Orakel an der Salzach
Die Salzburger Landeshymne wird nicht gegendert. Heißt es in der Bundeshymne "Heimat großer Töchter", wird in Salzburg das "Land unserer Väter" bejubelt. Das Bild vom konservativen Fürsterzbistum ist dennoch falsch. Eine absolute Mehrheit der ÖVP gab es, im Gegensatz zu schwarzen Hochburgen wie Tirol oder Niederösterreich, nur zwei Mal, von 1945 bis 1949 und von 1984 bis 1989.
Salzburg war auch die Wiege der Grünen. 1977 zogen sie in den Gemeinderat der Landeshauptstadt ein und 1982 in die Stadtregierung, als erste grüne Partei in Europa. Bei der Landtagswahl Jahr 2004 machten die Salzburgerinnen und Salzburger Revolution. Gabi Burgstaller besiegte die ÖVP und wurde SPÖ-Landeshauptfrau.
Auch bei der Landtagswahl am 23. April wird die ÖVP Stimmen verlieren. Politische Phänomene, die sich hier abzeichnen, können auch auf Bundesebene das politische Gefüge verschieben. In einem Band über die Ära von Wilfried Haslauer senior (1977 bis 1989) heißt es: "In Salzburg sind viele der auch in anderen Bundesländern beobachtbaren Konflikte früher, schärfer profiliert und folgenreicher zum Tragen gekommen als anderswo." Das Land ist eine Art politisches Orakel. Also, aufgepasst: fünf Thesen zur Salzburg-Wahl.
Die Ära der schwarzen Landesfürsten endet
Als Wilfried Haslauer (Jahrgang 1956) im Juni 2013 Salzburger Landeshauptmann wurde, war er der Novize unter den ÖVP-Fürsten. In Niederösterreich regierte Erwin Pröll (geboren 1946),in Oberösterreich Josef Pühringer (1949) und in Tirol Günther Platter (1954). Nur in Vorarlberg war der Generationenwechsel bereits vollzogen, Markus Wallner (1967) hatte Langzeit-Landeshauptmann Herbert Sausgruber abgelöst.
Wenn-was trotz absehbarer Verluste wahrscheinlich ist-der Landtag ihn nach der Wahl wieder zum Landeshauptmann wählt, wird Haslauer der Letzte der historischen schwarzen Langzeit-Landesfürsten sein. In Niederösterreich regiert mittlerweile Johanna Mikl-Leitner, in der Steiermark Christopher Drexler, in Oberösterreich Thomas Stelzer. In Tirol übergab im Herbst nach 14 Jahren im Amt Platter an Anton Mattle.
Haslauers Karriere begann mit einer Schmach. Nach der Niederlage gegen Gabi Burgstaller 2004 diente er neun Jahre lang als Stellvertreter. 2013 kam die Wende nach der Wende. Haslauer bildete eine Koalition mit Grünen und Team Stronach, das bei der Wahl 8,3 Prozent errungen hatte. Bei der Wahl 2018 profitierte die Salzburger ÖVP vom Höhenflug der Volkspartei unter ihrem neuen Kanzler Sebastian Kurz. Haslauer formte erstmals in Österreich eine Koalition aus ÖVP, Grünen und NEOS. Die "Dirndl-Koalition" war geboren.
Ihre Mehrheit dürfte sie am 23. April verlieren. Karl Nehammer zieht weniger als Sebastian Kurz. Kommt dann-zwangsläufig-auch an der Salzach Schwarz-Blau? Bisher hatte Haslauer ein Bündnis mit der FPÖ stets ausgeschlossen-und wird es wohl auch weiterhin tun. Den absehbaren Imageschaden will er sich am Karriereende eher ersparen. Stattdessen wird er wohl eine Koalition mit der SPÖ anstreben, so dieses Bündnis eine Mehrheit hat. Möglich wäre auch eine dritte Dreiervariante, mit SPÖ und Grünen oder NEOS.
Wie die Landeshauptleute in Niederösterreich und Kärnten leidet auch Haslauer unter den Krisen der vergangenen Jahre. "Wir haben eine diffuse Proteststimmung, die auf eine große Verunsicherung der Bevölkerung zurückzuführen ist in einer sich massiv ändernden Gesellschaft", sagt er. Dazu kommen hausgemachte Probleme. Die mehrheitlich im Besitz des Landes stehende Salzburg AG sorgte in den vergangenen Jahren mehrfach für negative Schlagzeilen, zuletzt wegen der hohen Strompreise. Ihr Aufsichtsratspräsident: Wilfried Haslauer.
Der Landeshauptmann verströmt eine seriöse Langeweile, die auf seine Wähler beruhigend zu wirken scheint. Das Image, bisweilen abgehoben und zu städtisch zu sein, verfolgt Haslauer allerdings ebenso. Es mag auch mit seinem Erscheinungsbild zu tun haben: feinste Seidenkrawatten, Maßanzüge, teures Schuhwerk. Den Grundsatz, dass ein Landeshauptmann repräsentativ auftreten müsse, erbte er von seinem Vater, der seine Landesbeamten schon rügte, wenn sie mit braunen statt schwarzen Schuhen ins Büro kamen.
