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Leiharbeiter an den Spitzen der Republik: problematisch - und teuer

Ministerien. Leiharbeiter an den Spitzen der Republik: problematisch - und teuer

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Sie suchen Pflegehelfer? Kranfahrer? Verkäufer? Oder Mitarbeiter für ein Callcenter? Briefsortierer? Von A wie „Allgemeiner Hilfsarbeiter“ bis Z wie „Zusatzdienste für Pflege“ vermittelt das Leiharbeiter-Unternehmen „powerserv“ Mitarbeiter für so gut wie jedes erdenkliche Berufsfeld. Und das, wie versichert wird, „gesetzeskonform und unter Einhaltung sämtlicher Vorschriften“ – und dennoch „ohne das unternehmerische Risiko einer sofortigen Festanstellung“.

So ausführlich die Auflistung aller möglichen Berufe auch ausfällt, einer fehlt darin: jener des Pressesprechers. Dabei ist „powerserv“ auch dabei durchaus erfolgreich und verleiht sogar Arbeitskräfte an das Finanzministerium, konkret als Pressesprecher für Finanzminister Hans Jörg Schelling. Die ausgestellten Arbeitsverträge lesen sich nachgerade pittoresk: „Ihr Einsatz startet bei der Firma: Bundesministerium für Finanzen. Kontaktperson bei der Firma: Hr. Dr. Hans Jörg Schelling.“ Und: „Voraussichtliche Dauer Ihres Einsatzes: bis zum Ende der Regierungsperiode Dr. Schelling.“ Ausgestellt wurde der eine Leiharbeitsvertrag für die erste Pressesprecherin Schellings am 9. September 2014, neun Tage nach der Angelobung Schellings zum Finanzminister, jener für den zweiten Pressesprecher am 19. September.

Gemeinhin wird Leiharbeit mit mageren Einkünften, geringen Qualifikationen und schlechten Arbeitsbedingungen assoziiert. Das stimmt nur bedingt: Mittlerweile sind Leiharbeiter sogar in den Spitzen der Republik angekommen. Das ist aus mehreren Gründen nicht unproblematisch: Es verschleiert die Kosten, es widerspricht dem Aufnahmestopp – und es kommt oft erheblich teurer als „normale“ Verträge. Aus guten Gründen geißelte der Rechnungshof bereits mehrmals die Unsitte, Leiharbeiter in Ministerien zu beschäftigen.

Begonnen hatte der Boom der Leiharbeit im Wiener Regierungsviertel unter SPÖ-Bundeskanzler Viktor Klima im Jahr 1998, während der ersten EU-Präsidentschaft Österreichs. Damals wurden 120, großteils hochqualifizierte Aushilfskräfte über eine Leiharbeitsfirma geholt – allerdings für die begrenzte Zeit des halbjährigen EU-Vorsitzes. Unter der schwarz-blauen Regierung brachen dann die Dämme; Leiharbeit in Kabinetten zu teils fabelhaften Verträgen wurde in großem Stil als Dauerarbeitsverhältnis etabliert, vor allem Vorfeldorganisationen der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung verborgten damals Mitarbeiter an die Ministerien.

Diese Sorte von Leihverträgen ist bis heute aktuell, von der Arbeiterkammer bis zur Nationalbank werden vorübergehend Experten an Ministerbüros verliehen. Insgesamt waren nach der letzten Zählung 280 Leiharbeiter beschäftigt – das ist die Kehrseite des sogenannten „Aufnahmestopps“, den der Bund seit Jahren predigt: Auf der einen Seite werden Planposten abgebaut, womit die Regierung stolz ihre Sparsamkeit zelebriert, durch die Hintertür kommen dann Leiharbeiter wieder herein – obwohl das Beamtenministerium bereits mehrmals das Ende des Leasings in Kabinetten verkündet hat.

Gabriela Moser, der Rechnungshofsprecherin der Grünen, sind Leiharbeiter in Kabinetten schon länger ein Dorn im Auge. Im konkreten Fall des Finanzministeriums findet sie es besonders verwerflich: „Es ist ein Verstoß gegen die Budgetwahrheit, weil Personalkosten als Sachkosten aufgelistet werden. Außerdem kommt es erheblich teurer: Denn die Leiharbeitsfirma hat naturgemäß eine Gewinnspanne, der Umweg über die Firma verteuert die Anstellung um über 20 Prozent.“

Powerserv will „aus datenschutzrechtlichen Gründen grundsätzlich keine Auskünfte zu Kundenbeziehungen erteilen“. Das Finanzministerium sagt dazu: Leiharbeit habe sich bewährt, weil die Verträge schnell auflösbar sind und man damit viel flexibler sei. Zudem spare sich das Ministerium in Summe Geld, weil etwa die automatische Vorrückung durch Bienniensprünge und andere Besonderheiten der Gehaltsschemata des Öffentlichen Dienstes bei derartigen Verträgen entfielen.

Überprüfbar ist das nicht: Die Gehälter von Politikern sind streng geregelt – jene von Ministeriumsmitarbeitern nicht. Teils sind Leiharbeitsverträge auch die Lizenz für Bezahlung über dem Beamtendienstschema, die aber als Sachkosten verbucht werden. Selbst Pensionierung muss in Ministerien noch lange nicht Pension bedeuten: In sechs Regierungsgebäuden haben ehemalige Mitarbeiter nach wie vor Büros, nunmehr als Konsulentinnen.
Hauptsache, der Slogan vom „Aufnahmestopp“ kann weiter verbreitet werden.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin