profil-Redakteurin Christa Zöchling mit Laudatorin Lydia Mischkulnig bei der Verleihung des Wiener Journalistinnenpreises.

Laudatio für Christa Zöchling: Das Benennen soll helfen

Am 28. Oktober vergab das Frauennetzwerk Medien zum fünften Mal den Wiener Journalistinnenpreis. Dieses Jahr wurde profil-Redakteurin Christa Zöchling ausgezeichnet. Schriftstellerin Lydia Mischkulnig hielt die Laudatio.

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Von Lydia Mischkulnig Wien, 28. Oktober 2015

Es beschäftigt mich schon lange, wie das geht, einen Text zu schreiben, der nur für einen Tag oder für eine Woche hält, der rasch vergeht, weil die Kontextualisierung nicht mehr im Gedächtnis der Leserschaft ist, da das Blitzlichtgewitter der Aufmerksamkeit schon weiterzieht. Wie geistesgegenwärtig muss jemand sein, das wöchentlich zu vermögen?

Ich gebe zu, von Buch zu Buch, das ist eine Lebensweise, die anders viel Zeit kostet, wo die Relevanz zwischendurch verloren geht und man trotzdem dran bleibt. Texte erweisen sich erst Jahre nach ihrer Fertigstellung als gültig - dann waren sie es und bleiben es.

Gelegentliche Aufgaben, wie das Schreiben der Lobrede auf eine der profiliertesten Journalistinnen und Journalisten meiner Wiener Gegenwart, machen bewusst, dass die Wirklichkeit nicht nur entsteht, sondern ein „vor“ und „nach“ und „jetzt“ und „hier“ hat. Das Spezialgebiet der Journalistin, Historikerin und Germanistin und Buchautorin, ist die österreichische Innenpolitik. Waren es Haider, Strache, die Dünkellast der Kopf- und Herznazis, so blieb Christa Zöchling distanziert und den „Schmuddelkids der Politik“ (Joachim Riedl) pietätsvoll unerbittlich aufdeckerisch gegenüber.

Diese Intelligenz besitzt Strache nicht oder will sie nicht besitzen, was hart sein muss, zu hören und auszuhalten.

In ihren Recherchen und Schlussfolgerungen nie diffus, bedient sie nicht Sensationslust und sucht nicht Beifall heischend nach Gleichgesinnten. Sie ist nie anbiedernd im Stil, nie anschmiegsam in ihrer Kritik oder blind für Widersprüche. Ich habe den Eindruck, dass sie keinen Fanclub hat - dabei sollte sie ihn haben, zur Deckung, als Schutzschild gegen die Hetze, der sie zuweilen ausgesetzt ist.

Sie ist eine Jargon-Verweigerin, so dass sie als Solitär im österreichischen Journalismus erscheint. Als Einzelkämpferin, nein, als Einzelwahrnehmerin, die ihrer Strömung, dem Ton, ihres Denkens folgt, das Ihrer Erfahrung entspringt, die sie in der Recherche sucht, die ihr Urteilskraft verleiht, die sie sich herausnimmt, um zu benennen: Nämlich, dass Intelligenz bedeutet, als Politiker im Griff zu haben, was bei Wahlveranstaltungen im Publikum passiert. Diese Intelligenz besitzt Strache nicht oder will sie nicht besitzen, was hart sein muss, zu hören und auszuhalten. Ihr Befund ist unbestechlich, beruht auf Kriterien, die sie Woche für Woche in ihren dichten Berichten offenlegt.

Texte dieser Journalistin richten sich gegen die Zermürbungsrhetorik der Politik. Sie fordern die Verantwortung des Subjekts ein und heraus, was die Autorin auch als Haltung gegenüber den eigenen beruflichen Grundsätzen beansprucht. Zu wem und mit wem spricht sie? Zum Qualitätsleser, den Medienbeobachtern, den Kabinettsmitgliedern und den Funktionären, den Insassen der Parteizentralen, ja selbst mit dem Boulevard. Sie spricht wovon?

Meist von ihren Beobachtungen aus der Mitte und vom Rand der österreichischen Gesellschaft und was diese zusammenhält und auseinandertreiben lässt. So hält sie in ihren mit wenigen Strichen skizzierten Sozialstudien Veränderungen fest. Etwa die Zunahme der Aggression unter der Kernwählerschaft, die auf dem Viktor Adler Markt zu Tage tritt, wenn es zum Wahlauftakt der FPÖ kommt. Fakten heranzuziehen und in einen Bogen zu spannen, der aus Meinung Argument formt, zählt zu den Aufgaben der Journalistin. Argumente für wen?