Die FPÖ wird weiblicher
Aktuell hat die SPÖ unter ihren neun Landesparteivorsitzenden nur eine Frau: Gabriele Sprickler-Falschlunger in Vorarlberg. Das gleiche Bild bei der ÖVP: Nur in Niederösterreich gibt es mit Johanna Mikl-Leitner eine Chefin. Bei den Freiheitlichen ist es Salzburg, wo als einziges Bundesland eine Frau an der Spitze steht: Marlene Svazek, 30.
Es ist eine der überraschenderen Erkenntnisse der Obmannschaft von Herbert Kickl, der die FPÖ seit Juni 2021 führt. Die Freiheitlichen werden schön langsam weiblicher, nicht nur in Bezug auf ihre Repräsentanten, sondern auch beim Wahlvolk. Bei der Landtagswahl in Niederösterreich (FPÖ-Ergebnis: 24,2 Prozent) wählten unter den Männern 29 Prozent die FPÖ, unter den Frauen 22 Prozent. Bei den Frauen unter 44 waren es 24 Prozent. Die FPÖ spricht also nicht nur eher jüngere Männer an, sondern auch jüngere Frauen.
Frauenpolitik wird im FPÖ-Parteiprogramm im Kapitel "Familie und Generationen" abgehandelt. Darin bekennen sich die Freiheitlichen "zur Chancengleichheit von Männern und Frauen, zum gegenseitigen Respekt und zu einem gerechten Einkommen, unabhängig vom Geschlecht", lehnen aber "die Bevorzugung eines Geschlechts zur Beseitigung tatsächlicher oder vermeintlicher Benachteiligungen entschieden" ab. Die FPÖ-Sprecherin für Frauen und Gleichbehandlung, Rosa Ecker, äußert sich lieber zu Kindern und Familienpolitik als zu Emanzipation und Gleichberechtigung.
Marlene Svazek meinte bei einer ORF-Diskussion im Jahr 2019, der Feminismus habe auch ihr eine Karriere in der Politik ermöglicht. Mittlerweile gebe es aber Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern. Sie selbst redet offen über ihren Kinderwunsch-und dass sie zur Familiengründung die Politik verlassen würde.
Ebenso möglich ist es, dass Svazek in der Politik bleibt und irgendwann sogar FPÖ-Obfrau wird. An der Spitze der Bundespartei standen schon zwei Mal Frauen: zwischen 2000 und 2002 Susanne Riess, die zeitgleich auch Vizekanzlerin der ÖVP-FPÖ-Regierung war; und von 2004 bis 2005 Ursula Haubner, die Schwester von Jörg Haider.
Der Raum links öffnet sich
Laut aktuellen Umfragen könnten die Kommunisten die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Salzburger Landtag nehmen. Die Gruppe, die in Salzburg antritt, ist genau genommen ein politisches Start-up namens KPÖ-plus. Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl war einst Sprecher der Grünen Jugend, die der Parteispitze in Wien zu links war. Also dockten die jungen Grünen bei der KPÖ an. 2019 schaffte Dankl den Einzug in den Gemeinderat.
Die Kommunisten treten allerdings nicht wie Kommunisten auf. Statt Klassenkampf bieten sie Bürgerservice. Vorbild sind die Genossen in der Steiermark, die seit 2005 wieder durchgängig im Landtag sitzen.
Dass sich die Kommunisten links entfalten können, muss vor allem der Salzburger SPÖ zu denken geben. Von der Abwahl 2013 hat sich die Partei nie ganz erholt. Seit zehn Jahren sind die Sozialdemokraten nun in Opposition. 2020 löste Spitzenkandidat David Egger den glücklosen Walter Steidl ab, der bei der Wahl 2018 mit 20 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1945 verantwortete.
Aufgrund des Konflikts um Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ist die Ausgangssituation noch schwieriger. Es sei "ein unangenehmes Nebengeräusch", so Egger, der als Verbündeter von Hans Peter Doskozil gilt. Schon zu Beginn des Wahlkampfs war der burgenländische Landeshauptmann zu Gast in Salzburg. In einem "Presse"-Interview betonte Egger auch seine "inhaltliche Nähe" zu Doskozil.
Kommen die Kommunisten in den Landtag und verliert die SPÖ weiter, könnte dies das Match um die SPÖ-Spitze beeinflussen. Die Fans des linken Bürgermeisters von Traiskirchen Andreas Babler würden das Ergebnis als Bestätigung ihres Kurses sehen. Sollte Doskozil Parteichef werden, wird Babler deswegen nicht aus der SPÖ ausscheiden. Allerdings könnten seine Unterstützer Lust bekommen, eine eigene Plattform zu gründen und der SPÖ links Konkurrenz zu machen. Wie rasch sich dank Social Media ein neues politisches Projekt hochziehen lässt, zeigte Dominik Wlazny("Marco Pogo")bei der Bundespräsidentschaftswahl im vergangenen Jahr.
