Investigativ

Kronzeuge Thomas Schmid: Wer jetzt aller zittern muss

Der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, belastete Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und andere hochrangige Persönlichkeiten schwer. Auf die Entscheidung, ob er offiziell Kronzeugenstatus erhält, musste er zwei Jahre lang warten. Alle Versuche, es zu verhindern, schlugen fehl.

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Es ist der Stoff, aus dem Streaming-Dienste mehrteilige Serien produzieren: Ein mächtiger und skrupelloser Kanzler-Vertrauter wird innerhalb weniger Jahre zunächst zum Buhmann der Nation, dann zum reuigen Sünder – und letztlich zum geläuterten Helfer der Justiz. So oder ähnlich würden Netflix & Co. wohl den Weg des früheren Generalsekretärs des Finanzministeriums, Thomas Schmid, in Szene setzen. Auch wenn Schmids Werdegang in der Realität durchaus differenziert zu betrachten ist und nicht wirklich zum Heldenmythos taugt, lässt sich festhalten: Kaum jemand hat in den vergangen fünf Jahren in Österreich für mehr Aufregung gesorgt als er – und sein Handy. Und damit ist wohl noch länger nicht Schluss.

Am Donnerstag gab die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bekannt, dass die Justiz Schmid nunmehr offiziell Kronzeugenstatus zuerkannt hat. Eine Nachricht, über die sich manche sicher ganz und gar nicht gefreut haben. ÖVP-Insider Schmid – zuerst Generalsekretär im Finanzministerium, dann Chef der Staatsholding ÖBAG – hat in einer ganzen Reihe aufsehenerregender Polit-Causen umfangreiche Geständnisse abgelegt und andere Personen belastet. Der Kronzeugenstatus führt nun dazu, dass er selbst straffrei bleibt. Er muss 260.000 Euro als Anteil an den Verfahrenskosten und für teilweise Schadenswiedergutmachung bezahlen – für den ehemaligen Spitzenverdiener sicher verkraftbar. Und er muss weiterhin mit den Ermittlern zusammenarbeiten und zur Aufklärung möglicher Straftaten beitragen. Verbleibender Wermutstropfen: Vor allfälligen Schadenersatzansprüchen schützt der Status nicht.

Betroffen von den relevanten Causen ist das Who’s Who der Republik. Ein kleiner Auszug in alphabetischer Reihenfolge: Ex-Immobilien-Tycoon René Benko, „Kronen Zeitung“-Chefredakteur Christoph Dichand, „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand, die „Österreich“-Macher Helmuth Fellner und Wolfgang Fellner, Investor Ronny Pecik, Ex-Finanzminister Hans-Jörg Schelling, der geschäftsführende ÖVP-Klubobmann August Wöginger, Unternehmer Siegfried Wolf – und allen voran natürlich der frühere Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Betont sei: Alle haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Nicht alle sind von den gleichen Verdachtslagen betroffen. Es geht unter anderem um den Vorwurf der Inseratenkorruption, um – möglicherweise verbotene – Posten-Deals und um mutmaßliche Einflussnahmen auf Steuerverfahren.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).