Malibu und Speck

Malibu und Speck: Fellner in Kriminalfall verwickelt

Wolfgang Fellner im Zentrum eines rätselhaften Kriminalfalls.

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Paris, 18. Juni 2016, ein Samstag. Fußball-Europameisterschaft. Im "Parc des Princes" trotzt Österreichs Nationalmannschaft dem späteren Europameister Portugal ein 0:0 ab. Unter den 43.000 mehr oder weniger enthusiasmierten Zusehern ist auch ein gewisser Wolfgang Fellner, Verleger. Er ist tags zuvor in Begleitung eingetroffen, um das Wochenende in der französischen Hauptstadt zu verbringen. Den Rückflug wird er am Sonntagabend antreten.

Wien, irgendwann zwischen dem 17. und 19. Juni 2016. Bezirk Döbling, eine der besseren Wohngegenden der Stadt. Ein, sehr wahrscheinlich aber mehrere Täter verschaffen sich Zutritt zu einer an diesem Wochenende verwaisten Villa. Sie sind über die Hinterseite gekommen, durch den Garten, haben eine Scheibe eingeschlagen. Dass das Nachbarhaus rund um die Uhr von Securitys bewacht wird, scheint sie nicht weiter zu bekümmern. Überhaupt dürften sie sich ihrer Sache ziemlich sicher sein. Sie lassen sich Zeit - ganz so, als ob sie wüssten, dass weder der Eigentümer, ein Familienmitglied noch die Haushälterin auftauchen werden. Während des Einbruchs erfrechen sie sich gar, zu jausnen. Speck und Apfelsaft aus der Küche des Hausherrn. Die Polizei wird später von einem ungewöhnlichen Tatbild sprechen, von "Besonderheiten".

Das Haus in Döbling gehört dem Unternehmer Wolfgang Fellner, Gründer der Verlagsgruppe Österreich, zu welcher unter anderem auch die gleichnamige Tageszeitung zählt. 1992 hatte Fellner das Magazin "News" auf den Markt gebracht, das heute - wie auch profil - Teil der Verlagsgruppe News ist, an welcher die Familie Fellner noch eine Finanzbeteiligung von nicht ganz 19 Prozent hält.

Wie die Polizei festgestellt hatte, war der 'Einbruch' von Besonderheiten gekennzeichnet, die sich üblicherweise bei Einbrüchen anders gestalten

Was den Einbruch vor nunmehr vier Monaten über die Speckjause hinaus so anders macht: die Beute. "Bemerkenswert an diesem Einbruch war, dass praktisch keine wertvollen Gegenstände gestohlen wurden", heißt es in einer profil vorliegenden Stellungnahme des Wiener Rechtsanwalts Georg Zanger vom 19. September dieses Jahres, verfasst in Fellners Namen, adressiert an das Landeskriminalamt Wien (dieser Schriftsatz ist Teil eines anderen Verfahrenskomplexes)."Wie die Polizei festgestellt hatte, war der ,Einbruch' von Besonderheiten gekennzeichnet, die sich üblicherweise bei Einbrüchen anders gestalten. Es wurde praktisch nichts Wertvolles, das sich im Haus befand, mitgenommen. Auch das Hinterlassen von Speck und Apfelsaft ist in keiner Weise erklärbar und vergleichbar mit Handlungen von Einbruchsdieben." Die Diebe, so der Anwalt, wollten allem Anschein nach eine "eine falsche Fährte hinterlassen".

Auf profil-Anfrage präzisiert Zanger, dass die Einbrecher "mit Ausnahme einiger alter Uhren andere Gegenstände von teils erheblichem Wert unbeachtet gelassen haben".

Und doch ging noch etwas mit. Etwas, das erst recht Fragen aufwirft. Die Täter sollen Fellners Haus gezielt nach Dokumenten durchwühlt haben, die sie schließlich fanden und stahlen: Bankunterlagen, Verträge. "Es handelte sich unter anderem um alte Kontoauszüge sowie um Urkunden zu dem Haus in Wien und zu einer Liegenschaft in den USA." Die Absenz dieser Dokumente bemerkte Fellner eingedenk des Durcheinanders nach dem Einbruch laut eigener Aussage erst Wochen später.

Wir hatten es hier mit einer selektiven Durchsuchung zu tun. Das waren Profis

Warum sollte jemand in ein Haus einsteigen, um hauptsächlich Papierkram mitgehen zu lassen? Eine Antwort darauf ist vorerst nicht möglich. "Wir hatten es hier mit einer selektiven Durchsuchung zu tun. Das waren Profis", sagt Zanger.

