Markus Marterbauer: Der Finanzminister für die roten Zahlen
Schwindelig konnte einem werden, als man das SPÖ-Personalkarussell für das Finanzministerium beobachtete. Zunächst kursierten Gerüchte, Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz werde den Posten antreten, dann fiel der Name der Nationalratsabgeordneten Michaela Schmidt, später des Brüsseler EU-Abgeordneten Andreas Schieder. Zuletzt stand der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke zur Diskussion, der nun doch das Infrastrukturressort übernimmt. Die Vielzahl prominenter Namen machte deutlich, wie sehr in der SPÖ um die Besetzung des Schlüsselressorts in der Wiener Johannesgasse gerungen wurde.
Am Freitag lüftete sich das Geheimnis: Parteichef Andreas Babler konnte sich, für viele überraschend, durchsetzen. Ergebnis: Markus Marterbauer, derzeit Chefökonom in der Arbeiterkammer und Bablers Wunschkandidat, wird der neue Finanzminister – der erste Rote seit 25 Jahren. Vermutlich hatte der bisherige Leiter der Abteilung für Wirtschaftswissenschaft und Statistik geplant, die Tage um seinen sechzigsten Geburtstag im Kreise seiner zwei Kinder zu verbringen. Oder vielleicht eine umfassende makroökonomische Analyse zum Regierungsprogramm aus Sicht der Arbeiterkammer zu verfassen.
Ein 31-seitiges Papier der Arbeiterkammer, das kurz nach Präsentation des Regierungsprogramms erschien, liefert eine kritische Analyse – auch zu jenen Bereichen, die künftig unter sozialdemokratischer Verantwortung stehen. Die Arbeitnehmervertretung fordert weiterhin eine Besteuerung von Vermögen und Erbschaften sowie eine Erhöhung der Körperschaftssteuer für Unternehmen. Doch das Regierungsprogramm steht fest – ohne die von der Arbeiterkammer geforderten Vermögenssteuern.
Babler setzt sich gegen Wien durch
Marterbauer gilt als Proponent des Babler-Flügels innerhalb der Sozialdemokratie. Die Besetzung dieses zentralen Ressorts offenbarte die innerparteilichen Spannungen zwischen Parteichef Andreas Babler und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. Dass Peter Hanke, bisheriger Finanzstadtrat, ins Infrastrukturressort einzieht, dürfte dazu beigetragen haben, das Rathaus milde zu stimmen. Mit Marterbauer im Finanzministerium spiegelt sich zudem der Einfluss der mächtigen Arbeiterkammer auf der Regierungsbank wider. Aber eine Frage bleibt: Wer ist Bablers Mann?
Der in Uppsala in Schweden geborene Marterbauer spricht Schwedisch und verweist gerne in seinen Schriften auf den skandinavischen Wohlfahrtsstaat. Er gilt als Anhänger der keynesianischen Schule und plädiert für staatliche Eingriffe in den Markt. „Indem man in Preise eingreift“, meinte er 2023 in einem profil-Interview, könne man kluge Wirtschaftspolitik gestalten.
Seine Karriere als Ökonom begann der Sozialdemokrat an der Wirtschaftsuniversität Wien. Nach einer Station als Konjunkturreferent am Wirtschaftsforschungsinstitut ist Marterbauer seit 2011 in der Kammer für Arbeiter und Angestellte, nebenher lehrt er an der Universität Wien. Seine Publikationen befassen sich mit Ungleichheit und Umverteilung – wenig verwunderlich für den langjährigen Chefökonomen der Arbeiterkammer.
Marterbauer ist jedoch nicht nur ideologisch auf einer Linie mit Andeas Babler, er engagierte sich im Personenkomitee für dessen Nationalratswahlkampf und spielte auch im parteiinternen Dreikampf um den SPÖ-Vorsitz eine Rolle als wirtschaftspolitischer Berater für den Traiskirchner Bürgermeister Babler. Er gilt als meinungsstark und wird in den Medien gerne als Stimme der linken Wirtschafts- und Finanzpolitik gefragt. Seine Argumente sind fundiert, doch der ideologische Zugang könnte in der Regierungszusammenarbeit mit dem wirtschaftsliberalen Flügel der Volkspartei und Neos zur Herausforderung werden. Die ÖVP wird Marterbauer eine Aufpasserin ins Ressort schicken: An seiner Seite wacht die steirische Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) als Staatssekretärin.
Mit dem Defizit im Budget dürfte Marterbauer gut vertraut sein: Die Arbeiterkammer entsandte ihn als Vizepräsidenten in den Fiskalrat unter der Leitung von Christoph Badelt. Menschlich gilt Marterbauer als stoisch, Diskussionen führt er konstruktiv, Kontroversen scheut er keine. Von Industrie oder Wirtschaft lässt sich der selbstbewusste Ökonom kaum einschüchtern, Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer bezeichnete ihn vor wenigen Monaten als „volkswirtschaftliche Diva“.
Rote Zahlen
Sein Faible für Zahlen wird er im Finanzministerium ausleben können. Doch angesichts des massiven Budgetlochs wird er jeden Euro umdrehen müssen. Die entscheidende Frage bleibt: Wie viel Gestaltungsspielraum hat der rote Ökonom in einem seit 25 Jahren schwarz geführten Ministerium? Und in einer Zeit, wo durch die Koste-es-was-es-wolle-Politik der Vorgängerregierung und die Maastricht-Kriterien der EU ein Sparkurs angezeigt ist?
Als Freund von Sparpaketen hat sich Marterbauer bisher nicht profiliert. Sein Ansatz war bisher immer: In Zeiten der Krise, sollte die öffentliche Hand erst recht investieren – sparen sollte man in Zeiten der Prosperität.
Die politische Arbeit ist Marterbauer jedenfalls nicht völlig fremd. Als Experte für Fiskalangelegenheiten saß er häufig stellvertretend für die Fraktion der Arbeitnehmer in den Budgetausschüssen. Es liegt in der Natur der Sache, dass er dabei vor allem die Interessen der Arbeitnehmer im Blick hatte.
Als neuer Finanzminister wird er sich wohl oder übel breiter aufstellen müssen.