Maler und Hofer-Freund Odin Wiesinger: „Irgendwann seid ihr dran“
(Das Interview mit Odin Wiesinger ist am Ende des Artikels zu lesen)
Der Götter Zorn könnte nicht heftiger sein. Odin Wiesinger macht sich Luft. Die vergangenen Tage? Die Hölle. Die Diffamierungen in den Online-Foren, seit bekannt geworden ist, dass Wiesinger von der FPÖ in den oberösterreichischen Landeskulturbeirat entsandt wird. Das virtuell versprühte Gift und FPÖ-Hasser. Wiesinger fasst das in einem Wort zusammen: „Sauerei!“
Man versteht Wiesingers Heftigkeit, wenn er über den Bildschirm seines Handys wischt. Beleidigungen und Beschimpfungen poppen auf. Wiesinger konterte auf Facebook: „an all die vom hass zerfressenen, die denunzianten und selbsternannten moralapostel, an die Inquisitoren, an die unterdrücker der meinungsfreiheit.“ Und er forderte von „meinen freunden in der FPÖ und diversen funktionären (…), daß sie für mich das wort ergreifen, so wie sie es für Andreas Gabalier getan haben!“ Er legt das Mobiltelefon zur Seite. Bald wird es wieder läuten.
Wiesinger, 58, ist Bildhauer, Maler und Grafiker in Andorf bei Schärding, einem Provinzflecken mit schmuckem Gemeindeamt und einem Friedhof auf einer Anhöhe. Odin ist Manfred Wiesingers Künstlername und sein Couleurname bei der Burschenschaft Scardonia zu Schärding, deren Mitglied er seit Jahrzehnten ist. Er wohnt im Ortskern von Andorf, am Dorfrand ist sein Atelier. Der ehemalige Bauernhof liegt da wie hingepinselt. Vor Wiesingers Haus parkt sein schwarzer Jaguar, hinten stehen vier Kühe in einer Umhegung, Misthaufen fehlen auch nicht.
Neuer Kulurturbeirat, der vorzugsweise Soldaten und Burschenschafter malt
Mit Dudelsackpfeifen meldet sich Wiesingers Handy, neue E-Mails kündigen sich mit dem Geräusch eines nachfedernden Pfeils an, der sein Ziel getroffen hat. An diesem diesigen Mittwochvormittag dudelt das Mobiltelefon oft. Verkehrsminister Norbert Hofer, ein langjähriger Freund und Unterstützer Wiesingers, hat kurz zuvor die Kritiker der umstrittenen Besetzung für den Landeskulturbeirat zu beruhigen versucht. Es sei klug, sich von einem Menschen selbst ein Bild zu machen, sagte Hofer im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Er würde jedem ein persönliches Gespräch mit seinem Lieblingsmaler Wiesinger und einen Besuch in dessen Atelier empfehlen. Dudelsackpfeifen. ATV und der „Kurier“ melden sich bei Wiesinger.
Man könnte den Vorgang als Provinzposse abtun, wären da nicht Wiesingers Naheverhältnis zur Regierungspartei FPÖ und die Couleurverbindung. Schlagende Burschenschaften sind Gruppierungen, an denen der Ruf rechtsideologischer und antidemokratischer Gesinnung klebt. Keiner weiß das besser als Wiesinger. Der Fall O. pendelt zwischen jener Lächerlichkeit, die reflexartiger Alarmismus provoziert, und dem berechtigten Protest, dass mit Wiesinger ein Künstler eine offizielle Funktion in Österreichs Kulturlandschaft übernimmt, der vorzugsweise Soldaten und Burschenschafter malt. Eine erste Antwort auf die Frage, was Wiesingers Beförderung zum Landeskulturbeirat mit der Freiheit der Kunst, welche die Freiheitlichen meinen, zu tun hat, bekommt man, wenn man sich in den Zug setzt und von Wien ins zweieinhalb Stunden entfernte Andorf fährt.
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Norbert Hofer hat nie ein Hehl aus seiner Gesinnungsgemeinschaft mit Wiesinger gemacht. Gegenüber profil erklärte der damalige Präsidentschaftskandidat im Mai 2016, angesprochen auf Wiesingers Faible für Soldatensujets und insbesondere jenes Bild, das eine Karte „Großdeutschlands“ zeigt: „Die Landkarte schuf er für einen Vetriebenen- Kommers, wo die deutschsprachigen Gebiete eingezeichnet waren. Die Soldaten sind aus dem Ersten Weltkrieg.“ Auf die Frage, ob man, um Wiesinger zu zitieren, die zeitgenössische Kunst als „verschmierte Farbe nach Art der Primaten“ bezeichnen solle, antwortete Hofer: „Es gehört zur Freiheit des Künstlers, einen anderen Künstler kritisieren zu können. Ich würde das so nicht formulieren. Ich würde mir aber auch keinen Nitsch kaufen. Mir gefällt der Phantastische Realismus besser, wie Fuchs oder Hundertwasser.“
Der ehemalige FPÖ-Politiker und Dritte Nationalratspräsident Martin Graf, Alter Herr der Burschenschaft Olympia, erklärt sich dieser Tage solidarisch mit Odin Wiesinger, der Graf in den Farben der deutschen Fahne porträtiert hat: „Der linke Mob reitet wieder. Dieses mal gegen einen ausgewiesenen hervorragenden Künstler, der es seit Jahrzehnten schafft, vom Verkauf seiner Kunst (Bilder und Skulpturen) zu leben, ohne von der öffentlichen Hand gekauft zu sein. Ich bin stolz, dass Manfred Odin Wiesinger mein Freund ist. Den linksextremen Menschenjägern schreibe ich ins Stammbuch: Geht’s sch…“ Graf spricht damit auch die Frage an, ob Kunst ein Geschäft wie jedes andere sei oder ob sie gefördert gehöre. Dass Wiesinger, wie der „Standard“ berichtete, von staatlichen Ankäufen profitierte (2011 sollen zwei Werke auf Drängen des FPÖ-Klubdirektors Ferdinand Watschinger vom Land Oberösterreich angekauft worden sein), ist Nebenthema, in der Hauptsache geht es um die Frage, was ein „Staatskünstler“ ist.
