Neuer alter Konflikt
Nepps Spitze könnte den schweren Konflikt vom August 2022 neu entfachen. Damals vermuteten viele in der Wiener FPÖ, Kickl wolle die Abgeordnete Dagmar Belakowitsch, Jeneweins Schwester, an die Spitze der Landespartei hieven; und Jenewein habe, so der schlimme Verdacht, die Anzeigen gegen seine Parteifreunde in Absprache mit Kickl verfasst.
Kickl geriet daraufhin schwer unter Druck. Eine Krisensitzung am 17. August 2022 bewahrte die FPÖ vor einer Eskalation. Nepp nahm Kickls Beteuerung, nichts mit der Anzeige zu tun zu haben, zur Kenntnis.
In ihrer Skepsis sahen sich die Wiener freilich bestätigt. Im Juni 2021 hatte Nepp – neben dem oberösterreichischen Parteiobmann Manfred Haimbuchner – gegen Kickls Aufstieg zum Parteichef opponiert, nachdem dieser Norbert Hofer aus dem Amt gemobbt hatte. Die Reserviertheit ist bis heute geblieben. Kickl hegt seinerseits nachhaltiges Misstrauen gegenüber der Wiener Landespartei. Kommunikation findet nicht statt.
Fährt Nepp bei der Wiener Gemeinderatswahl im Herbst 2025 ein Ergebnis von deutlich über 30 Prozent ein, entsteht ein neues Kraftzentrum in der FPÖ. Die Wiener Landespartei wird noch selbstbewusster gegenüber Kickl auftreten – es sei denn, dieser wird doch noch Bundeskanzler.
Auch die Salzburger Landesparteiobfrau und Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek lässt sich von Kickl nicht viel sagen. Gegen die explizite Vorgabe ihres Parteichefs beschloss sie mit der ÖVP eine Inflationsanpassung der Gehälter für die Bürgermeister im Land. Und Manfred Haimbuchner macht in Linz ohnehin, was er will.
Was weiß Kickl?
Für die Wiener FPÖ bedeutet Jeneweins Rückkehr ins Parlament einen Affront. Und wie vor zwei Jahren fragen sie sich: Steckt Herbert Kickl dahinter?
Fest steht, dass im FPÖ-Klub nichts ohne Wissen des Chefs passiert, auch wenn es aus der FPÖ gegenüber profil heißt, Jeneweins Job sei allein Sache des Abgeordneten Brückl. Verlangt es Kickl, würde dieser das Engagement wohl wieder auflösen.
Laut Gesetz darf jeder Abgeordnete als Dienstgeber einen parlamentarischen Mitarbeiter beschäftigen, der bis zu 3389 Euro brutto beziehen kann. Jenewein dürfte aber nur einen Teil davon verdienen.
Als Abgeordneter und auch als Klubmitarbeiter verdiente er deutlich mehr. Seit seinem Abschied aus der Politik im Jahr 2022 bestritt er seinen Lebensunterhalt aus den Erträgen der familieneigenen kleinen Landwirtschaft. Dazu schrieb er Kommentare im rechtskonservativen Magazin „Freilich“ der FPÖ-Akademikerverbände Steiermark und Salzburg.
Will ihm Kickl über den Job beim Abgeordneten Brückl ein Zusatzeinkommen verschaffen? Und was qualifiziert den Experten für innere Sicherheit Jenewein eigentlich für eine Tätigkeit beim FPÖ-Bildungssprecher? Brückl war für profil nicht zu sprechen, Jenewein ließ eine Anfrage ebenfalls unbeantwortet.
Abgeordnete der FPÖ, die anonym bleiben wollen, argumentieren, dass Jenewein aufgrund seiner Erfahrung mit parlamentarischen Abläufen für jeden Mandatar nützlich wäre. Gemutmaßt wird zudem, Brückl wolle seinem langjährigen Bekannten in einer finanziellen Notlage helfen.
Einsatz für den Minister
Zu den allerengsten Vertrauten von Kickl zählte Jenewein nie. Allerdings hielt er sich immer in dessen Umfeld auf und gilt als intelligenter politischer Kopf. Als Sicherheitssprecher war er mit der Praxis der Nachrichtendienste vertraut. Jenewein weiß, wie man Informationen sammelt, zum richtigen Zeitpunkt verwertet und – wenn notwendig – vernebelt.
Im April 2018 wurde er zum Fraktionsführer der FPÖ im BVT-Untersuchungsausschuss bestimmt. Dieser sollte die Hintergründe der Razzia im Verfassungsschutz vom 28. Februar 2018 aufklären, die von einer Anzeige aus dem Büro des damaligen Innenministers Kickl ausging. Jeneweins Aufgabe bestand darin, seinem Innenminister die Mauer zu machen. Chats belegen, dass er damals in regem Austausch mit Kickls Ministerbüro stand. Aus dieser Zeit stammen auch Jeneweins Kontakte zu Egisto Ott.
Im heurigen März wurde Ott in Zusammenhang mit der angeblichen Spionage für Russland vorübergehend festgenommen. Damit gerieten auch Jeneweins Beziehungen zum gestrauchelten Verfassungsschützer wieder ins öffentliche Interesse.
