Wolf Ernstbrunn
Änderung der Berner Konvention

Können Wölfe in Österreich nun geschossen werden?

Der Ständige Ausschuss der Berner Konvention senkte am Dienstag den Schutzstatus des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“. Doch was bedeutet das für österreichische Jäger und die rund 100 Wölfe, die durchs Landesgebiet streifen?

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Naturschutz- und Jagdrecht sind in Österreich Ländersache. Geändert wurde nur die völkerrechtliche Ebene - nun müssen EU-Recht und nationales Recht nachziehen. Darüber muss der Rat der EU abstimmen.

Was wurde beschlossen?

Die Berner Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag und für ihre 50 Vertragsstaaten bindend, damit auch unter anderem für die EU und all ihre Mitgliedstaaten. Laut Landwirtschaftsministerium stimmten 38 Staaten für die Änderung.

Die EU setzt die Konvention mit der Flora-Fauna-Habitat-Richtine (FFH-Richtlinie) um. Nächster Schritt wäre eine Senkung des Schutzstatuses auf EU-Ebene, hier liegt das Vorschlagsrecht bei der neuen EU-Kommission. Dafür brauche es, so Umweltjuristin Marlene Schaffer vom Ökobüro, eine einstimmige Entscheidung des Rates der Europäischen Union. 

Aktuell wäre hier Umweltministerin Leonore Gewessler zuständig - eine ähnliche Situation, wie rund um das „Ja“ der Ministerin zum EU-Renaturierungsgesetz wäre möglich. Im Juni stimmte Gewessler für das Gesetz, der Koalitionspartner ÖVP fühlte sich hintergangen, brachte aber schlussendlich keine Klage ein.

Wie geht es nun weiter?

In drei Monaten wird die Änderung der Berner Konvention in Kraft treten, falls es nicht noch ein Veto durch ein Drittel der Vertragsstaaten gibt, so Umweltjuristin Schaffer.

Im Vertrag über die Arbeitsweise der EU ist auch festgelegt, dass sich Entscheidungen an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren sollen. Im November 2024 sprachen sich Wissenschafterinnen und Wissenschafter europäischer Umweltorganisationen gegen eine Senkung des Schutzstatusses aus, denn diese sei wissenschaftlich nicht vertretbar.

Selbst, wenn der Schutzstatus auch auf EU-Ebene herabgesenkt werden würde, wäre der Wolf in Österreich immer noch geschützt.

Denn erst im Juli 2023 stellte der EuGH fest, dass der Schutzstatus des Wolfes in Österreich ungünstig ist. Nur bei einem günstigen Erhaltungsstatus würde der Schutz für den Wolf fallen.

[D]och befindet sich die Wolfspopulation, wie die österreichische Regierung in ihren Erklärungen selbst eingeräumt und in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, dort nicht in einem günstigen Erhaltungszustand

Europäischer Gerichtshof, Juli 2023

Österreichs Noch-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) begrüßte die „Entscheidung” am Dienstag und sprach davon, dass der Wolf in Europa zurückgekehrt sei - auf die konkrete Situation in Österreich wurde nicht eingegangen. Auch Österreichs Jagd-Präsident Maximilian Mayr Melnhof schreibt in einer Aussendung von einem hohen Niveau der Wolfspopulation in „vielen Ländern Europas”.

Was ändert sich nun?

Mit der Herabsetzung des Schutzstatus in der FFH-Richtlinie wäre die Tötung von Wölfen nicht mehr grundsätzlich verboten und müsste daher nicht mehr mit Bescheiden oder Verordnungen erlaubt werden, so Schaffer. 

In Zukunft müsse Österreich die Tiere dann aber durch die Erlassung von Jagdverboten oder Schonzeiten weiterhin schützen, das würde bei den Bundesländern liegen, so die Juristin weiter.

Mit Änderung der FFH-Richtlinie bräuchte es Änderungen der Landesgesetze (Jagdgesetz oder Naturschutzgesetz). Denkbar wäre ein Jagdverbot, da der Erhaltungszustand des Wolfes in Österreich nicht gut ist. Dann wäre jeder Abschuss ein Rechtsbruch, es sei denn, es gibt eine Abschussfreigabe via Bescheid. Für vorstellbar hält Schaffer auch die Definition einer Schonzeit im Jagdgesetz: Wird ein Wolf innerhalb dieser Zeit geschossen, dann handelt es sich um einen Rechtsbruch, der unter anderem auf Basis des Verwaltungsstrafrechts geahndet werden würde.

Theoretisch gibt es auch andere Möglichkeiten für Bauern, ihr Eigentum vom Wolf zu schützen: Herdenschutz durch Hunde oder Zäune. Beides steht nicht im Fokus der österreichischen Politiker. 

Bei einer Entscheidung der EuGHs im Juli 2024 zu einer Abschussverordnung der Tiroler Landesregierung, wies der Gerichtshof auch explizit darauf hin, dass Schutz vor Wölfen nicht nur schießen bedeutet.

Eine EU-Beschwerde gegen Österreich und ein Vertragsverletzungsverfahren sind weiter möglich, wenn Österreich sich nicht an europäisches Recht hält.

Der Verwaltungsgerichtshof hat außerdem in einer Entscheidung zu Gamswild klargestellt, dass auch die Anordnung von Zwangsabschüssen „bloß” geschützter Arten bekämpfbar für anerkannte Umweltorganisationen sein muss.

Abkehr vom Artenschutz

Die FFH-Richtlinie hat zum Ziel, einen günstigen Erhaltungszustand der Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse herbeizuführen. Der Wolf ist eine solche Tierart und beginnt sich in Österreich gerade erst wieder anzusiedeln, so Marlene Schaffer vom Ökobüro. Die EU würde abkehren von einem Ziel, das noch nicht mal erreicht sei.

Der Wolf in Österreich

Österreich hätte bei seinem EU-Beitritt 1995 eine Ausnahme bei der FFH-Richtlinie erarbeiten können, hat das aber nicht getan. Es gab keine Wölfe, erste Tiere wurden 2009 nachgewiesen, seit 2016 gibt es am Truppenübungsplatz Allentsteig in Niederösterreich ein Rudel. 2023 gab es in Österreich sechs Wolfsrudel, es wurden 104 Wölfe nachgewiesen.

Laut einer Studie des Norwegischen Institut für Naturforschung gab es in Europa und Nordamerika zwischen 2002 und 2018 insgesamt 12 Attacken von Wölfen auf Menschen, zwei davon endeten tödlich. Bei einer Wolfspopulation von 15.000 in Europa gab es in diesen 18 Jahren keine Angriffe auf Menschen, laut dem Institut ist die Wahrscheinlichkeit für eine Wolfsattacke nicht null, aber zu gering, um sie zu berechnen.

In Österreich gibt es keine Berichte oder Daten zu Übergriffen von Wölfen auf Menschen.

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

Seit Dezember 2024 im Digitalteam.