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Diese Frage stellte die Wiener FPÖ im Gemeinderatswahlkampf 1995 mit der berühmt-berüchtigten Plakatkampagne „Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk – oder Kunst und Kultur?“ Unterzeile: „Freiheit der Kunst statt sozialistischer Staatskünstler.“
Damals wie heute zielt die rechte Kulturkritik darauf ab, dass geförderte Kunst einer selbstgefälligen Elite vorbehalten sei und die Subventionspfründe vom „Spinnennetz der Linken“ (so die frühere FPÖ-Kultursprecherin Heidemarie Unterreiner) monopolisiert würden.
Elfriede Jelinek, erzählt die damalige Wiener Kulturstadträtin Ursula Pasterk, habe sich so bedroht gefühlt, dass sie für längere Zeit nach München ausgewandert sei: „Man darf nicht vergessen: Damals war die Zeit der Bombenattentate, die Plakate waren vor allem in Floridsdorf und Simmering affichiert. Man konnte sie gut als indirekten Aufruf zur Gewalt gegen uns verstehen.“ Jörg Haider habe damals instinktiv erkannt, dass mit Attacken auf die Kultur Wähler-Emotionen zu schüren seien. „Und die ,Kronen Zeitung‘ stand ihm dabei zur Seite.“
„Nestbeschmutzer“ und „Staatskünstler“
Bedroht hatte sich der damalige Kulturminister Rudolf Scholten nicht gefühlt: „Ich sah diese Kampagne viel mehr als eine Bestätigung unserer Arbeit. Für eine sensible Künstlerin wie Jelinek, die dadurch erstmals mehr unfreiwillig als freiwillig auf eine politische Bühne versetzt wurde, war das natürlich eine extreme Erfahrung. Ich war die Regeln und Gesetze auf dieser Bühne aber gewohnt. Mich hat das nicht erschüttert, sondern bestärkt.“
Peter Turrini wiederum, der wie Jelinek und Thomas Bernhard als „Nestbeschmutzer“ und „Staatskünstler“ im Visier der FPÖ stand, erinnert sich, dass er zwei Tage nach Anbringung der Plakate in der Frankfurter Oper eine Rede über Literatur halten sollte: „Dazu kam ich nicht. Ich erzählte von der Kampagne einer Partei, deren Führer man als Wegbereiter eines Rechtsradikalismus einordnen muss. Und wie er meine Freundin Elfriede Jelinek und andere öffentlich denunziert und zum Abschuss freigegeben hat. Die Kampagne war als Versuch der Existenz- und Menschenvernichtung zu werten.“
Karin Bergmann, Burgtheaterdirektorin seit 2014, sieht im blauen Kulturkampf-Vokabular Parallelen zu den Waldheim- und „Heldenplatz“-Kämpfen der späten 1980er-Jahre. „Mit Worten wie ‚Kulturmarxisten‘, ‚linker Mob‘ und ‚Staatskünstler‘ waren wir schon zu Haiders Zeiten konfrontiert. Dieses Vokabular scheint heute wieder unter normale Kommunikation zu fallen.“ Mit Claus Peymann als neuem Burgtheaterdirektor war Bergmann 1986, im Jahr des Waldheim- Skandals, in Wien in einer Atmosphäre gelandet, in „der Drohbriefe mit Gewaltandrohungen gegen Peymann, durchaus auch von Akademikern mit vollem Namen, zur Tagesordnung gehörten“. Heinz- Christian Strache, damals 19 und seit vier Jahren Mitglied der Burschenschaft Vandalia, stand auf dem Burgtheater-Balkon und brüllte in den „Heldenplatz“-Premierenapplaus hinein. Es gibt davon ein berühmtes Foto.
