel könne auch bald wieder in die andere Richtung ausschlagen. Eine „Restauration der Mitte und der Vernunft“ sei notwendig.

Zum Generalthema des Medienforums "Die zerrissene Welt - radikale Entwicklungen und alte Feindbilder im neuen Europa" kritisierte Kern den Mangel an Zukunftsstrategien der EU. Die EU müsse selbstbewusster im globalen Wettbewerb auftreten. Wirtschaftlich sei die EU immer noch das stärkste Bündnis der Welt. Aber selbst wenn das EU-Forschungsbudget zuletzt um ein Drittel erhöht worden sei, sei jenes der zwei größten IT-Konzerne der USA alleine genommen schon höher. „Wir geben in Europa noch immer mehr Geld für Kühe als für Mikrochips aus“, kritisierte Kern.

Die Innenpolitik gehe ihm nicht ab. „Ich erlebe im Moment eine Phase, wo der Phantomschmerz gegen Null geht.“ Zur Debatte um Parteichefin Pamela Rendi-Wagner wollte Kern nicht Stellung nehmen.

Das neue Buch seines früheren Rivalen um den Parteivorsitz, Gerhard Zeiler, werde er nicht lesen. „Diese Lektüre werde ich mir nicht antun“, so Kern. „Wer mich beleidigen kann, den suche ich mir selber aus.“

"Ticketing der Zukunft"

Als Manager von Firmen im IT-Bereich sei er oft in Israel unterwegs. Dort hätten junge IT-Experten keine Scheu, auch globalen Konzernen neue Entwicklungen vorzuschlagen. Vor kurzem habe er einen jungen Israeli getroffen, der ein neues System des Ticket-Ausstellens für Eisenbahnen ausarbeiten wolle. Das Eisenbahnnetz in Israel sei aber nicht größer als das werkeigene der VOEST. „Und trotzdem traue ich dem zu, dass er tatsächlich das Ticketing der Zukunft entwickelt.“

profil-Redakteur Otmar Lahodynsky mit Christian Kern

Ex-Außenministerin Karin Kneissl sprach im Eröffnungsreferat der Tagung über die zunehmende Spaltung der Welt. 2013 prognostizierte die Nahostexpertin in ihrem Buch "Die zersplitterte Welt" für Europa sowohl einen Rechtsruck wie auch den Brexit. "Ich habe recht behalten. Dafür braucht man keine Glaskugel." Der Globalisierung stünden Rufe nach Abschottung und Nationalismus gegenüber. Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder die NATO würden durch ihre eigenen Mitglieder geschwächt und blockiert. Der Multilateralismus sei so weitgehend zum Erliegen gekommen, erklärte Kneissl.

Der frühere deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der nun als Unternehmensberater tätig ist, rechnet mit der Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump. Die Ukraine-Affäre werde die Stimmungslage in den USA nicht umkrempeln. "Ich glaube, wir werden das blonde Glück noch weitere vier Jahre haben", sagte Gutenberg beim Mediengipfel in Lech. In der Debatte gab er auch an, neben der deutschen auch die österreichische Staatsbürgerschaft zu besitzen.