Man kann sich Watschen holen, Bewunderung, für immer eingeschüchtert sein, oder die Zuversicht entwickeln, dass in einem der Mut und die Selbstbehauptung stecken, woraus Selbstachtung resultiert.

Für den Diskurs, den sie als gesellschaftspolitischer Motor mit setzt und der öffentlichen Kommunikation zur Verfügung stellt, um Freiheit auszuloten und Vermessenheit aufzuzeigen und zur Sprache zu bringen, wo die Macht korrumpiert und geschmiert wird. Fiktive Literatur arbeitet Wirklichkeit in eine Parallelwirklichkeit um. Journalismus hingegen ist der aktuellen Faktizität verschrieben und wirft Fragen um die herrschenden Verhältnisse auf, mit dem Ziel, deren Absicht, Fehlbarkeit und Nutzlosigkeit sichtbar zu machen und Kraft des Wortes sofortige Änderung als Wirkung zu verlangen. Wirklichkeit aus Wirklichkeit zu schaffen? Das Wort ergreifen ja viele.

Aber nur wenigen gelingt es, für ihr Wort einzustehen. Qualitätsjournalismus betrachte ich als „littérature engagée“. Sie fordert das ganze Leben und ich glaube, Kunst tut das auf den Einzelnen wirkend und gesellschaftsprägend auch, aber in ihrer Vielfalt und Langsamkeit, die in diesen Zeiten der Oligarchisierung durch Konzerne und Wirtschaftskonzentrationen auf dem Spiel stehen.

Aufgewachsen in „nicht bester Familie“, wie Christa Zöchling über sich selbst schreibt, in Graz, meiner ersten Studienstadt, wo noch anfangs der achtziger Jahre der Griesplatz als ein Rotlicht und Stritzimilieu verschrien war und sich die Szene ereignet haben muss, die sie zur Fragerin gemacht hat, zur Wortergreiferin, die jeden angehenden schreibenden Menschen einmal ereilen muss, wo man erlebt, dass das Wort Macht hat.

Die Konsequenzen sind natürlich zu tragen. Man kann sich Watschen holen, Bewunderung, für immer eingeschüchtert sein, oder die Zuversicht entwickeln, dass in einem der Mut und die Selbstbehauptung stecken, woraus Selbstachtung resultiert. Man kann sich ins eigene Wort verlieben, sich selbst missverstehen, dann wird es langwierig mit dem Verstehen. Wir reden viel übers Schreiben, vor allem vom Druck, den wir spüren, wenn die Probleme als Fragen durch die Köpfe jagen, aber sich als Wortmaterial nicht zu Papier bringen lassen, weil der Gedanke noch nicht verfertigt ist, und die Zeit kurz. Denn die Arbeitsbedingungen des Qualitätsjournalismus werden zunehmend prekär.

Das Zittern um die Gegenwart spricht aus ihrer journalistischen Arbeit.

Sie schreibt nicht für Fans, sagte ich. Sie sucht nicht den Beifall irgendwelcher Anhänger. Sie beruhigt sich auch nicht mit Beifall. Ich kenne sie als Zuhörerin, als Besucherin meiner Lehrveranstaltung zum Essay am Institut für Sprachkunst, und ich erlebte sie als strenge Zuhörerin, die nicht zurückhält, auch wenn es um ästhetische Fragen geht: ab wann ein Text ihrerseits als gelungen zu erachten ist. Sie formuliert Fragen als Argument und führt sie ins Treffen auch gegen sich selbst. Jedes Gespräch nimmt sie ernst, auch das, das am Schreibtisch mit dem Text stattfindet. Ab wann ist er als gelungen zu erachten?

Wer ihr gegenüber sitzt, wird eines gewahr, des Wunsches zu Verstehen, die Materie gedanklich zu durchdringen und Missstände, Vakuen (Hohlräume) und verlorenes Terrain diskursiv zu beackern, nenne es besetzen. Davon geht eine verführerische Kraft aus, die einen bei der Eitelkeit packen kann. Wer sich geschmeichelt fühlt, passt vielleicht weniger auf, so musste sich eine ehemalige Justizministerin im O Ton vernehmen und erkennen, wie selbstgefällig sie saudi-arabische Verbrechen gegen die Menschlichkeit abtat. Der Mangel an Respekt der Interviewerin gegenüber hat die Justizministerin zu Fall gebracht. Man kann den Versuch des Verstehens mit vorauseilender Akzeptanz verwechseln, oder war sie es schon gewohnt, Speichellecker vor sich sitzen zu haben.