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„Um den Zustand der bildenden Kunst mache ich mir keine Sorgen“, sagt Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste. „Unsere Künstler und Künstlerinnen sind international so präsent und gefragt, dass die Bestellung eines Auftragsmalers aus der Provinz für die Kunst keine Bedeutung hat.“ Dennoch ist international gerade auf dem Feld der Kultur einiges in Bewegung. Nach seinem dritten Wahlsieg in Folge gab Ungarns Regierungschef Viktor Orbán im Juli vergangenen Jahres die Losung aus: „Wir brauchen eine neue geistige und kulturelle Ausrichtung.“ Tatsächlich hat sich der Kulturkampf in Ungarn verschärft. Gleich nach Beginn von Orbáns Regierungszeit 2010 waren Kulturschaffende und Institutionen, die dem neuen Kurs kritisch gegenüberstanden, finanziell ausgetrocknet oder neu besetzt worden. Prominentestes Opfer wurde zuletzt der Direktor des Buda-pester Petöfi-Literaturmuseums, Gergely Pröhle. Als Botschafter, Diplomat und Vize-Staatssekretär im Außenministerium hatte Pröhle mit seinen exzellenten Deutschkenntnissen die Politik Orbáns als Gast österreichischer und deutscher Fernsehstudios bis zur Selbstverleugnung gerechtfertigt. Als Museumsdirektor machte Pröhle über die ideologischen Gräben hinweg ein gutes Programm. Ende Oktober 2018 wurde sein Vertrag vorzeitig aufgelöst.
Pröhles Nachfolger Demeter Szilárd ist ein gescheiterter Schriftsteller und Ethno-Rocker. Zuletzt werkte er in der staatlichen Propagandaschmiede Századvég, die für Orbán die Stimmung im Volk erforscht und entsprechende Strategien entwirft. In Interviews rühmte sich Demeter, einst zu den härtesten Schlägern in der rumänischen Stadt Cluj-Napoca (ungarisch: Kolozsvár) gehört zu haben, denn: „Das ist ein Pflichtritual. Wenn du ein Mann bist, dann prügelst du dich.“ In einem Positionspapier für das Petöfi-Museum formulierte Demeter, dass die Institution in ein „literarisches Kraftzentrum von nationaler Bedeutung“ umzumodeln sei. Das Museum müsse „politisieren, gesellschaftliche Debatten generieren, produktive Konflikte“ provozieren. „Das Petöfi muss zu seiner ursprünglichen Rolle zurückkehren, das Haus der ungarischen Literatur zu sein.“
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Wiesingers kleines Atelier in Andorf ist vollgestopft mit zeitgenössischem Realismus und tief im Gestern verfangener Symbolkunst. Totenschädel und skelettierte Igel- und Hirschkuhköpfe stehen neben Teetassen aus der Monarchie, dazu Fotos mit dem Schottland-Fan Wiesinger im Kilt, alte Gitarren und ein sehr altes Radio, ausgestopfte Vögel, CDs, viel Mozart, Jazz, „The Last Temptation“ von Alice Cooper. Im Buchregal Felix Dahns „Kampf um Rom“ und Barbara Prammers „Vielklang“.
Wiesinger wirkt im Atelier wie der Zauberlehrling, der immer wieder Geister ruft, die er nicht loswerden will. Seine Ateliertelefonnummer endet mit den Ziffern 88, dem Neonazi-Code für „Heil Hitler“. „Daran bin ich völlig unschuldig“, lacht Wiesinger, ein großer Schmähbruder vor dem Herrn. „Das war die Post.“ Wiesinger, dunkles Hemd, helles Cord-Gilet, akkurat gestutztes Haar, buschiger Schnurrbart, lacht gern und oft, dass die Barthaare zittern. Er macht Späßchen, gern auch derberer Natur. Er lebe seit Jahrzehnten in Andorf, sagt er, er sei schon so sehr Eingeborener, dass er einen Bastrock tragen dürfte.
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Wie tief die Frauenverachtung in der Parallelgesellschaft der Burschenschaften wurzelt, hat Wiesinger 2014 auf Facebook dokumentiert. „Selten so ein hässliches und dummes Stück Fleisch gesehen“, schrieb er über Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste. Blimlinger sieht heute die von Kanzler Sebastian Kurz viel zitierte „rote Linie“ nicht nur durch die Bestellung Wiesingers „längst überquert“: „Ich verstehe die anderen Mitglieder im Beirat nicht. Nach Wiesingers Bestellung hätten sie ein Zeichen setzen und vereint zurücktreten müssen. Nur Thomas Baum hat das gemacht.“ Dass Jobs nach parteipolitischen Kriterien vergeben werden, sei ein Faktum, das sich durch alle Parteien ziehe: „Nur ging das in den vergangenen 20 Jahren wenigstens nicht ohne Qualifikation ab.“
Über Wiesingers Werk muss sich Rudolf Scholten erst einmal im Internet schlaumachen. Scholten sagt: „Die ganz Rechten haben traditionell Angst vor Kunst. Kunst bedeutet Fantasie, Freiheit, Unberechenbarkeit, die Suche nach dem Neuen. Die Arbeiten des Herrn Wiesinger erfüllen diese Kriterien nicht. Als jemand, der in einem Beirat über aktuelle Kunst urteilen soll, ist er der personifizierte Widerspruch. Dass so jemand in eine offizielle Position gehoben wird, offenbart eine Stimmungslage. Sie zeugt einerseits von Gleichgültigkeit, andererseits können solche Entscheidungen schnell sehr schädliche Auswirkungen haben. Die Politik kann gute Kunst nicht verhindern, aber sie kann ihren Aktionsradius einschränken und ihre Wahrnehmung reduzieren.“ Der Dramatiker Turrini empfindet den Ideologiewandel in der blau-türkisen Regierung als bedrohlich: „Früher liefen die FPÖ und ihre Ansichten zu Kunst und Kultur unter ‚Ein Käfig voller Narren‘. Heute segeln einem Burschenschafter auf den Parketten der Ministerien entgegen.“ Die ÖVP sei „eine Faschismus-affine Partei geworden“.
