Sellner beschäftigt sich schon länger mit derartig radikalen Ideen. Bereits 2022 schrieb er – gemeinsam Martin Semlitsch, Vordenker von Wiens rechter Szene – ein Buch über den sogenannten Bevölkerungsaustausch, der die autochthone Bevölkerung zur Minderheit im eigenen Land mache. Im Frühjahr 2023 veranstalteten dann die „Österreicher“ – eine Nachfolgeorganisation der Identitären – eine „Remigrations-Tour“ durch Oberösterreich.
Wehleidig und masochistisch
„Remigration“, das bedeutet die massenhafte Außer-Landes-Schaffung von Millionen von Menschen. Einerseits geht es dabei um jene, die einen negativen Asylbescheid erhalten haben, andererseits aber auch um Staatsbürger, die sich „nicht assimiliert“ hätten. Ihnen sollen Anreize geboten werden, den Pass zurückzulegen und das Land zu verlassen. All das, so behauptet Sellner, solle im Rahmen der Gesetze passieren und würde beispielsweise in Schweden schon geprüft werden.
Bei diesem Denkkonstrukt handelt es sich um den Ankerpunkt eines völkischen Weltbilds. Für Sellner ist der „Erhalt der ethnokulturellen Einheit“ das zentrale politische Ziel, dem alles andere unterzuordnen ist. Alle anderen Fragen würden vor der "Schicksalsfrage der Demographie" verblassen. Anders könnte man es so formulieren: Das deutsche Volk muss deutsch bleiben, das französische französisch. Diese Thesen hat er im Vorjahr in einem Buch mit dem Titel „Regime Change von rechts“ ausgebreitet.
Es wimmelt darin von Argumenten, die Menschen auf die Zugehörigkeit zu einer Ethnie reduzieren, andere Identitätsmerkmale scheint es für Sellner nicht zu geben: So heißt es darin, dass Menschen, die sich nicht gegen Migration zur Wehr setzen, von „Selbsthass und Ethnomasochismus“ getrieben wären. Die Bevölkerungen Westeuropas hätten sich in eine „überalterte, hypermoralische, wehleidige Biomasse“ verwandelt, die der „Beschreibung als ‚Volk‘ beinahe spottet“. Einwandern sollen Menschen nur mehr, wenn sie zu Migrantengruppen gehören, die „erfahrungs- und erwartungsgemäß assimilationsfähig und -willig sind“.
Keine Distanzierung der FPÖ
Derartige Ideen haben sich auch in der FPÖ breitgemacht. Denn von der einst von den Ex-Parteichefs Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer verhängten Abgrenzung von den Identitären ist nichts übrig geblieben. Generalsekretär Christian Hafenecker erklärte am Mittwoch, er sehe keinen Anlass, sich von Sellner – er nennt ihn einen „Patrioten“ – zu distanzieren. Auch Parteichef Herbert Kickl distanzierte sich im Interview in der „ZIB 2“ betont nicht.
Das passt zur blauen Strategie: Schon im Herbst 2022 präsentierte die „Freiheitliche Jugend“ einen „Remigrationsbericht“ und eine Kampagne gegen den „Bevölkerungsaustausch“. Auf deren Website läuft seither ein Countdown bis zum demografischen „Kipppunkt“ – dann gäbe es in Österreich im wahlfähigen Alter mehr Menschen mit Migrationshintergrund als ohne.
Einige von Sellners Wegbegleitern haben außerdem schon bei der Partei angedockt. So referierte beispielsweise Coautor Semlitsch im Vorjahr bei einer Schulung für den Nachwuchs im Freiheitlichen Bildungsinstitut. Den rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek, der Sellners Bücher herausgibt und ihn einen Freund nennt, lud die FPÖ zu einer Podiumsdiskussion gar in die Klubräumlichkeiten im Parlament.
„Nur wenn eine kritische Masse im rechten Lager der richtigen Leitstrategie folgt“, so schreibt Sellner in der Einleitung des „Regime Change“-Buches, „verbessern wir die Überlebenschance für unser Volk im 21. Jahrhundert.“ Es läuft für ihn, so scheint es zumindest, wieder nach Plan.