Die Journalistin nimmt ihr Gegenüber freundlich aber unerbittlich ernst, nichts anderes fordert sie für sich. Nie habe ich sie unvorbereitet erlebt. Sie denkt konsistent und springt von Detail zu Detail, verliert dabei nicht ihre an Literatur, Philosophie, und Geschichte geschulte Schärfe aus den Augen, auch nicht ihr Bestreben, die Haltung des Gegenübers auszuloten. Das Zittern um die Gegenwart spricht aus ihrer journalistischen Arbeit. Texte, die nicht für den Tag geschrieben sind, dienen als Quelle, als Dokument um unsere Zeit zu beschreiben.

Die schleichende Verrohung wird nachweisbar gemacht durch die Aufdeckungen der deutschnationalen Verstrickung, die Boulevardisierung von Politik und die Veränderung der Gesellschaft in den Mob, der an Salonfähigkeit zulegt.

Dafür erntet sie den Shitstorm, der sich aus ungehemmten Postings ergießt, die anonym und im Nebel der Feigheit rechtsrechter und anderer toxischer Naturen daherwölkt.

Was macht die Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Lebensweisen in einem Gemeindebau aus? Welche Stimmungen herrschen? Wie ist der Umgangston? Was bedeutet es, als Alleinerzieherin mit einer im Familienverband Kinder hütenden Kopftuchträgerin in Kontakt zu treten? Wie findet er statt? Die gemeinsame Sprache heißt Wohlwollen, wie kommen wir dazu? Was brauchen wir, um in Würde zu leben? Einübung in Hetze oder ganz andere Töne?

Ihre Recherchen brechen eigentlich Probleme auf, die zum Aufgreifen daliegen. Dafür erntet sie den Shitstorm, der sich aus ungehemmten Postings ergießt, die anonym und im Nebel der Feigheit rechtsrechter und anderer toxischer Naturen daherwölkt. Das ist beängstigend. Und dagegen richtet sich dieser Preis, der für die Notwendigkeit des existenziell notwendigen Qualitätsjournalismus in einer freien Gesellschaft eintritt. Beobachte dich selbst, merk dir deine Eindrücke und befreie dich von Larmoyanz, dieser falschen Innerlichkeit und komm zum Punkt!

Zöchling ist eine Instanz des Qualitätsjournalismus, den es noch gibt.

Ort. Zeit. Augen. Ohren - die Textsorte schwingt zwischen Essay, Reportage und Bericht. Historikerin und Germanistin, Journalistin seit 1989 und seit 1992 im profil, Schwerpunkt österreichische Innenpolitik, also Aufstieg und Fall Haider‘s, die epigonalen Emporkömmlinge aus dem öden Milieu begleitend, machen sie nolens volens zur Expertin für die Kummerseele der österreichischen Nazis. Sie kennt auch die Sympathisanten und die traurigen Restgestalten einer paternalistischen SPÖ-Wählerschaft, wie auch die Kummerseele bobofizierter Grüner, deren Kerninteresse sich nicht auf den Flüchtlingsstrom richtete, was sie die Hegemonie im Diskurs um Migration gekostet hat. Sie kennt auch die Kummerseele der Helfenden, die der gegen Ohnmacht ankämpfenden Politik vorleben, was zu tun wäre, um Menschlichkeit menschlich aussehen zu lassen - denn meiner Meinung nach ist alles menschlich, was der Mensch macht, also auch das Unmenschliche.

Pointiertheit geht nie zu lasten von Eindeutigkeit ihrer Untersuchungen. Sie verbindet das Wissen um Zeithistorie mit Zeitgenossenschaft und befragt Berufsschüler um deren Erklärung für die Komplexität der Zeit. Holocaust und Israel, Frau und Religion, Menschrecht und Krieg, Herzensbildung und Gier, Wirklichkeit und Verführung. Sie unterzieht ihr Wissen der Expertise vor Ort. Die unnachgiebige Nachschau erfordert, dass sich die Journalistin ihrem Material aussetzt. Sie schreitet zur Konfrontation, bis zur Grenze der Vorstellungsmöglichkeit und Einfühlung in Motivationslagen, um dann die Ohnmacht in der Beschreibung von Wirklichkeit zu durchtauchen. Zöchling ist eine Instanz des Qualitätsjournalismus, den es noch gibt. Die Arbeitsbedingungen sind existenzbedrohend. Es muss schnell von der Hand gehen, zur Recherche bleiben ein paar Tage, Interviews müssen ausgemacht werden, Schauplätze besucht. Die Formulierungen müssen sitzen, die Themen auf den Tisch knallen, der Gedanke sich entfalten und in seiner Volte eine Haltung ausdrücken, die die Journalistin mit zur Verfügung stellt, was sie angreifbar macht, aber ihre Arbeit transzendiert.