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Die Freunde seiner Kunst nennt Wiesinger grundsätzlich nicht beim Namen, wenn sie nicht gerade Norbert Hofer heißen. Einmal, erinnert sich Wiesinger, habe ihm ein Münchener Kunstsammler eine Nähe zu den Werken Gerhard Richters attestiert, einem der bekanntesten und teuersten Maler der Welt. Wiesinger pflegt in seiner Kunst bis zur Halsstarrigkeit die Lust an der Vieldeutigkeit. Das fängt bei seiner Visitenkarte an. Ein Odin-Original ist darauf zu sehen, ein dunkelbronzener Adler, der seine Schwingen hebt. Kritiker hätten sich echauffiert, sagt Wiesinger, dass er Reichsparteitagsadler gestalte. Stimmt nicht, sagt Wiesinger. Die Adler stammten vom Innsbrucker Andreas-Hofer-Denkmal. Wiesinger malte Memento-mori-Stillleben mit Totenschädeln, Katzenporträts und Landschaften ohne Menschen, Pennäler in Wichs und Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg mit bombenvernarbten Gesichtern, einen nachdenklichen Nietzsche und einen verträumten Franz Stelzhammer, den Textdichter der oberösterreichischen Landeshymne und groben Antisemiten. Wiesinger geht wohl nur bei wenigen als bemerkenswerter Künstler durch.
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Die Verbindungen zwischen Wiesinger und der FPÖ-Spitze haben burschenschaftliche Wurzeln. Wiesingers „Leibbursch“ bei der Burschenschaft Scardonia Schärding war der ehemalige Obmann der oberösterreichischen FPÖ Lutz Weinzinger, Nationalratsabgeordneter von 2006 bis 2010, Gründervater der Scardonia und Mitglied der Wiener Bruna Sudetia. Deren Obmann Herwig Götschober wiederum ist ein langjähriger politischer Begleiter Norbert Hofers und derzeit als Social-Media-Beauftragter des Verkehrsministers tätig. Hofer selbst wuchs in freiheitlich-burschenschaftlichem Milieu auf. Ein enger Freund der Familie, der damalige FPÖ-Chef von Pinkafeld, Rudolf Jauschowetz, war Gründer der Burschenschaft Marko-Germania zu Pinkafeld, deren Ehrenmitglied Hofer ist. Der oberösterreichische Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner bezeichnet Weinzinger als seinen „väterlichen Freund“.
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Wiesingers Wahl kommt einem Paradigmenwechsel in Österreichs Kulturlandschaft gleich. Jene Partei, die jahrzehntelang gegen zeitgenössische Kunstschaffende intrigierte und hetzte, setzt an, ihren rückwärtsgewandten Kulturbegriff vorerst mithilfe vertrauter Burschenschafter auf den langen Marsch durch die Institutionen zu schicken. Der freiheitliche Generalsekretär Christian Hafenecker schwang sich schon zum Verteidiger jener Kunst auf, die sie meinen: „Kunst bleibt Kunst und diese hat kein Mensch einzuengen oder zu verbieten – ob Andreas Gabalier oder Odin Wiesinger.“
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Dudelsackpfeifen. Wiesinger greift zum Handy. Ein Parteifreund erkundigt sich nach dem Befinden. „Steh dazu“, hat sich Wiesinger zuvor selbst ermunter. Das habe er bei seiner Burschenschaft gelernt.
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Odin Wiesinger im Interview: „Irgendwann seid ihr dran“
Odin Wiesinger über Schmähungen und Schmähs, Unwahrheiten und Untergriffe, Burschenschafter und „Endsieg“-Bilder, KZ-Häftlinge und Norbert Hofers Kunstgeschmack.
