Innenminister Herbert Kickl will nur mit ausgewählten Medien zusammenarbeiten

Kickls Angriff auf die Medienfreiheit

Pläne des Innenministeriums, gegen kritische Medien eine Info-Sperre zu verhängen und den Fokus in der polizeilichen Medienarbeit stärker auf Ausländerkriminalität zu legen, sorgen für Kritik von Medien und Opposition.

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"Kurier" und "Standard" hatten über ein Mail des von Kickl eingesetzten Ministeriumssprechers an diverse Polizeidienststellen berichtet, wonach die Kommunikation mit kritischen Medien wie "Kurier", "Standard" oder "Falter" auf das Nötigste - rechtlich vorgesehene - Maß zu beschränken sei und es keine "Zuckerl" geben soll, weil diese Medien laut Innenministerium einseitig und negativ berichten würden. Als positives Beispiel werden in dem Schreiben hingegen vom Innenressort abgenommene Polizei-Formate des Privatsenders ATV genannt.

Darüber hinaus wird in dem Schreiben darauf hingewiesen, bei der polizeilichen Medienarbeit künftig generell die Herkunft von Tätern zu nennen und Sexualdelikte, die in der Öffentlichkeit begangen werden, offensiver zu kommunizieren. Das Innenministerium will damit den Fokus stärker Richtung Ausländerkriminalität richten.

Kanzler Kurz kritisiert Innenministerium

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) übte am Rande der UNO-Generalversammlung in New York Kritik an den im Innenministerium gewälzten Überlegungen einer Info-Sperre gegen kritische Medien. Es dürfe durch Kommunikationsverantwortliche keine Ausgrenzung gewisser Medien geben, betonte Kurz.

"Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel", so Kurz' Botschaft in Richtung Innenminister Herbert Kickl vom Koalitionspartner FPÖ.

"Anregungen ohne Verbindlichkeitscharakter"

Das Ministerium versuchte nach Bekanntwerden des Papiers - wie schon in der BVT-Affäre - vor allem den Eindruck zu vermitteln, dass der politisch verantwortliche FPÖ-Minister mit dem Vorgehen seiner Mitarbeiter und Beamten nichts zu tun habe. Kickl sei "weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung", hieß es in einer Aussendung. Die durchgesickerten Pläne wurden als "Anregungen und Kommentare ohne jeden Verbindlichkeits- oder gar Weisungscharakter" bezeichnet. Zugleich wurde in der offiziellen Ministeriumsaussendung aber festgehalten, dass der "Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien" angesichts der Berichte über die Pläne des Ministeriums "nicht aus der Luft gegriffen" seien.

"Kurier"-Herausgeber Helmut Brandstätter warf dem Innenminister unterdessen versuchte Manipulation der Öffentlichkeit vor. Das Recht der Bevölkerung auf Information soll beschnitten werden. "Der Innenminister und andere Kräfte in unserem Land wollen nicht akzeptieren, was das Wesen des Journalismus ist." Investigativer Journalismus kläre die Öffentlichkeit auf, indem er Informationen der Regierung und privater Institutionen bekannt mache, die diese sonst unterdrücken würden, zitierte Brandstätter aus den Leitlinien des berühmten Pulitzer-Preises. "Unsere Demokratie darf nicht in Dunkelheit sterben, nur weil sich ein Minister zu schwach fühlt, Kritik auszuhalten und offenbar ungeeignet für dieses sensible Amt ist."

"Kickl hat wohl Probleme mit der Pressefreiheit"

Beim "Standard" sprach man von einem "Frontalangriff auf die Medienfreiheit". Kritik am Innenministerium kam auch von Boulevardmedien. "Das ist eine deutliche (und nebenbei ziemlich stumpfsinnige) Grenzüberschreitung und brüskiert alle Medien, nicht nur die Genannten. Ich empfehle: Zurückziehen, Fehler eingestehen, Sicherstellung der professionellen Zusammenarbeit mit allen Medien", erklärte etwa "Heute"-Chefredakteur Christian Nusser via Twitter.

Harsch fielen auch die Reaktionen der Oppositionsparteien aus. "Kickl hat wohl Probleme mit der Pressefreiheit", meinte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hält die Kickl-Distanzierung von seinem Ressortsprecher nicht für glaubwürdig. "Kritische Medien werden in ihrer Information eingeschränkt, Propaganda raufgefahren und die Bevölkerung besonders über Sexualdelikte von Ausländern informiert. So geht Demagogie, so wiegelt man ein Volk auf. Das ist demokratiegefährdend. Kickl ist ein echtes Risiko geworden", monierte Meinl-Reisinger auf Twitter.

Die NEOS planen in Nationalratssitzung am Mittwoch eine Dringliche Anfrage und einen Misstrauensantrag - die Liste Pilz stellt in einer parlamentarischen Anfrage 50 Fragen an Kickl.

Soziologe: Versuch Medien strategisch zu steuern

Der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl sieht in einem viel kritisierten E-Mail aus dem Innenministerium zum Umgang mit Medien und Informationen einen Versuch, Berichterstattung "strategisch zu steuern, um Vorurteile und falsche Einstellungen zu verstärken". Es gehe um "die Vorherrschaft im öffentlichen Diskurs", meinte er auf APA-Anfrage.

"Medienpolitik und Öffentlichkeitsarbeit sind in allen Ministerien, und ganz besonders unter dieser Regierung, ein absolut zentrales Thema", konstatierte Kreissl, Geschäftsführer des Vienna Centre for Societal Security (VICESSE). Die Annahme, das - nunmehr einem einzelnen Sprecher des Innenministeriums zugeschriebene - Mail sei "nur mal so rausgestürzt, ist in hohem Maße unwahrscheinlich".

"Eine verantwortungsvolle Informationspolitik ist wichtig, um eine realistische Einschätzung möglich zu machen", betonte Kreissl. Die Aufgabe müsse sein, eine aufgeklärte Haltung der Bevölkerung zu fördern. "(Innenminister Herbert, Anm.) Kickl dreht das praktisch um", sagte der Kriminalsoziologe.