Die Insistenz der Journalistin aus einer Mischung des Versuches den anderen zu verstehen, unsere Zeit in den Griff zu bekommen, sich auszukennen, wer wer ist, wer was denkt, womit also zu rechnen ist, führt sie auch nach Bleiburg und Braunau.

Als Journalistin wirkt sie mir solitär, nicht eingebunden in ein Netzwerk der Macht, nicht einmal gesichert durch die Redaktion oder ihre fixe Redakteursposition. Ihre Stimme wirkt im Gespräch zurückhaltend, auffordernd und neugierig und in den Texten, ich komme auf die Berufsschule zurück, spürt sie auf, worum es geht in unserer Gesellschaft: Bildung. Zum modernen Antisemitismus, der um Juden im Holocaust trauert und Juden in Israel hasst, gesellt sich eine gehörige Portion an Verschwörungstheorie und eine Art „Pegida Mentalität“. – Keinem Medium könne man trauen, so glaubt die Jugend und darin hat sie Recht. Wer sind die Glaubwürdigen?

Die Insistenz der Journalistin aus einer Mischung des Versuches den anderen zu verstehen, unsere Zeit in den Griff zu bekommen, sich auszukennen, wer wer ist, wer was denkt, womit also zu rechnen ist, führt sie auch nach Bleiburg und Braunau. Hitlers Geburtshaus, in dem der Ungeist wuchert - auch als Mietforderung in Gegenwart und Geschichte. Das Hitlergeburtshaus soll entrümpelt und ersetzt sein durch das Museum des Widerstandes, dem sich eine pluralistische Gesellschaft zugehörig fühlt und einer Weltgemeinschaft angehört, die sich gegen Rassismus, gegen Totalitarismus und gegen jede Aushöhlung der Demokratie ausspricht.

Es handelt sich um ein neuartiges Gemisch rechter, altlinker und islamischer Ideologien, schreibt Zöchling vom Schulhof in Wien. Na und? Solange es eindeutige Zeichen in Richtung „Offene Gesellschaft“ gibt. Gibt es sie? Die Hilfsbereitschaft? Wird sie zermürbt durch die orientierungslose Politik, durch den hilflosen Ruf nach einer „Festung Europa“, die sich verwirklichen soll? Ja, wie denn? Ein Schuss? Zwei? Drei? Ab wann ducken wir uns?

Man gehe von sich aus, und wisse, dass man von sich ausgehe, man bringe diese Haltung auf und ein und wisse, sag jetzt, dass du mit Ärger reagierst oder mit deiner Angst oder einer Frage, die nicht ins Programm passt. Wie die Grünen, denen ihr ehemaliger Integrationssprecher Senol Akkilic Wirklichkeitsverweigerung attestiert und mit Fragen unbequem auffällt, die unbedingt in den Diskurs um Schleier und Arbeit und Mindestsicherung gehören - hier hakt die Journalistin nach und legt den Finger auf die Wunde der Versäumnisse.

Die Texte der Autorin sind dramaturgische Artefakte, die einen beuteln. Wenn man um eine Laudatio zu schreiben, liest, was sich von Zöchling in einem Jahr ansammelt, dann ist Unruhe angesagt, und zwar nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch ihren packenden Stil. So schlittere ich in den Kopf der Autorin und schaue durch Augen, die mich in die Winkel lenken, wo ich sonst nicht bin. Es ist ein Österreich vor dem mir nur schaudert. Bleiburg, wo die zweisprachigen Ortstafeln stehen und die Partisanen als Widerstandskämpfer rehabilitiert sind, wo Flüchtlinge auf der Hauptstraße auf und ab gehen und sich nicht in den Ort trauen, weil sie nicht gesehen sein wollen. Was wird hier ausgeblendet? Das mitverschuldete Elend?