profil: Herr Wiesinger, auf Facebook klagen Sie, dass eine „Menschenjagd“ stattfinde. Was ist da los? Wiesinger: Es handelt sich um eine gewaltige Sauerei. Seit ich in Oberösterreich in den Landeskulturbeirat berufen wurde, hagelt es in den sozialen Medien Diffamierungen und Attacken auf meine Person, zum Teil auf übelste Weise. Dieser Beirat ist im Grunde vollkommen zahnlos, weil sich niemand an die Empfehlungen halten muss. Durch meine Nominierung wurde dieses Gremium der Allgemeinheit bekannt. Durch den bösen Wiesinger. profil: Der oberösterreichische PEN kritisierte Ihre Ernennung ebenfalls. Wiesinger: Die immer gleichen Unterstellungen werden aufgewärmt. Mein „Endsieg“-Bild zum Beispiel aus den 1990er-Jahren, das falsch interpretiert wird. Dieses Bild ist zur Zeit der Kriege im ehemaligen Jugoslawien entstanden. Damals schaute ich noch Nachrichten im ORF, heute nicht mehr, weil ich mich nicht ärgern will. Im Fernsehen war zu jener Zeit ein General zu sehen, der martialische Reden schwang. Ich fertigte eine Lithografie an, vier Szenen, auf denen unter anderem eine Hand zu sehen war, die das Victory-Zeichen macht. Im Krieg aber, brutal wie dieser einmal ist, werden dem Menschen auf dem Bild die Finger abgerissen. Es ist im Prinzip ein Antikriegsbild.
profil: Ein Bild mit Titel „Endsieg“ können Sie doch nicht als Jugendsünde abtun. Wiesinger: Natürlich nicht. Der Titel war provokant gemeint. Der Ex-Kulturpolitiker Rudolf Scholten sagte, Kunst soll und darf provozieren. Eine harmlose Provokation, dieses Bild so zu nennen, zumal inzwischen jeden Tag über Hitler, Hitlers Hund, Hitlers Frauen und so weiter berichtet wird. profil: Hat sich Ihr Leben sehr geändert, seit Norbert Hofer Sie als seinen Lieblingskünstler bezeichnet hat? Wiesinger: Nein. Zumindest versuche ich, mein Leben so geregelt zu leben wie zuvor. Vielleicht das Maß an Arbeit hat sich geändert, die Person Wiesinger nicht. Ich bin nicht überheblich geworden, weil Hofer meine Kunst mag. Ich setze mich nach wie vor mit dem Pfarrer, dem Arbeiter, dem Bauern und dem Apotheker im Wirtshaus an einen Tisch. profil: Viele hätten jetzt geantwortet: „Seine Fans kann man sich nicht aussuchen.“ Wiesinger: Das stimmt ja auch. Kein Künstler kann sich dagegen wehren, dass anderen seine Sachen gefallen oder auch nicht gefallen. Der eine findet das Bild supertoll, der andere scheiße. Hofer kenne ich schon lange. Ich habe mich mit ihm immer gut verstanden, und ihm, so wie vielen anderen, gefallen halt auch meine Bilder.
Wenn Sie ein Hitler-Bild brauchen, besorgen Sie sich eines in einem Antiquariat.
profil: Sie haben Landser und Burschenschafter gemalt und eine Lithografie mit Titel „Endsieg“ gemacht. Wie stehen Sie heute zu diesen Bildern? Wiesinger: Ich habe Soldaten des Ersten Weltkrieges und Burschenschafter gemalt und werde dies bei Bedarf wieder tun! Drei „Endsieg“-Lithografien waren in den 1990er-Jahren in einer Galerie in einer Grafikmappe. Von der Galeristin wurde ich später bösartig vernadert. Und sie verbreitete damals auch das Gerücht, sie hätte Bilder von Hitler bei einer meiner Ausstellungen gesehen – und bezog sich auf Zeichnungen, die ich für das Buch einer Frau beigesteuert hatte, die nach einem Unfall schwer behindert war. Auf den Zeichnungen waren Schemen von Gesichtern zu sehen, die mir als Hitler-Porträts ausgelegt wurden. In der Illustrierten „News“ wurden meine drei „Endsieg“-Lithografien abgebildet. „Künstler malt zerfetzte Hände und Hitler auf Bestellung“, lautete dazu die Schlagzeile.
profil: Haben Sie Hitler je gemalt? Wiesinger: Nein, nie. Ich habe auch keine Veranlassung dazu. Wenn Sie ein Hitler-Bild brauchen, besorgen Sie sich eines in einem Antiquariat. Der Ruf, Hitler zu malen, ist der unnötigste Kropf, den man sich vorstellen kann. profil: Reichten Sie Klage ein? Wiesinger: Ja! Der Richter sah meine Bilder. Er sagte: „Ich wuchs in der Hitler-Zeit auf. Wenn Sie ihn tatsächlich so gemalt hätten, wären Sie eingesperrt worden.“ Wir einigten uns auf einen Vergleich. profil: Würden Sie Hitler auf Bestellung malen? Wiesinger: Ich bin nicht käuflich. Auch in dieser Beziehung nicht. profil: Sind Sie durch Ihre neue kulturpolitische Funktion zum Staatskünstler aufgestiegen? Wiesinger: Um Gottes willen! Staatskünstler wollte ich nie werden.
profil: Der Schriftsteller Thomas Baum ist wegen Ihrer Ernennung aus dem Beirat ausgetreten. Wiesinger: Der hätte angeblich nach acht Jahren ohnehin nicht mehr nominiert werden können. Denkt Baum, ich würde einen Putschversuch machen? Baum richtet sich, wie es aussieht, nur an meiner Bekanntheit auf. profil: Baum schrieb, Sie hätten für einen rechtsextremen Kongress eine Bildserie mit dem Titel „Endsieg“ fabriziert. Wiesinger: Das stimmt alles nicht. Wir prüfen rechtliche Schritte. Diese Art von Unwahrheiten, die alles aus dem Zusammenhang reißen, verachte ich zutiefst. Ich bin Gerechtigkeits- und Freiheitsfanatiker. Mit billigsten Taschenspielertricks wird ständig versucht, mich anzupatzen. profil: Sie haben auch in der inzwischen eingestellten Zeitschrift „Aula“ veröffentlicht, die das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes für deren Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus kritisiert hat. Wiesinger: Die „Aula“ war jahrzehntelang das Magazin für freiheitliche Akademiker. Dass die ganze Mannschaft in Ungnade fiel, dafür kann ich nichts. Ich leistete dazu auch keinen Beitrag.