Viele wollen Klimaschutz, wenige wählen ihn
Bei der Landtagswahl am 5. Mai 2013 fuhren die Salzburger Grünen ein historisches Ergebnis ein. Sie erreichten 20,2 Prozent und wurden hinter ÖVP und SPÖ drittstärkste Kraft im Land. Nirgendwo sonst in Österreich gab es auf Landesebene eine derart einflussreiche Grünpartei. Der Sensationserfolg war ein Ausreißer nach oben, der auch eine Folge des Salzburger Finanzskandals von 2012 war, bei dessen Aufarbeitung sich die Grünen profiliert hatten.
Bei der Wahl 2018 wurden sie jedoch mehr als halbiert und erreichten 9,3 Prozent. Ein Jahr zuvor waren sie aus dem Nationalrat geflogen.
Die Ausgangssituation für den heurigen Wahlkampf war nicht gerade günstig. Im September 2022 trat Landeshauptmann-Stellvertreter und Salzburgs Grünen-Chef Heinrich Schellhorn zurück. Anlass waren Missstände in einem privaten Pflegeheim, für dessen Kontrolle Schellhorn als Sozialreferent verantwortlich war. Nachfolgerin und neue Spitzenkandidatin wurde Martina Berthold.
Dennoch werden die Grünen am 23. April ihr Ergebnis von 2018 wohl halten und damit immer noch stärker als die Kollegen in anderen Bundesländern sein. Bei der Wahl in Kärnten am 5. März verpassten sie mit 3,9 Prozent den Einzug in den Landtag. In Niederösterreich legten sie am 29. Jänner immerhin von 6,4 Prozent auf 7,6 Prozent zu. Die Erkenntnis daraus: Viele Bürgerinnen und Bürger wollen Klimaund Umweltschutz, aber nur wenige wählen ihn. Den Grünen im Bund dürften die evidenten politischen Erfolge in der Regierungsarbeit-Klimaticket, Bahnausbau, Förderung von Ökostrom-ebenfalls keinen Schub verleihen.
Nach wie vor sind die Grünen und ihr Chef Werner Kogler eine Partei für junge Bessergebildete. Bei der Wahl 2019 erreichten sie bei Akademikern 37 Prozent, bei den unter 30-Jährigen 27 Prozent und bei Großstädtern 19,5 Prozent. Insgesamt kamen sie auf 13,9 Prozent, das beste Ergebnis überhaupt. In der aktuellen profil-Umfrage liegen sie bei elf Prozent.
Durch Ukraine-Krieg und Teuerung wird der Klimaschutz als dringliches Thema verdrängt. In Salzburg könnten die Grünen nach zehn Jahren Machtbeteiligung wieder in der Opposition landen. Dann wären sie auf Länderebene nur noch in Vorarlberg Regierungspartei.
Die NEOS müssen zittern
Es war der Reiz des Neuen, der die NEOS vor fünf Jahren, bei ihrem erstmaligen Antreten, mit 7,2 Prozent gleich in den Salzburger Landtag brachte. Landeshauptmann Haslauer holte die Pinken in die Landesregierung. Landesrätin wurde Andrea Klambauer, 46, die für zentrale Bereiche wie Wohnbau, Familien, Wissenschaft, Frauen und Integration zuständig ist. Ganz rund lief es zuletzt nicht. Vor einem Jahr wählte der Landtagsklub den eigenen Obmann ab, der daraufhin zur ÖVP wechselte.
Von den Verlusten der ÖVP werden die Pinken nicht profitieren können. Bürgerliche Wähler, die die NEOS als Alternative sehen, sind bereits abgewandert. Ihr bestes Ergebnis auf regionaler Ebene fuhren sie 2019 in Vorarlberg mit 8,5 Prozent ein, auf nationaler Ebene bei der EU-Wahl 2019 mit 8,4 Prozent. In Kärnten schafften sie es nicht in den Landtag, in Niederösterreich kamen sie auf 6,7 Prozent. Mehr noch als die Grünen sind die NEOS unter Parteichefin Beate Meinl-Reisinger ein Programm für privilegierte Minderheiten und können außerhalb der Städte nur schwer punkten.
Liberale Parteien glauben zu wissen, dass sie in der Mitte stehen, allerdings weiß das die Öffentlichkeit nicht immer. Der Abgeordnete Nikolaus Scherak sagt: "Wenn ich mich zu Menschenrechtsthemen äußere, gelte ich als Linker. Wenn ich mich um Wirtschaftspolitik kümmere, werde ich als rechter Neoliberaler bezeichnet."
Aus NEOS-Sicht war die Nationalratswahl 2017 schicksalhaft. Sie mussten fürchten, zwischen SPÖ-Kanzler Christian Kern und dem neuen ÖVP-Chef Kurz aufgerieben zu werden. Mittlerweile habe man sich einen Kernwähler-Stock erarbeitet, heißt es. Die Gefahr, aus dem Nationalrat zu fliegen, sei gebannt. Allerdings könnte es in Salzburg eng werden. In einer Umfrage der "Salzburger Nachrichten" liegen die NEOS nur knapp vor den Kommunisten.