Es nistet hier das Unheimliche in den Mauern, das Zittern im Umgang mit der Geschichte und seiner Gegenwart, die niemand erklärt.

Zum Wohle der Zivilgesellschaft einfach dastehen und mitzuschreiben, was ich sehe, und in mein Programm umzumünzen, geht nicht. Autorenschaft ist kein Waschprogramm. Zöchling ist in den Journalismus geraten ohne Programm, sie notiert die schleichende Veränderung in eine autoritäre, missgünstige Gesellschaft. So war es mit Haider und seiner Ideologielosigkeit, mit Strache und seiner Ideologiegetränktheit, mit der moralischen Verhässlichung am Viktor Adler Markt und mit der Bobofizierung einer Boulvard verachtenden Wählerschaft, mit den niedrigen Frauenwitzen von SPÖ-Furzern. Wer stellt sich, wie, der Realität und wie stell ich sie mir vor? Von den Roten, den Grünen? Ich würde gerne Fragen diskutieren, wie etwa den Anspruch auf Mindestsicherung einer den Schleier tragenden Frau, die sich aus religiösen Gründen vom Arbeitsmarkt abschottet.

Ich schaue durch die Texte dieser großen Journalistin in ein Österreich, wo einem das Schaudern kommt. Es nistet hier das Unheimliche in den Mauern, das Zittern im Umgang mit der Geschichte und seiner Gegenwart, die niemand erklärt. Israel und Holocaust und dazu der IS mit einem Europa, das sein Bekenntnis zu Humanität und Laizismus exekutieren soll. Mit diesen Augen schaue ich also in die Winkel des Hitlerschen Geburtshauses, dessen Besitzer sich in Ungreifbarkeit entzieht, aber dafür Miete kassiert. Mit diesen Augen sehe ich die Gespenster und die Ungeister der Zeit, stöbere in Verstecken und Gassen, zoome mich an die Gesichter in den Wohnzimmern der Gemeindebauten, gerate an den Rand der traurigen Funktion, wohin uns der Neoliberalismus geschleudert hat. Laufhaus und Hamsterrad und Flüchtlingsmarsch.

Eine Melancholie liegt den Texten zugrunde, ein Ton, der nicht aus der Sprache kommt, sondern aus dem Wunsch nach Zuversicht. Als wäre es bereits geschehen, dass auch das Wünschen eine Gefahr geworden ist, die Wirklichkeit zu verdrehen, in Verblendung zu geraten und in eine Richtung zu laufen, die mich zur Selbstunterwerfung verführt. Nazis, Partisanen, Juden, Nicht-Juden, Flüchtlinge, Schriftsteller und Journalisten, wo sich die Provinz in jedem von uns auf ein Neues zeigt, was sie an Menschlichkeit aufzubieten im Stande ist - und dabei gilt, wir machen das nicht allein.

Zöchling ist eine selbstständige, kritische Stimme, die sich gegen die Hetze und den „shitstorm“ des Boulevards und der „blogs“ richtet.

In diesem Kopf stecke ich und sehe und höre die Gfriesser der Frauenabwerter, bin nah an den Stimmen der Berufsschüler und den viel zu wenigen Unterrichtsstunden. Im Grunde ist ihr Journalismus praktizierter Unterricht in Bildungspolitik für die zeitgenössische Bildungspolitik. Europa wird nur gelingen in Wohlgesinntheit, und damit, dass Flüchtlinge nicht als Kriminelle gesehen werden. Europa muss sich verteidigen gegen Kriegserklärer und nicht die vor dem Krieg Fliehenden.

Zöchling ist eine selbstständige, kritische Stimme, die sich gegen die Hetze und den „shitstorm“ des Boulevards und der „blogs“ richtet, die darüber erstaunen lässt, dass das geht, dass man Zeitgenossin ist und sich in Wirklichkeit findet als Text. Ich schüttle jetzt den Kopf, um mich auf den Grund des heutigen Zusammentreffens zu konzentrieren, und vor ihr zum bisherigen Werk der Aufklärung des Nebels über den Niederungen meinen Hut zu ziehen - und ihn wieder aufzusetzen für die kommenden Wanderungen durch das Jetzt.

Solange diese Journalistin wirkt, ist dieses Land nicht verloren, wenn es denn den politischen Auftrag erfüllt, in unserer Demokratie die Rahmenbedingungen für den Qualitätsjournalismus zu verbessern.