Nur feine Menschen, angenehme Zeitgenossen waren da sicher nicht darunter.
profil: In der „Aula“ wurden KZ-Häftlinge als „Landplage“ bezeichnet. Wiesinger: Ich kenne den Autor besagter Zeilen, und er erklärte mir, das sei alles in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ von Mai 1960 nachlesbar. Das hat also nicht er zuerst geschrieben, sondern der zu jener Zeit eingesetzte Landeshauptmann, der notierte, KZ-Häftlinge in Oberösterreich hätten sich von Wäscheleinen Klamotten gezupft, teilweise gestohlen und auch schwere Verbrechen begangen. Nur feine Menschen, angenehme Zeitgenossen waren da sicher nicht darunter. Diese Herrschaften bezeichnete der Landeshauptmannstellvertreter Blöchl in seinen Memoiren ebenfalls als „Landplage“. profil: Wir sprechen über Menschen, die von einem mörderischen Regime fast zu Tode gebracht wurden. Wiesinger: Natürlich. Das ist fürchterlich, rechtfertigt aber nicht, dass sie anschließend auch Verbrechen begingen! Bei der „Aula“ lieferte ich zu dieser Thematik keine Zeichnungen ab.
profil: Bereuen Sie Ihre umstrittenen Facebook-Einträge? Wiesinger: Wenn man, so wie ich, jahrelang nur angegriffen, angepatzt, zutiefst beleidigt wird, reicht es einem irgendwann. Da kommt es dann zu Aussagen, die nicht ganz so fein und nobel sind. profil: Die ORF-Journalistin Lou Lorenz-Dittlbacher diffamierten Sie als „Tittenbacher“. Wiesinger: Das ist doch harmlos! Jedes Kabarett operiert mit diesen Mitteln. Ich werde als „Miesinger“ oder „Pissinger“ bezeichnet. Ich kann viel einstecken, es möge mir daher erlaubt sein, manchmal auch auszuteilen. Ich bin nicht nachtragend, dennoch denke ich: Euch merke ich mir, und irgendwann seid ihr dran. profil: Das ist doch eine unverhohlene Drohung. Wiesinger: Nein, klingt brutaler, als es ist. Irgendwann ist ein Schmäh oder eine nicht so feine Aussage fällig. Ich bin ein friedlicher Mensch. Aber mein Feind möchte ich nicht sein.
Die linke Abteilung, die mich pausenlos beflegelt. Einer schrieb auf Facebook, es sei eine Frechheit, dass ich überhaupt atme.
profil: Eva Blimlinger, die Rektorin der Wiener Akademie der bildenden Künste, bezeichneten Sie als „hässliches Stück Fleisch“. Wiesinger: Der Satz war zu grob formuliert, aber damit habe ich auch erreicht, dass sich andere Frauen mit Blimlinger solidarisch erklärt haben. Solidarität in Österreich ist bekanntlich eher selten. Andrea Kdolsky, die ehemalige Gesundheits- und Familienministerin, schrieb gerade auf Facebook, dass ein Frauenfeind wie ich niemals in diesen Kulturbeirat eintreten dürfe. Sie nennt mich im selben Atemzug „Abschaum“. Auch nicht fein! profil: Jetzt sind Sie wehleidig. Wiesinger: Ich bin der Letzte, der wehleidig wäre. Ich glaube vielmehr, dass die andere Seite wehleidig ist. Die teilt aus, und wenn man ein bisschen Paroli gibt, tut sie gleich so, als hätte ich riesige Platzwunden geschlagen. profil: Wer ist diese „andere Seite“? Wiesinger: Die linke Abteilung, die mich pausenlos beflegelt. Einer schrieb auf Facebook, es sei eine Frechheit, dass ich überhaupt atme. „Du Nazi-Sau! In den Keller!“, postete ein anderer. Aber wenn ich ein wenig knackiger werde, wird jedes meiner Worte auf die Waagschale gelegt. Ich bin kein Monster, aber ich erkenne mich beim besten Willen nicht darin, wie ich manchmal beschrieben werde.
