Es ist die stillste Zeit im Jahr, aber rund um die Regierungsverhandlungen wird das Getuschel lauter. Ein alter Kalauer aus dem Corona-Krisenmanagement wird bemüht: „Die nächsten Tage werden entscheidend sein.“
Während so manche in ÖVP und SPÖ munkeln, die neue Regierung könnte vor Weihnachten stehen, rechnet der Letztverantwortliche mit einem Angelobungsterminnach Neujahr. Er gehe „von Jänner irgendwann aus“, das sei normal, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Montag in einem skurrilen ORF-Auftritt, als er seinen Hund vor der Hofburg äußerln führte. An diesem Tag ließ sich das Staatsoberhaupt von den drei Parteichefs Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) über den Stand der Verhandlungen informieren.
Die eingesetzten Untergruppen mit ihren 300 Verhandlern haben ihre Arbeiten beendet. Über das Wochenende wird jeweils parteiintern gesichtet. Zu Wochenbeginn tritt die Steuerungsgruppe unter Leitung der Chefs zusammen, um die Knackpunkte zu diskutieren.
Abschluss im Jänner wahrscheinlicher
Der schiere Aufwand bei der Erstellung eines Koalitionsvertrags macht den Jänner-Termin wahrscheinlicher. Um spätere Streitereien zu vermeiden, muss das Regierungsprogramm möglichst detailliert festgelegt werden. Koalitionsfreie Räume wird es nicht geben.
Allerdings existieren einige Tricks, um auch ohne Einigung in wesentlichen Punkten einen Koalitionsvertrag abschließen zu können: Statt Lösungen werden dann im Regierungsprogramm Absichtserklärungen formuliert; oder für Streitfragen Arbeitsgruppen eingerichtet; oder pauschal Ziele und dazugehörige Fristen definiert. Das Problem: Ein solcher Kniff bedeutet später oft Zoff. Daher will die Mehrheit der Verhandler derartige Scheineinigungen vermeiden.
Im Jahr 2017 wurde am 15. Oktober gewählt, die neue – türkis-blaue – Regierung am 17. Dezember angelobt. Die Verhandler kamen schnell voran, große Meinungsverschiedenheiten bestanden von Anfang an keine. ÖVP und Grüne hatten nach der Wahl am 29. September 2019 deutlich mehr Gesprächsbedarf. Die Angelobung fand am 7. Jänner 2020 statt.
Kanzler Karl Nehammer wird nachgesagt, er würde die Koalitionsverhandlungen gern noch vor Weihnachten abschließen. Jedenfalls will er nicht später fertigwerden als sein Vorgänger als ÖVP-Obmann Sebastian Kurz vor fünf Jahren.
Seine Kollegen haben es weniger eilig. Beate Meinl-Reisinger sagte nach ihrem Besuch beim Bundespräsidenten, sie lasse sich „von niemanden treiben, was den Termin angeht“.
Spekulationen um Ministerposten
Eifrig wird bereits spekuliert, wer welche Ressorts besetzen könnte. Stand jetzt wird die ÖVP wohl sieben Ministerien (inklusive Bundeskanzler) erhalten, die SPÖ fünf und die Neos zwei. So gut wie sicher ist es, dass der pinke Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr Bildungsminister wird. Favorit für seine Nachfolge in Wien ist der Nationalratsabgeordnete Yannick Shetty. Beate Meinl-Reisinger könnte das Außenamt oder eine Art Zukunftsministerium mit den Agenden Forschung und Technologie übernehmen.
Die ÖVP hat eine Erbpacht auf das Innenministerium, Gerhard Karner könnte seinen Job behalten. SPÖ-Chef Babler wird Lust auf das Verteidigungsministerium nachgesagt. Bleibt es bei der ÖVP, darf sich Klaudia Tanner Hoffnung auf einen Verbleib im Amt machen. Allerdings wären dann bereits zwei schwarze Ministerien von Niederösterreichern besetzt, was die innerparteiliche Machtbalance in der ÖVP gefährdet.
Schwierig dürfte sich auch die Jobvergabe im Wirtschafts- und Finanzbereich gestalten. Die ÖVP wird wohl Anspruch sowohl auf das Finanzministerium als auch auf das Wirtschaftsministerium erheben und könnte im Gegenzug der SPÖ die Ressorts im Bereich Arbeit, Soziales, Pflege und Frauen überlassen. Als ministrabel gelten die Vorsitzende der SPÖ-Frauen Eva-Maria Holzleitner und Barbara Teiber, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten.
Roter Finanzminister?
Allerdings ist es wohl im Interesse der Sozialdemokratie, auch im weiten Feld der Wirtschaft mitreden zu können. Eine Variante: Das Finanzministerium geht doch an die SPÖ, die ÖVP stellt einen Finanzstaatssekretär. Favorit für das Amt des Finanzministers wäre der derzeitige Wiener Stadtrat für Finanzen und Wirtschaft Peter Hanke, der mit Karl Nehammer – was nicht schaden kann – gut befreundet ist. Hankes Verhältnis zu Bürgermeister Michael Ludwig gilt dagegen seit geraumer Zeit als schwierig. Ludwig wäre wohl gar nicht unfroh, Hanke in den Bund wegloben zu können.
Exzellent versteht sich Ludwig dagegen mit dem früheren ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz . Der Bürgermeister soll im Hintergrund kurbeln, dass Wrabetz Minister für Medien und Kultur auf einem roten Ticket wird. In der Bundes-SPÖ soll man davon aber wenig halten.
ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.