Doch es wird noch rätselhafter. Am 13. September, also vor nunmehr knapp mehr als einem Monat, publiziert die investigative Online-Plattform dossier.at einen ausführlichen Artikel zu Wolfgang Fellners Hideout in Malibu, Los Angeles County, im US-Bundesstaat Kalifornien. Dass Fellner dort seit Jahren über ein Haus verfügt (fünf Schlafzimmer, vier Bäder, Pool, 11.088 Quadratmeter Grund), ist an sich kein Geheimnis. Er vermietet die Liegenschaft in Abwesenheit an Geneigte (35.000 Dollar Miete im Monat) und steht auch im lokalen Telefonbuch. In dem Artikel enthüllt dossier.at allerdings, dass das Haus 2004 von einem Wolfgang Fellner zuzurechnenden Briefkasten mit Sitz in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware, errichtet von einem Treuhänder, erworben wurde.

Delaware ist bekannt für sein unkompliziertes und vor allem diskretionäres Gesellschaftsrecht, das Unternehmensgründungen zu einer Sache von Minuten werden lässt (steuerliche Aspekte sind demgegenüber eher zu vernachlässigen). Laut dossier.at steht das Haus in Malibu, das einst unter anderem Steven Spielberg gehörte, bis heute im Eigentum einer Pacific Highway Sunshine LLC (vormals Fellner Media USA LLC). Dass es im Zusammenhang mit dem Hauskauf (oder auch danach) zu Unregelmäßigkeiten gleich welcher Art gekommen wäre, wurde von dossier.at ausdrücklich nicht behauptet. Der Verleger selbst hielt seine Auskunftsfreude in engen Grenzen.

Geht es nun nach Wolfgang Fellner und dessen Anwalt Georg Zanger, dann nimmt diese Veröffentlichung "geradezu explizit" auf jene Unterlagen Bezug, die bei dem Einbruch mitgingen. In dem Schriftsatz vom 19. September ist dazu vermerkt: "Die dort getroffenen Feststellungen und Vermutungen wären ohne diese Dokumente nicht möglich gewesen." Gegenüber profil ergänzt Zanger, dass Fellner erst nach Erscheinen des Artikels festgestellt habe, dass bei dem Einbruch offenbar bestimmte Unterlagen aus privaten Aktenordnern im Dachgeschoß des Hauses gezogen wurden. "Es handelte sich vor allem um Bankdaten und Vertragsunterlagen betreffend ein Haus der Pacific Sunshine LLC in Los Angeles, das von Herrn Fellner bewohnt wird, wenn er sich dort aufhält."

Warum sollte jemand einen Einbruch begehen, hauptsächlich Papierkram entwenden und diesen anschließend zumindest teilweise einem Medium zuführen?

Unsere Recherche begann mit dem Telefonat zwischen Werner Faymann und Wolfgang Fellner

Auch das lässt sich nicht beantworten. Umso weniger, als dossier.at Wert auf die Feststellung legt, gar keine Unterlagen zugespielt bekommen zu haben. "Unsere Recherche begann mit dem Telefonat zwischen Werner Faymann und Wolfgang Fellner", schreibt Chefredakteur Florian Skrabal in einer Stellungnahme an profil. "Ein ungewöhnliches Telefonat: Der Bundeskanzler erzählt, dass er zurücktritt, der Herausgeber hört zu. In seinem Haus in Malibu." Tatsächlich war Fellner der erste Journalist, den Faymann am 9. Mai dieses Jahres kontaktierte, um seine Demission zu verkünden - der "Österreich"-Herausgeber weilte zu diesem Zeitpunkt in den USA. "Der Rest war eine Recherche in öffentlichen Datenbanken, nichts Geheimes. In unserer Geschichte ist der Rechercheweg offen nachvollziehbar: Online-Quellen, US-Grund- und Firmenbücher und Vor-Ort-Recherche." Der guten Ordnung halber übermittelte Skrabal profil die in den Artikel eingearbeiteten (und öffentlich zugänglichen) Unterlagen nebst Rechnungen, welche die entsprechenden Datenbankabfragen dokumentieren.

Was steckt also hinter diesem mysteriösen Einbruch? Will jemand Wolfgang Fellner in Verlegenheit bringen - selbst um den Preis einer mit Haft bedrohten Straftat? Wurden möglicherweise Forderungen gestellt? Georg Zanger verneint das ausdrücklich. "Wir können uns all das nicht erklären."

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.