profil: Die FPÖ macht seit Jahrzehnten Künstler in aller Öffentlichkeit verächtlich – siehe Elfriede Jelinek. Wiesinger: Jelinek hat das ja wahrscheinlich auch provoziert. Niemand kann mir weismachen, dass es keine Provokation ist, wenn zum Beispiel ein Herr Mühl öffentlich kotet. profil: Jelinek hat Romane und Texte geschrieben. Wiesinger: Sie hat genau dies mit Texten gemacht – und die FPÖ oft als Nazi-Truppe oder Braunstiefel-Arschlöcher umschrieben. Es wundert mich nicht, dass die dann auch einmal sagen: „Jetzt sind wir einmal an der Reihe!“ Angriff und Verteidigung! profil: Jelinek erlaubt sich, Kritik an der Geschichtsvergessenheit hierzulande zu üben. Wiesinger: Das ist auch ein Taschenspielertrick. Wie diese Kunsthistorikerin neulich in der „ZIB 2“, die meine Kunst als rückwärtsgewandt abtat und mich in die Nähe des Nationalsozialisten und Malers Switbert Lobisser rückte. Miese Tricks, mich immer wieder in die Nähe der Nazis zu schieben.
Als Jugendlicher war ich bereits von dem Wahlspruch meiner Verbindung angetan: „Ehre, Freiheit, Vaterland.“
profil: SPÖ-Landesrätin Birgit Gerstorfer attestiert Ihnen eine „Nähe zu NS-Ideologien“. Wiesinger: Was soll der Schwachsinn! Vielleicht ärgert es sie, dass mir der Sozialismus in seiner Gesamtheit – der nationale wie internationale – nicht behagt. Ich sehe beides als Völkergefängnis an, lehne den Sozialismus jeder Ausprägung ab. profil: Warum haben Sie sich bis heute nicht klar vom Nationalsozialismus distanziert? Wiesinger: Ich laboriere nicht an Distanzeritis, weil sich heute ständig jeder von irgendwas distanzieren muss. Ich muss mich vom Nationalsozialismus nicht distanzieren, weil ich damit rein gar nichts am Hut habe. Das Dritte Reich hat einen Völkerkerker geschaffen. Der reine Sozialismus à la DDR hat eine Mauer um das Land hochgezogen. In Kuba unter Castro wurden Menschen in rauen Mengen ermordet. profil: Jetzt klingen Sie wie ein Revisionist, der Gräuel gegeneinander aufrechnet. Wiesinger: Nein, sicher nicht! Verbrecherisch in ihren Auswirkungen waren beide, Nationalsozialismus wie Sozialismus. Das muss man ohne ideologische Scheuklappen sagen dürfen.
profil: In einem profil-Interview 2016 wurden Sie nach der „Auschwitzlüge“ gefragt. Wiesinger: Das ist bis heute nicht mein Ressort. Außerdem gibt es auch immer wieder neue Erkenntnisse darüber. profil: Welche neue Erkenntnis könnte Ausschwitz je relativieren? Wiesinger: Natürlich gibt es immer wieder Neues. Das ist aber, wie gesagt, nicht mein Revier. Auschwitz war grauenhaft, keine Frage. Es ist für mich immer unbegreiflich, wie Menschen anderen so etwas antun können. profil: In Auschwitz wurden mehr als eine Million Menschen ermordet. Wiesinger: Es geht mir nicht um die Zahl. Es geht um das, was sich Menschen gegenseitig antun. Einer ist schon zu viel! profil: Für viele Künstler ist Auschwitz gleichsam der Ausgangspunkt ihrer Arbeit. Wiesinger: Meiner ist hier, im Innviertel. Der Grund, auf dem ich arbeite, ist hier. Das ist mein Zuhause. Meine zweite Basis ist meine 1964 entstandene Burschenschaft. Als Jugendlicher war ich bereits von dem Wahlspruch meiner Verbindung angetan: „Ehre, Freiheit, Vaterland.“ Das ist meine Heimat, nicht irgendwelche historischen Ereignisse. Sind Sie Journalist wegen Ausschwitz? profil: Unter anderem. Wiesinger: Man kann natürlich dagegen anschreiben, dass so was nie wieder passiert. Ich würde auch ein Bild malen, dass so was nie wieder passiert, wenn mich wer fragt. Aber der Hauptgrund, weshalb ich male, ist nicht Auschwitz.
Darf ich keinen Schäferhund mehr halten, weil Hitler auch einen hatte? Da wird es dann eng. Ich habe übrigens gar keinen Hund.
profil: Sie sind Mitglied einer schlagenden Verbindung … Wiesinger: … wir sind die Bösen. profil: Sind Sie nicht die Bösen? Wiesinger: Das wird jedenfalls behauptet. Ich finde nicht. Ich bin alter Herr und Ehrenbierzipfträger, weil ich im Kommersbuch Zeichnungen angefertigt habe. Mensuren mache ich nicht mehr. Auf der Bude fällt sicher hin und wieder eine blöde Meldung. Aber die gibt es überall, an jedem Stammtisch und in jedem Bierzelt. Alles andere sind Gerüchte. profil: Ein anderes Gerücht besagt, Sie hätten sich beim Ablegen Ihres Eids beim Bundesheer geweigert, auf die Republik Österreich zu schwören. Wiesinger: Ich rückte spät ein, 1989, und wurde Soldatenvertreter. Eines Tages fragt mich mein Vizeleutnant, ob es stimme, dass ich deutschnationaler Burschenschafter sei und wie das mit der anstehenden Angelobung auf die Republik unter einen Hut zu bringen sei. Es war eine Häkelei unter Soldaten. Der Vizeleutnant fragte mich also, ob die Angelobungszeile „für das österreichische Volk“ für mich vertretbar sei – als Deutschnationaler. Ich machte den Spaß mit und gab zur Antwort: „,Österreichisches Volk‘ geht für mich nicht, aber ,österreichische Bevölkerung.‘“ Ich machte das Zeremoniell natürlich mit und leistete meinen Treueschwur. Ein Scherz unter Soldaten. Als Gefreiter rückte ich wieder ab.
