Linz

Klaus Luger: Abtritt eines Querkopfs

Nach der Brucknerhaus-Affäre ist Klaus Luger unter innerparteilichem Druck nun auch als Linzer Bürgermeister zurückgetreten. Mit ihm geht eine polarisierende Figur in der SPÖ.

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Es war ein Rücktritt auf Raten. Zuerst legte der rote Linzer Bürgermeister Klaus Luger seine Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Linzer Veranstaltungsgesellschaft LIVA zurück. Am Donnerstag legte er, nachdem er von Parteichef Andreas Babler dazu aufgefordert wurde, seine Parteifunktionen nieder – Freitagmorgen trat er schließlich auch als Bürgermeister zurück. 

Es ist eine verheerende Gemengelage, in die sich der Linzer Stadtchef in den vergangenen Monaten verstrickt hat. Im März dieses Jahres sind Vorwürfe gegen den Geschäftsführer der LIVA und den Brucknerhaus-Intendanten, Dietmar Kerschbaum, öffentlich geworden. Er habe In-sich-Geschäfte abgeschlossen und sich selbst – Kerschbaum ist Tenor – hohe Gagen ausbezahlt, hieß es unter anderem. Seine Bestellung soll außerdem geschoben gewesen sein – ihm sollen bereits vor seinem Hearing im Jahr 2017 die Fragen der Kommission zugespielt worden sein. Kerschbaum stritt das ab. 

Die Linzer Veranstaltungsgesellschaft (LIVA) verwaltet mit dem Brucknerhaus, dem Posthof, dem Kindertheater Kuddelmuddel und der Tips Arena einen Gutteil der kulturellen Veranstaltungsräumlichkeiten in Linz. Die LIVA ist Teil der Unternehmensgruppe Stadt Linz (UGL), dem größten Unternehmensnetzwerk im öffentlichen Eigentum in Linz. 

Bürgermeister Luger, auch Aufsichtsratsvorsitzender der LIVA, zeigte sich darüber empört: Wenn Kerschbaum die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht entkräften könne, dann müsse er gehen.

So kam es dann auch: Kerschbaum wurde Mitte März freigestellt und im Juli entlassen. Die entsprechende einstimmige Entscheidung des Aufsichtsrates wurde von Klaus Luger verkündet. Luger selbst habe im November 2023 von der Weitergabe der Fragen an Kerschbaum erfahren, und dann sogar ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, so der Bürgermeister in einem Interview mit den „Oberösterreichischen Nachrichten“: „[Kerschbaum] hat bestätigt, damals ein Dokument anonym per Post erhalten zu haben. Ich habe daraufhin eine Rechtsanwältin der Kanzlei Beurle beauftragt, diese Frage rechtlich zu beurteilen. Das Gutachten liegt vor, es sagt im Kern aus, dass es keine relevanten straf- oder arbeitsrechtlichen Einwände gibt.“

Nun steht fest: Kerschbaum hat das Dokument nicht anonym per Post erhalten, sondern vom Bürgermeister selbst, wie Recherchen der „Oberösterreichischen Nachrichten“ zeigen. Luger hat dies auch bereits per Aussendung eingeräumt: „Weil ich damals der Meinung war, dass er aus künstlerischer Sicht eine sehr gute Wahl für Linz sei [...] habe ich ihm im Vorfeld allgemeine Fragen zum Hearing weitergeleitet. Rückblickend bedauere ich mein Verhalten.“ In einer persönlichen Erklärung Freitagmittag ergänzte er: „Ich möchte mich ganz besonders auch bei jenen Menschen, die mir vertraut haben, entschuldigen. Ich ärgere mich selbst über diesen Vorfall, weil ich einen Anspruch, den ich grundsätzlich an mich selbst habe, in diesem einen Fall nicht erfüllt habe.“ Luger hielt auch fest, dass ihn nicht die Rücktrittsaufforderung von Andreas Babler zu seinem Rückzug bewegt habe, sondern das Bröckeln der Unterstützung in der Stadtpartei.

Klaus Luger muss jetzt also nach mehr als einem Jahrzehnt als Bürgermeister sein Büro im sogenannten „Alten Rathaus“ am Linzer Hauptplatz räumen. Dort hatte er wohl die Brucknerhaus-Affäre aussitzen wollen, so wie er zuvor schon andere Krisen überdauerte. 

Zum Beispiel die Linzer Akten-Affäre: In der Magistratsabteilung für Verwaltungsstrafen verjährten mehr als 3000 Akten – mitunter auch, weil die Behörde gar nicht tätig wurde. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelte in diesem Zusammenhang gegen sechs Beamte, darunter auch Luger, wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch. Die Ermittlungen wurden 2019 eingestellt.

Auch die berüchtigte Swap-Affäre überschattete Lugners Amtszeit, wiewohl er den langjährigen Rechtsstreit zwischen der Stadt und der Bawag stets als „schweres Erbe“ seines Vorgängers Franz Dobusch bezeichnete. 

Luger galt als machtbewusst und bei Teilen der oberösterreichischen SPÖ gar als unbeliebt. Er legte sich mit den ehemaligen Landesparteichefs Birgit Gerstorfer und Josef Ackerl an, auch zur Parteijugend stand er in keinem guten Verhältnis. Ihm wurde unter anderem wiederholt vorgeworfen, sich nicht ausreichend von den rechtsextremen türkischen Grauen Wölfen und dem Verein Avrasya zu distanzieren. Luger wies die Vorwürfe stets zurück. 

Das Verhältnis mit der Landespartei galt zwar seit der Übernahme von Michael Lindner vor zwei Jahren als weitgehend gekittet, dafür tat sich Luger mit dem neuen SPÖ-Chef Andreas Babler schwer. In der SPÖ-Vorsitzfrage unterstütze er Hans Peter Doskozil, von Babler distanzierte er sich: Vor allem an der Forderung nach einer 32-Stunden-Woche übte er Kritik, Tempo 100 bezeichnet er als „Symbolpolitik“. Im linken Flügel der SPÖ stieß er dafür zwar nicht auf übermäßige Gegenliebe, doch schätzten viele auch Lugers Pragmatismus und dass er nie scheute, Kritik auch gegen die Parteilinie öffentlich zu markieren. Zudem errang er Wahlerfolge, zuletzt gewann die SPÖ bei der Linzer Gemeinderatswahl 2021 dazu und rangierte bei 34,4 Prozent. 

In Linz wird nun ab September die bisherige Vizebürgermeistern Karin Hörzig die Amtsgeschäfte übernehmen, bis spätestens Mitte November: Die Neuwahl des Bürgermeisters durch den Gemeinderat muss innerhalb von drei Monaten stattfinden. Dabei dürfen nur Kandidaten aufgestellt werden, die bereits im Linzer Gemeinderat sitzen. Die SPÖ wird Dietmar Prammer nominieren. Die LIVA-Affäre könnte sich für Lugers Nachfolger zu jenem unbeliebten „Erbe“ gerieren, das die Swap-Affäre für den scheidenen Stadtchef darstellte.

Lena Leibetseder

Lena Leibetseder

ist seit 2020 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. Schreibt über Popkultur und Politik.