Jenewein ließ im April über seine Anwälte ausrichten, es sei ihm zu keinem Zeitpunkt bewusst gewesen, dass es sich bei Ott oder dessen Umfeld um Personen mit Verbindungen zum russischen Geheimdienst handeln könnte.
Doch die Volkspartei wollte dem keinen Glauben schenken und versuchte, im U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ über Jenewein eine Verbindung von Kickl zu Ott herzustellen.
„Wahrheitswidrige Angabe“
Am 11. April musste sich Kickl den Fragen der Abgeordneten im U-Ausschuss stellen. Dort gab der FPÖ-Obmann an, Jenewein sei „in keinerlei Beziehung zum Innenministerium und zu mir als oberstem Organ des Innenministeriums“ gestanden.
Die Volkspartei ortete Widersprüche. Der Abgeordnete Andreas Hanger brachte am 26. Juli eine 19-seitige Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien ein, in der er Kickl Falschaussagen vorwarf. Am 26. August wurde die Causa an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) abgetreten und geriet in der Öffentlichkeit in Vergessenheit.
Doch wie profil online berichtete, langte bei Nationalratspräsident Walter Rosenkranz am 6. November ein Ersuchen der WKStA ein, die parlamentarische Immunität von Herbert Kickl aufzuheben. In ihrem Schreiben hält die WKStA fest, Hangers Sachverhaltsdarstellung begründe „den Anfangsverdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung“ gegen Kickl.
Vor allem im Zusammenhang mit Kickls Darlegungen zu Inseratenvergaben vermutet die WKStA eine „wahrheitswidrige Angabe“. Der FPÖ-Chef hatte vor dem U-Ausschuss am 11. April ausgesagt, sich in seiner Zeit als Innenminister (Dezember 2017 bis Mai 2019) um Inserate „nicht gekümmert“ zu haben. Daher will die WKStA nun gegen den FPÖ-Obmann wegen Verdachts auf falsche Beweisaussage ermitteln, weist in ihrem Ersuchen aber selbst darauf hin, dass für Kickl die Immunität gelten könnte.
Drohende Auslieferung Kickls
Nationalratspräsident Rosenkranz muss die Causa nun dem Immunitätsausschuss des Nationalrats zuweisen, der dann einen Bericht an den Nationalrat erstellt, der endgültig über die Auslieferung zu entscheiden hat.
Die FPÖ-Abgeordneten wollen im Plenum geschlossen gegen die Auslieferung stimmen, da ein politischer Zusammenhang zu Kickls Abgeordneten-tätigkeit vorliege und er damit immun sei. Der FPÖ-Parteiobmann habe im U-Ausschuss wahrheitsgemäß ausgesagt, so ein Sprecher. Es handle sich „um ein politisches Manöver mit dem Ziel, Herbert Kickl zu schaden“. ÖVP und SPÖ wollen dem Auslieferungsersuchen der WKStA zuzustimmen.
Sollten die Abgeordneten Kickl tatsächlich ausliefern, könnte der FPÖ-Obmann wie der frühere Bundeskanzler Sebastian Kurz wegen Falschaussage auf der Anklagebank landen.
Hans-Jörg Jenewein weiß bereits, wie man sich dort fühlt. Er brachte sich und seine Partei immer wieder in die Bredouille. Im November 2017 besuchte er mit dem damaligen Linzer FPÖ-Vizebürgermeister Detlef Wimmer die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim. Selbst die FPÖ sah sich zu einer Rüge veranlasst.
Im September 2019 wurde bekannt, dass Jenewein ein T-Shirt der rechtsextremen Identitären gekauft hatte. Auf seinem Handy fanden die Ermittler nach der Hausdurchsuchung im September 2021 ein Foto eines T-Shirts mit Hitler-Konterfei, das Jenewein zugeschickt worden war, und von ihm mit „schönes Urlaubsmitbringsel“ kommentiert wurde. Laut Jeneweins Anwälten habe es sich um eine „sarkastische Bemerkung“ gehandelt.
Gefälschte Covid-Zertifikate
Ein weiterer Zufallsfund auf Jeneweins Handy brachte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in Schwierigkeiten. Die Ermittler stießen auf gefälschte Covid-Zertifikate aus dem Zeitraum von Mai bis August des Jahres 2021. Jenewein zeigte sich geständig. Im Juli fand dazu ein Prozess vor dem Bezirksgericht Purkersdorf statt, ohne Beisein von Jenewein und Hafenecker.
Ein FPÖ-Klubmitarbeiter sagte reumütig aus, er habe gefälschte Zertifikate bei Jenewein bestellt, damit Hafenecker, dessen Ehefrau und ein Freund ein Fußball-Spiel am 23. Juni 2021 in Budapest besuchen konnten. Diese Zertifikate seien als „Back-up“ gedacht gewesen, falls die echten Testergebnisse nicht einlangen würden.
Der Richter zeigte sich allerdings überzeugt, Hafenecker selbst habe den Mitarbeiter angewiesen, gefälschte Tests zu besorgen, und verurteilte den FPÖ-Generalsekretär – nicht rechtskräftig – zu einer Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro. Hans-Jörg Jenewein, Landwirt und nunmehr parlamentarischer Mitarbeiter der FPÖ, fasste eine Strafe in Höhe von 2000 Euro aus.