Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes,Welcher so weit geirrt nach der heiligen Troja Zerstörung,Vieler Menschen Städte gesehn und Sitte gelernt hatUnd auf dem Meere so viel unnennbare Leiden erduldet,Seine Seele zu retten und seiner Freunde Zurückkunft.Aber die Freunde rettet’ er nicht, wie eifrig er strebte;Denn sie bereiteten selbst durch Missetat ihr Verderben:Toren! welche die Rinder des hohen SonnenbeherrschersSchlachteten; siehe, der Gott nahm ihnen den Tag der Zurückkunft.Sage hievon auch uns ein weniges, Tochter Kronions.
Schule

Warum lernen unsere Gymnasiasten noch Latein und Altgriechisch?

Wozu Latein und Altgriechisch lernen? profil fragte bei drei Altphilologen nach – und Österreichs bester Griechisch-Schülerin.

Drucken

Schriftgröße

Karl Nehammer hat dieser Tage Stress mit den Grünen. Bekanntlich stimmte Umweltministerin Leonore Gewessler gegen den Willen des Bundeskanzlers  für das Renaturierungsgesetz der EU. „Die Emotion“ für ein Ende der Koalition „wäre da“, gab Nehammer freimütig zu. Zur Beruhigung könnte er bei den Klassikern nachlesen, etwa in Platons Ausführungen zur Tugend der Besonnenheit. Nehammer ist mit Platon sogar im Original vertraut. In einem profil-Interview im Jänner 2022 verwies er mit einem Anflug von Stolz auf „seine humanistische Prägung“. Denn: „Ich hatte noch Altgriechisch-Unterricht.“

Der dann wohl prominenteste Gräzist des Landes maturierte 1992 am Wiener Amerling-Gymnasium. Auch 32 Jahre später stehen die klassischen Sprachen Latein und Altgriechisch noch in den Lehrplänen der AHS und sind – freiwillige – Maturafächer. Aber braucht man sie noch für eine „humanistische Prägung“? Wie tot sind Latein und Griechisch?

„Totgesagte leben länger“, sagt Nina Aringer, Griechisch-Professorin an der AHS Gymnasiumstraße in Wien. Dazu lehrt sie Fachdidaktik am Institut für Altphilologie der Universität Wien. Vor allem Latein lebt. In den Gymnasien ist es nach Englisch die meistunterrichtete Fremdsprache. Latein lernen etwa 56.000 AHS-Schüler, Französisch 42.000. Von insgesamt 41.300 Maturantinnen und Maturanten traten im heurigen Mai laut Bildungsministerium immerhin 2164 zur schriftlichen Matura in Latein an. In Griechisch waren es allerdings nur 21 Kandidaten – österreichweit.

Eine davon ist Lena Moser vom Akademischen Gymnasium Salzburg. Im April gewann sie den Bundeswettbewerb Certamen Olympicum et Graecum in der Kategorie Griechisch. Ihr Interesse wurde durch die Sagen des Altertums geweckt, so Moser. Das Übersetzen sei für sie „eine Art Rätsellösen mithilfe von Grammatik und Wörterbuch“. Lena Moser: „Alles im Original lesen zu können, finde ich besonders bei philosophischen Texten toll, da man so die Möglichkeit erhält, den Inhalt selbst ein bisschen zu interpretieren.“

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.