„Kunasek war für mich nie greifbar, hat selten mitgeredet und sich nie in den Vordergrund gedrängt“, kann sich Gerald Fleischmann, in der türkis-blauen Koalition für Message-Control zuständig, an den damaligen Verteidigungsminister Kunasek kaum erinnern.
Er ist nicht der Einzige: Der gelernte Kfz-Techniker und Unteroffizier war in Wien wenig präsent, die Entscheidung über die Eurofighter-Nachfolge vertagte er, bei seinen Budgetverhandlungen ließ er sich über den Tisch ziehen und stimmte einer Kürzung des Heeresbudgets zu. Schlagzeilen machte Kunaseks Ressort in seiner Amtszeit nur mit dem Ende des Binnen-I im Verteidigungsministerium und damit, dass die Sperre für Mitglieder der extrem rechten Identitären kurz aufgehoben und auf Druck von Kanzler Sebastian Kurz rasch wieder in Kraft gesetzt wurde.
Erbe Puntigamer Bier
Recht viel mehr Spuren hat Kunasek in Wien nicht hinterlassen. Er selbst witzelt darüber: „Meine bleibende Leistung ist, dass im FPÖ-Parlamentsklub in Wien Puntigamer-Bier ausgeschenkt wird.“ Nach dem Ibiza-Skandal war es mit dem Ministeramt vorbei, aber Kunasek hätte es auch ohne Platzen der türkis-blauen Regierung zurück in die Steiermark gezogen.
„Er ist der Mister Unauffällig. Er war immer sehr zurückhaltend und nie ein Polterer“, beschreibt Raubein und Ex-FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler den ungewöhnlichen Blauen Kunasek. Westenthaler wohnt teilweise in der Steiermark und erklärt das Prinzip Kunasek so: „Seine Stärke ist die Umgänglichkeit. Die Steirer sind gesellige Menschen, Kunasek ist bodenständig und geht gerne auf die Menschen zu.“ In der Tat gibt sich Kunasek betont leutselig und inszeniert das bewusst als Gegensatz zum Amtsinhaber, Landeshauptmann und ÖVP-Politiker Christopher Drexler, der mit dem Publikum im Bierzelt manchmal fremdelt.
Skandalserie
Die Unauffälligkeit ist nicht das einzige Handicap des Mannes, der gerne Landeshauptmann werden möchte. Das zweite wiegt schwerer: eine Serie von Skandalen und Affären, die bei anderen Politikern wohl gleich für mehrere Wahlniederlagen gereicht hätte.
1,8 Millionen Euro an Parteigeldern sind in der Grazer FPÖ verschwunden. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass das Steuergeld veruntreut worden sein könnte. Unter den Beschuldigten ist auch Mario Kunasek, dem Landesparteichef hätten aus Sicht der Ermittler die Geldflüsse der Stadtpartei auffallen müssen. Umso mehr, als auf das Spesenkonto des früheren Grazer FPÖ-Vizebürgermeisters Mario Eustacchio 2017 auch eine 50.000 Euro schwere „Zwischen Finanzierung lt. Freiheitliche Partei“ einging. Zudem geht die Staatsanwaltschaft einer anonymen Anzeige nach, laut der Kunasek Parteigelder auch für den Bau seines Privathauses missbraucht haben soll. Weiters finden sich neben Buchungen mit dem Titel „Vakuumpumpe“ oder „Faschingskostüme“ auch Posten wie „Hochzeit Kunasek“. Wie alle Beschuldigten weist Kunasek die Vorwürfe als „Schmutzkübel“ zurück, es gilt die Unschuldsvermutung.
Juristisches Ungemach droht Kunasek auch aus seiner Minister-Zeit: Chats am Handy von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache deuten eine Absprache zwischen der FPÖ und der Mediengruppe „Österreich“ an. Am 23. April 2019 schrieb Strache in eine FPÖ-Chatgruppe: „Bitte weiter bei Fellner schalten. Wir haben es geklärt! Er kommt uns entgegen! Lg“ Der Verdacht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft: Strache habe hier angeordnet, wo die Inseratengelder der Ministerien fließen sollen. Ein Vorwurf, den alle Beteiligten, auch Kunasek, bestreiten. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Straches Chats liefern Einblicke in die Personalpolitik unter Kunasek. Am 30. März 2019 schrieb er etwa, die FPÖ müsse „unsere loyalen Leute in der Führung festsetzen“. Kunasek reagierte genervt: „Wann etwas passiert entscheide ich.“ Und: „Alle Landeswehrsprecher sind angehalten mir Wünsche bekanntzugeben. Über 3 Ecken geht das nicht.“ Als Strache Namen vorschlug, etwa eine Person, die er als „auch top und einer aus meiner Jugendzeit :-)“ beschreibt, antwortete Kunasek mit: „Jawohl Sir…:-)“
Pro-Border-Übung
Er habe sich bei allen Personalentscheidungen strikt an die gesetzlichen Vorgaben und die Vorschläge der Begutachtungskommission gehalten, ließ Kunasek aus seinem Büro ausrichten. Und: Der Fokus sei „nie auf Parteizugehörigkeit“ gelegen, sondern stets darauf, „was die Truppe braucht“.
Die stramme Gesinnung von Kunasek steht außer Frage. Während der Flüchtlingskrise 2015 organisierte die extrem rechte Gruppierung „Partei des Volkes“ in der Steiermark an der Grenze Demos und postete über Besuche von „Kuni“. In seiner Regierungszeit zeichnete er gemeinsam mit Innenminister Herbert Kickl für die martialische und teure „Pro Borders“-Grenzschutzübung verantwortlich. Heute prangt auf einem FPÖ-Plakat der Slogan: „Radikal. Kriminell. Abflug!“
Rostlöser
In einer deutschnationalen Burschenschaft war Kunasek nie, mangels Matura und Studium: Nach mehreren Nicht Genügend in der vierten Klasse war Schluss mit Gymnasium, es folgten Kfz-Lehre und das Bundesheer als Zeitsoldat. Dort kandidiert er für die Personalvertretung und kümmert sich für die FPÖ-Jugend um Discoabende. Die Kfz-Lehre betont Kunasek gern, bezeichnet sich selbst als „Rostlöser“ und die FPÖ als „Autofahrerpartei“.
Die Wahl in der Steiermark ist die erste, seit die FPÖ im Bund nichtden Regierungsbildungsauftrag erhielt. Das versucht die FPÖ als Zusatzturbo zu nutzen und wettert gegen die „Koalition der Verlierer“ in Wien. In der Steiermark, gibt sich Kunasek zuversichtlich, laufe es anders: ÖVP oder SPÖ könnten mit ihm regieren und ihn zum Landeshauptmann küren.
Oder es kommt anders. Und ÖVP, SPÖ und eine dritte Partei schließen sich auch in der Steiermark zum Bündnis zusammen. Und lassen die blauen Landeshauptmann-Träume platzen.