Chef der Anti-Korruptionsakademie (IACA) wegen Korruptionsverdacht suspendiert
Die International Anti-Corruption Academy (IACA) in Laxenburg, einer niederösterreichischen Gemeinde im Süden von Wien, sollte einer der saubersten Orte der Welt sein. Immerhin haben sich ihre Mitglieder – 80 Länder und Organisationen – dem globalen Kampf gegen die Korruption verschrieben.
Geleitet wird diese internationale Organisation seit 2020 vom österreichischen Spitzendiplomaten Thomas Stelzer – oder viel mehr: wurde. Denn ausgerechnet der 68-jährige ist nun selbst mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, wie profil erfuhr. In einer anonymen Anzeige soll von privaten Reisen, die als berufliche deklariert wurden, und falsch verrechneten Spesen die Rede sein. Außerdem sollen zweckgewidmete Gelder nicht für die vorgesehenen Projekte genutzt worden sein. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt bestätigt auf Anfrage, dass sie einen Anfangsverdacht prüft.
profil erreichte Thomas Stelzer am Telefon. Er sagt, er selbst habe die Anzeige noch gar nicht zugestellt bekommen, habe jedoch "sofort die diplomatische Immunität zur Verfügung gestellt, um die Aufklärung nicht zu verzögern". Was er über die anonymen Anschuldigungen bisher in Erfahrung bringen haben könne, sei "inhaltsleer und strafrechtlich nicht relevant". Er sei "selbst am allermeisten daran interessiert, dass diese rasch und lückenlos" aufgeklärt werden. Mit seiner Suspendierung als IACA-Dekan habe der Verwaltungsrat "keine disziplinarischet, sondern eine vorsorgliche Maßnahme" gesetzt. Nachsatz: "Ich hoffe, bald in meinen Job zurückkehren zu können."
Schatten auf einer glanzvollen Karriere
Das IACA-Gremium hatte von den Anschuldigungen aus dem Außenministerium erfahren und trat umgehend zusammen. Aus einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber profil geht hervor, dass Stelzer am 25. Juli einstimmig von seiner Funktion abgezogen wurde. Zu konkreten Details könne man sich derzeit nicht äußern, "da die Akademie keine Partei im strafrechtlichen Verfahren ist" und deshalb auch "keine Kenntnis von den genauen Vorwürfen" habe.
Stelzers Suspendierung sei eine "vorläufige Verwaltungsmaßnahme, um sicherzustellen, dass eine mögliche Untersuchung von den österreichischen Behörden auf transparente Weise eingeleitet und durchgeführt werden kann, ohne dass ein Interessenkonflikt wahrgenommen wird." Für den abberufenen IACA-Dekan gelte "selbstverständlich die Unschuldsvermutung". Und: Auch wenn "die anonymen Vorwürfe nicht zu einer Anklage führen sollten", erforderten sie "seitens der IACA als Anti-Korruptions-Akademie eine starke institutionelle Reaktion". Auch intern wurde eine Überprüfung eingeleitet. Allerdings würde diese "dadurch erschwert, dass IACA bis dato keine Kenntnis von den genauen Vorwürfen gegen Herrn Stelzer hat".
Mit den Agenden des Dekans betraute das Gremium vorübergehend den Polen Jaroslaw Pietrusiewicz, der bisher für die Außenbeziehungen zuständig war.
Die bis dato unbelegten Anschuldigungen gegen den bisherigen IACA-Dekan Stelzer werfen dunkle Schatten auf dessen glanzvolle, internationale Karriere. Stelzer studierte an den Universitäten Wien, Stanford, John Hopkins und an der School for Advanced International Studies in Washington. Er begann zunächst als Journalist, wechselte in den Auswärtigen Dienst der Republik Österreich, wurde als Ständiger Vertreter Österreichs zur Internationalen Atomenergie-Organisation entsandt, war Sekretär des Chief Executive Boards der Vereinten Nationen, kümmerte sich in der Botschaft in New York um internationale Sicherheit und Abrüstungsfragen und wurde zuletzt als Botschafter nach Portugal berufen.
Starke "institutionelle Reaktion"
2020 folgte er Martin Kreutner als IACA-Leiter nach und ist seither in Personalunion sowohl Dekan als auch Generalsekretär in Laxenburg. Am Campus werden Vertreter des öffentlichen und privaten Sektors im Kampf gegen die vielen Spielarten der Korruption – von Untreue bis Freunderlwirtschaft – geschult. Die Organisation entsprang einer Kooperation des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), der Republik Österreich sowie der europäischen Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF. Die Gründungskonferenz fand im Herbst 2010 in der Wiener Hofburg statt. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon reiste eigens dafür an.
Stelzers Suspendierung könnte auch international für Aufmerksamkeit sorgen. Immerhin verfügt IACA über einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen und ist mit zahlreichen internationalen Institutionen – von der Weltbank bis zum Weltwirtschaftsforum – vernetzt.