So soll die "Liste Sebastian Kurz - die neue Volkspartei" funktionieren
Die vom neuen ÖVP-Chef Sebastian Kurz geplante Änderung der Parteistatuten würde eine Stärkung des Parteichefs zulasten des Parteivorstands bedeuten, insbesondere bei der Personalauswahl. Die Öffnung der Kandidatenlisten ist jedoch schon jetzt möglich und das "Reißverschlusssystem" auf Wahllisten steht bereits im Statut - und zwar seit dem Reformparteitag Reinhold Mitterlehners vor zwei Jahren.
Dem Vorstand gehören neben dem Obmann, seinen Stellvertretern sowie dem Generalsekretär und dem Klubchef auch die Chefs der Landesparteien und der Bünde an. Das Gremium entscheidet über die wesentlichen Fragen in der Partei - etwa über Regierungsbeteiligung, Ministerposten und Kandidatenlisten. Kurz will seine Rolle nun deutlich stärken und über Regierungsverhandlungen und inhaltliche Ausrichtung selbst entscheiden.
Augenscheinlichste Änderung wäre die Stärkung des Parteichefs bei der Personalauswahl: Derzeit werden die ÖVP-Minister sowie der Generalsekretär (auf Vorschlag des Obmanns) vom Bundesparteivorstand bestellt (§30). Kurz will beides - Regierungsteam und Parteimanager - ohne Mitsprache des Vorstands bestimmen. Der Obmann selbst würde freilich weiterhin vom Parteitag gewählt, wo die Vertreter von Ländern und Bünden den Ton angeben.
"Evolution Volkspartei"
Nicht ganz so neu sind Kurz' Vorstellungen zur Kandidatenauswahl bei Bundeswahlen. Sie wurden großteils bereits bei einem Erneuerungsprozess unter dem Titel "Evolution Volkspartei" entwickelt - den Kurz' Vor-Vorgänger Michael Spindelegger angestoßen und maßgeblich Gernot Blümel umgesetzt hat: Der jetzt als Vertrauter des neuen ÖVP-Chefs gehandelte Wiener Parteichef war damals nämlich Generalsekretär der ÖVP. Knapp vor dem Ankick zur Erneuerung wurde Spindelegger durch Mitterlehner ersetzt, der den Prozess samt Mitgliederbefragung fortführte.
Bei einem großen Reformparteitag (zum 70. Geburtstag der Partei) vor zwei Jahren wurde dann ein neues Parteiprogramm und neue Parteistatuten beschlossen. Seither ist für Bundes- und Landeslisten (nicht aber Regionalwahlkreise) vorgeschrieben, dass "die Reihung (...) nach dem Reißverschlusssystem zu erfolgen hat" - sich also Männer und Frauen auf Kandidatenlisten abwechseln müssen. Auch ein Bekenntnis zu internen Vorzugsstimmenwahlkämpfen gab es damals, hatte sich doch eine breite Mehrheit der Mitglieder dafür ausgesprochen.
Vetorecht des Parteichefs
Neu wäre allerdings das von Kurz verlangte Vetorecht des Parteichefs gegen die Kandidatenlisten der Landesparteien bei Nationalratswahlen, ebenso dass Kurz die Bundesliste im Alleingang erstellen will. Derzeit ist für die Genehmigung der Bundes- wie auch der Landeslisten der Bundesvorstand zuständig. Erstellt wird die Bundesliste aber schon jetzt auf Vorschlag des Obmanns (§30 und 48 des Organisationsstatuts).
Schon jetzt möglich - wenn auch in der ÖVP absolut unüblich - ist die von Kurz geforderte Öffnung der Wählerlisten für Nicht-Mitglieder, denn ein dezidiertes Verbot für solche Kandidaturen findet sich in den Parteiregeln nicht. Eine Einschränkung gibt es im Statut (§48) allerdings: "Wer Mitglied einer anderen politischen Partei oder Wählergruppe als der ÖVP ist, kann kein ÖVP-Kandidat sein."