Korruptionsverdacht: Ermittlungsverfahren gegen Kickl und blaue Ex-Minister
Vergangene Woche erhielt FPÖ-Klubobmann und Parteichef Herbert Kickl Post von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) an seine Parlamentsadresse. Es handelte sich um eine Mitteilung nach Paragraf 50 Strafprozessordnung, in der Kickl darüber informiert wurde, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, das auf seine Zeit als Innenminister zurückgeht. Die Verdachtslage: Untreue gegenüber der Republik Österreich in Zusammenhang mit der Vergabe von Inseraten an die Mediengruppe Österreich (MGÖ) des Verlegers Wolfgang Fellner.
Der Hintergrund: Während der Regierungsbeteiligung der FPÖ in der türkis-blauen Koalition (Dezember 2017 bis Mai 2019) existierte eine FPÖ-interne Chatgruppe, zu der auch blaue Minister gehörten. Von profil vor drei Wochen veröffentlichte Chats belegen Vizekanzler Heinz-Christian Straches Unmut über Wolfgang Fellners TV-Sender Oe24, da dort wiederholt der frühere FPÖ-Politiker Ewald Stadler auftrat und die Blauen kritisieren durfte. Strache überlegte einen Inseratenstopp gegen die MGÖ. Nach einem zunächst etwas holprigen, am Ende aber doch klärenden Austausch zwischen Strache und Fellner wurde dieser allerdings zurückgenommen:
Fellner versuchte zu beruhigen: Mölzer sei auf Urlaub, daher sei Stadler eingesprungen.
In der blauen Chatgruppe schrieb Strache im Frühjahr 2019: „Bitte weiter bei Fellner schalten. Wir haben es geklärt! Er kommt uns entgegen.“
Kein Anfangsverdacht aus Sicht der WKStA
Der WKStA prüfte im heurigen März, ob es zuvor und auch als Folge der Chats zu überhöhten Inseratenausgaben blauer Ministerien für die Mediengruppe Österreich kam. Dazu griff sie auf Daten der Medienbehörde KommAustria zu. In einem profil vorliegenden Analysebericht vom 10. April 2024 schreibt die WKStA von einer „merklichen Bevorzugung der MGÖ“ durch FPÖ-Ministerien. Allerdings sei „die Datenstruktur zu grob, um zahlenmäßige Auswirkungen“ der Strache-Chats auf das Inseratenaufkommen erfassen zu können. Die Suppe war aus Sicht der WKStA also zu dünn, sie sah keinen Anfangsverdacht, wie sie der Oberstaatsanwaltschaft Wien in einem Vorhabensbericht vom 15. April mitteilte – wohl auch, weil die FPÖ kurze Zeit nach dem Strache-Chat ohnehin aus der Regierung flog. Doch die Oberstaatsanwaltschaft beurteilte die Lage anders und forderte die WKStA am 18. April auf, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Das Schreiben wurde in roten Lettern mit dem Zusatz „Sehr dringend! Mögliche Verjährung“ versehen.
Bundesamt für Korruptionsbekämpfung ermittelt
Ermittelt wird nun gegen Wolfgang Fellner und Heinz-Christan Strache wegen Bestechung und Bestechlichkeit. Gegen die früheren FPÖ-Minister Herbert Kickl, Norbert Hofer (Verkehr), Mario Kunasek (Verteidigung) und Beate Hartinger-Klein (Soziales) wird wegen Untreue ermittelt, da sie auf Anweisung von Strache in ihren jeweiligen Ministerien Inserate für die MGÖ beauftragt haben sollen, an „deren Inhalten kein konkretes Interesse der Öffentlichkeit bestand und die darauf abzielten, eine für die FPÖ wohlwollende Berichterstattung in diversen Medien zu sichern und die Imagepflege zu fördern“, so die WKStA in ihrer Mitteilung an Kickl. Mit ihrem Verhalten hätten die blauen Minister „in unvertretbarer Weise gegen die dem Vermögensschutz der Republik Österreich dienenden Bestimmungen“ verstoßen. Nach der ÖVP muss sich nun also auch die FPÖ mit Ermittlungen wegen mutmaßlicher Inseratenkorruption herumschlagen.
Die Freiheitlichen weisen die Vorwürfe in ersten öffentlichen Reaktionen zurück. Inseratenschaltungen in FPÖ-Ministerien seien nach rein sachlichen Kriterien erfolgt. Es sei der „tiefe Staat“ in der Justiz am Werk, die „von der ÖVP unterwanderte Oberstaatsanwaltschaft Wien“ erledige ein „schmutziges Geschäft“. Schließlich hätte die WKStA keinen Anfangsverdacht gesehen. Auch Wolfgang Fellner bestreitet jedes Fehlverhalten. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Die WKStA beauftragte das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung mit Ermittlungen.