Interview

Klaudia Tanner: „Die Soldaten wurden von meinen Vorgängern gefährdet“

Die ÖVP-Verteidigungsministerin im Gespräch über die EU-Beistandspflicht, eine Koalition mit der FPÖ und die neuen Chats.

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Frau Ministerin, Sie sind noch gut ein halbes Jahr im Amt. Planen Sie zufällig eine Reise nach Estland?
Tanner
Ich hoffe ja, dass ich auch in der nächsten Regierung im Amt sein werde, aber eine Reise nach Estland ist nicht geplant.
Ich frage, weil Sie womöglich Gesprächsbedarf haben. Im März antworteten Sie auf die hypothetische Frage, ob Sie dem EU-Land Estland bei einem Angriff militärisch Hilfe anbieten würden: „Nein, nur humanitär.“
Tanner
Wir können das tun, was rechtlich festgeschrieben ist: Es gibt eine Beistandspflicht in der EU, aber auch die Möglichkeit, je nach Lage zu unterscheiden. Das habe ich gesagt.
Das bedeutet, Sie schließen militärische Hilfe in so einem Fall doch nicht aus?
Tanner
Es steht ja in den EU-Verträgen, dass es diese Möglichkeit gibt. Es gibt eine breite Palette. Man kann humanitär helfen, aber auch finanziell oder militärisch. Man sollte nicht die eine Hilfe gegen die andere ausspielen.
Aber würde zum Beispiel Deutschland angegriffen, schließen Sie nicht aus, militärisch zu helfen?
Tanner
Ich weiß nicht, warum man sich so auf diese Formulierung kapriziert – wohl weil man uns unterstellen will, als neutraler Staat der Beistandspflicht nicht nachzukommen. Ich formuliere es so, wie es auch unsere Militärs tun: Je nach Lage und Notwendigkeit ist die Entscheidung zu treffen, wie man der Beistandspflicht nachkommt. Sage aber als Ministerin dazu, dass ich humanitäre oder medizinische Hilfe vorziehen würde.
Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.