Küssel-Vertrauter als Security im BVT-Ausschuss
Was bisher geschah: Freitagnachmittag berichteten profil online und „Der Standard“ auf Grundlage gemeinsamer Recherchen, dass im Parlament seit zumindest einem Monat ein Sicherheitsmann eingesetzt war, der enge Kontakte ins rechtsextreme Milieu unterhält und zum inneren Kreis um den inhaftierten Gottfried Küssel gezählt wird. Als Security hatte er nicht nur Dienst an der Sicherheitsschleuse der Hofburg, er hatte auch Zugang zum Medienraum des laufenden BVT-Ausschusses, in welchem die Journalisten arbeiten und die Befragungen der Auskunftspersonen live übertragen werden.
Mittlerweile dienstfrei gestellt
Auf Anfrage der recherchierenden Medien teilte der Sprecher der Parlamentsdirektion Karlheinz Grundböck gestern mit, dass der Mann für eine externe Sicherheitsfirma arbeite, die sich vertraglich verpflichtet habe, jeden für das Parlament abgestellten Mitarbeiter einer „Sicherheitsüberprüfung“ zu unterziehen. Das sei auch ohne Beanstandungen geschehen. Beim Vertragspartner der Parlamentsdirektion handelt es sich um den international tätigen Sicherheitsdienstleister G4S. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte gestern, dass der Mann seit 5. Februar 2018 für G4S arbeite und wie alle anderen im Parlament eingesetzten Personen einer „Sicherheitsüberprüfung“ durch das BVT unterzogen worden sei. Mit Bekanntwerden der Vorwürfe wurde er dienstfrei gestellt.
Die Generaldirektorin für die Öffentliche Sicherheit Michaela Kardeis erklärte nun ihrerseits am Samstag, dass das BVT keine (vertiefende) „Sicherheitsüberprüfung“ auf Grundlage des Sicherheitspolizeigesetzes vorgenommen habe – vielmehr habe die Landespolizeidirektion Wien eine „Zuverlässigkeitsprüfung“ nach der Gewerbeordnung durchgeführt. Tatsächlich scheinen hier in der Eile Begrifflichkeiten und Kompetenzen unscharf getrennt worden zu sein (was im Ergebnis nur keinen Unterschied macht).
Auf „Zuverlässigkeit“ überprüft
Nach profil-Recherchen überprüfte die LPD Wien auf Antrag von G4S heuer 23 Mitarbeiter auf ihre „Zuverlässigkeit“ hin (Basis ist hier Paragraf 130 der Gewerbeordnung, der unter anderem das Bewachungsgewerbe regelt). Es handelt sich um eine vergleichsweise niederschwellige Form der Erhebung, bei welcher Strafregistereinträge abgefragt werden (genauer: strafrechtliche Verurteilungen, Fahndungen und polizeiliche Abschlussberichte im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren). Mehr sieht das Gesetz nicht vor.
Da der fragliche Mitarbeiter nicht vorbestraft ist, bekam er (wie auch die übrigen 22) eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Dies ungeachtet der Tatsache, dass schon eine einfache Google-Recherche eine Vielzahl von Hinweisen auf seine Verbindungen ins neonazistische Lager in Österreich und Deutschland liefert.
In einer profil vorliegenden Mitteilung der LPD Wien an G4S vom 30. Mai dieses Jahres heißt es: „Zu der gegenständlichen Vorlage wird mitgeteilt, dass hinsichtlich der im Betreff genannten 23 Personen(en) keine Umstände bekannt sind, die die erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung im Sinne der Gewerbeordnung ausschließen würde (sic!).“
In ihrer Presseaussendung legte die Generaldirektorin für die Öffentliche Sicherheit Kardeis nun Wert auf die Feststellung, dass für Mitarbeiter von Bewachungsunternehmen keine vertiefte „Sicherheitsüberprüfung“ vorgesehen sei, sondern eben nur eine Erhebung der „Zuverlässigkeit“: „Mitarbeiter, die in verfassungsmäßigen Einrichtungen wie dem Parlament oder in Unternehmen, die kritische Infrastruktur betreiben, eingesetzt werden, können darüber hinaus durch das BVT sicherheitsüberprüft werden.“
"Kein Antrag gestellt"
Laut Kardeis hätte dies aber nicht G4S, sondern der Auftraggeber, also die Parlamentsdirektion, veranlassen müssen. „Nach Auskunft des BVT wurde für die betreffende Person kein Antrag gestellt und daher auch nie eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt.“
Das nun wiederum erbost den Sprecher der Parlamentsdirektion Grundböck, einst Sprecher des Innenressorts. „Wir nehmen zur Kenntnis, dass hier vonseiten des Innenministeriums die semantische Frage diskutiert wird, wie und nach welchen Kriterien nun überprüft wurde. Im Endeffekt zählt für uns nur das Ergebnis. Und das Ergebnis lautet, dass eine Sicherheitsbehörde diesem Mann ein positives Zeugnis ausgestellt hat. Darauf haben wir uns verlassen.“
Und zu dem G4S-Mitarbeiter selbst? profil nennt seinen Namen aus medienrechtlichen Erwägungen nicht. Er ist Anfang 20, war ein Jahr beim Bundesheer, arbeitete vor G4S für mehrere Anbieter aus der Branche. Laut seinem Lebenslauf war er zwischen November 2015 und März 2016 an einem nicht näher ausgeführten „sicherheitspolitischen Assistenzeinsatz“ in Kärnten beteiligt („Grenzsicherung“ und „Ordnungsdienst“). Er hat einen Computerführerschein und eine Waffenbesitzkarte.
Security zählt zum engsten Kreis des inhaftierten NS-Verherrlichers Gottfried Küssel
Als Ordner im BVT-Ausschuss hatte er nicht nur Zugang zum Medienraum, in welchem er Journalisten über die Schulter und die Befragung von Auskunftspersonen live verfolgen konnte (zuletzt wurde ja im Ausschuss auch über verdeckte Ermittler in der rechten Szene geredet) – Journalisten ohne Parlamentsausweis müssen an der Eintrittsschleuse ihren Presseausweis hinterlegen, auf welchem die Privatadresse vermerkt ist.
Laut öffentlich zugänglichen Quellen darf er sich zum engsten Kreis um den derzeit inhaftierten NS-Verherrlicher Gottfried Küssel zählen und ist Mitglied einer deutschnationalen pennalen Burschenschaft. Im Internet sind Fotos zu finden, die ihn bei Neonazi-Events in Österreich und Deutschland zeigen. Zuletzt soll er am 13. Oktober – also während des bereits laufenden U-Ausschusses – in Ostdeutschland auf Gleichgesinnte gestoßen sein. Er trug dabei ein T-Shirt mit dem Schriftzug der stillgelegten Online-Plattform „alpen-donau.info“, einst Sprachrohr der österreichischen Neonazi-Szene.
Zu seinem Netzwerk zählt unter anderem auch eine Frau, deren Identität im Nachgang zu den Razzien im BVT am 28. Februar dieses Jahres öffentlich wurde. Der Name der Frau fand sich auf Datenträgern, die im Büro der Leiterin des Extremismus-Referats sichergestellt wurden. Die Referatsleiterin wird in diesem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren nur als Zeugin geführt.