profil: Der Vizekanzler dieser Republik übernahm unlängst die von den Identitären häufig benutzte Vokabel vom „Bevölkerungsaustausch“. Sollte Strache nicht besser auf seine Worte achten? Wiesinger: Er kann doch nicht Tausende Seiten durchforsten, ob die Identitären oder sonst irgendwer irgendwann ein bestimmtes Wort bereits verwendet haben. Man weiß es oft nicht. profil: Von der Formulierung „Unsere Ehre heißt Treue“ sollte man schon wissen. Wiesinger: Ich bin mir nicht sicher, ob man das unbedingt wissen muss. profil: „Arbeit macht frei“? Wiesinger: Das sollte man kennen. Es gibt Formulierungen wie diese, die im Gebrauch tabu sind. Deshalb aber Tausende Seiten Identitären-Literatur zu durchkämmen, halte ich für übertrieben. Darf ich keinen Schäferhund mehr halten, weil Hitler auch einen hatte? Da wird es dann eng. Ich habe übrigens gar keinen Hund. profil: Die John-Otti-Band ist die Hauskapelle der Freiheitlichen Partei. Sie sind unter den ersten Künstlern, die sich offen zur FPÖ bekennen. Fürchten Sie sich nicht vor einer möglichen Punzierung? Wiesinger: Nein. Bei der John-Otti-Band darf ich dennoch nicht mitsingen. Beim Kanzlerfest schämt sich Sebastian Kurz auch nicht für seine Künstlerfreunde. Viele Künstler sind mit ehemaligen roten Kanzlern befreundet! Und ich schäme mich nicht für meine Freundschaft mit Hofer, Strache und anderen.
profil: Beim Kanzlerfest erscheinen in der Regel viele Künstler. Wiesinger: Aber ich fühle mich bei FPÖ-Veranstaltungen oft sehr einsam als kulturelles Feigenblatt. profil: In der Kunstszene ist die FPÖ nach wie vor sehr unbeliebt. Wiesinger: Es dürfte sich um eine Art Hass-Liebe handeln. Während meines Kunststudiums fragte mich ein Professor, ob ich denn nicht wisse, dass die Kunst links angesiedelt sei. Ich sagte nein, weil ich Malerei und nicht Politikwissenschaft studieren wollte. Kunst und Politik brauchen sich, sollen sich aber auch möglichst in Ruhe lassen. Natürlich würde ich jederzeit ein Strache-Porträt malen. Ich habe auch eines von Ex-Landeshauptmann Josef Pühringer gezeichnet. profil: Sind die Seenlandschaften, die Sie gerade malen, also vollkommen unpolitisch? Wiesinger: Eine grüne Gemeinderätin stellte einmal fest, meine Fremdenfeindlichkeit drücke sich in meinen Bildern aus. Ich schrieb ihr darauf: „Gnädigste, Sie sehen auf meinen Landschaftsbildern keinen Menschen. Ich bin also anscheinend nicht nur Ausländerfeind, sondern auch Inländerfeind.“ Fremdenfeindlichkeit kann man mir wirklich nicht vorwerfen. profil: Wie weit darf die Kunst gehen? Darf man Kunst verbieten? Wiesinger: Eindeutig: nein. Wie weit sie gehen darf, muss jeder Künstler für sich selbst entscheiden. profil: Die zwei Meter hohe Phallus-Statue in Traunkirchen geht in Ordnung? Wiesinger: Ich glaube, nur diejenigen mit kleinen Penissen regen sich über so einen Riesenpenis auf. profil: Fühlen Sie sich als Künstler, der offen seine Nähe zur FPÖ eingesteht, als eine Art Avantgardist? Wiesinger: Avantgarde gefällt mir. Es gibt einige Künstlerkollegen, die der FPÖ bei Wahlen ihre Stimme geben, die sich aber vielleicht nicht trauen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, weil sie an mir das beste Beispiel dafür sehen, wie es einem dann ergeht. Steh dazu: Das lernt man in der Burschenschaft.
Interview: Wolfgang Paterno
Norbert Hofer empfahl all jenen, die über die Entsendung Odin Wiesingers in den Kulturbeirat empört seien, sich selber ein Bild von dem Innviertler Maler zu machen, am besten in dessen Atelier. Wolfgang Paterno hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ein Zugticket nach Andorf gebucht. Angelika Hager und Sebastian Hofer recherchierten von Wien aus, Gregor Mayer in Budapest.