Metapedia: Rechtes Wiki verbreitet Nazi-Gedankengut

Die Aufmachung ähnelt der bekannten Online-Enzyklopädie Wikipedia, doch auf den zweiten Blick wird klar: Metapedia verbreitet rechte Propaganda und will so die gesellschaftliche Debatte beeinflussen.

Drucken

Schriftgröße

Achtung, Verwechslungsgefahr: Es sieht aus wie das gewöhnliche Wikipedia, erst beim Inhalt der einzelnen Artikel wird man stutzig: Die "alternative" Enzyklopädie "Metapedia" verbreitet rechtsradikales Gedankengut. Trotzdem ist sie in Österreich frei zugänglich, vor allem über Suchmaschinen stößt man leicht auf die Seite.

Gibt man zum Beispiel den Suchbegriff "Republik Österreich" bei Google ein, ist der Metapedia Eintrag dazu unter den ersten Suchergebnissen. Wer auf den Artikel klickt, wird optisch kaum Unterschiede zu Wikipedia finden, der Inhalt hingegen unterscheidet sich deutlich: "Die Republik Österreich ist (...) ein deutscher Teilstaat und eine bundesstaatlich organisierte Republik in Südostdeutschland", heißt es dort. Ihr "Deutschtum" werde den Bewohnern von den "Siegern", also den Alliierten, ausgeredet, so der Artikel weiter. Österreich sei außerdem durch "Überfremdung" in seiner "Volkssubstanz" bedroht. Als Quellennachweise gibt es Literatur von bekannten Rechtsextremen und Links zu Online-Portalen der neuen Rechten, vor allem zur rechtsextremen deutschen Medium "Junge Freiheit".

Sucht man nach dem Begriff "Juden" kann man über die "leiblichen" sowie die "charakterlichen" Merkmale der ethnisch-religiösen Gruppe, sowie über "jüdische Gene" lesen: "Die 'Judennase' ist weltweit das bekannteste rassische Merkmal der Juden", konstatiert der Artikel, als jüdische "Eigentümlichkeiten" werden "eine untilgbare Vorliebe und hervorragende Befähigung für Geld- und Handelsgeschäfte, überwiegende Neigung zum Wucher, ferner eine hervorragende Veranlagung auf dem Wege der List und Bestechung" beschrieben. Die Judenvernichtung im Rahmen des Holocaust wird verharmlost: "Die jüdische Weltbevölkerung blieb zwischen 1930 und 1947 in etwa konstant. Demnach kann die Zahl der sogenannten Holocaust-Opfer nicht größer gewesen sein als das hypothetische Bevölkerungswachstum während dieses Zeitraumes."

Auch zu den wahrscheinlichen Protagonisten der kommenden Regierung hat Metapedia Artikel parat: In Heinz-Christian Straches Biografie wird vor allem seine rechte Vergangenheit betont: Strache stamme aus einem "betont deutschnationalen Umfeld", hervorgehoben werden außerdem seine Wehrsportübungen und seine frühere Verlobung mit der Tochter des rechtsextremen Politikers Norbert Burger. Gegenüber Sebastian Kurz lässt sich eher Skepsis erkennen: Ob er zum "Aufbruch des erstarrten politischen Systems" beitragen könne, sei zu bezweifeln. Kurz habe sich als Integrations-Staatssekretär für die "Überfremdung und Ausdünnung des deutschen Volks" eingesetzt.

Metapedia soll beeinflussen

64.802 Artikel in deutscher Sprache gibt es bisher auf der Plattform, die auf Daniel Friberg registriert ist. Friberg ist eine der Leitfiguren der "Alt-Right"-Bewegung, der "Alternative Rechten", in Europa. Anfang des Jahres organisierte er in Stockholm ein Treffen für Angehörige der neonazistischen, rechtsradikalen und rassistischen Gruppierung. Das Treffen sollte dazu dienen, Beziehungen zwischen Rechten in den USA und Europa zu fördern. Friberg ist der Medienmogul der Szene. Durch seine zahlreichen Websites, Verlage und Think Tanks versucht er, den öffentlichen Diskurs mit seinem Weltbild zu infiltrieren, rechte Propaganda zu "enttabuisieren". Dies ist auch der Zweck von Metapedia, wie sich auf der Startseite nachlesen lässt: "Metapedia hat einen metapolitischen Zweck, die Mainstream-Debatte, die Kultur und die historische Sichtweise zu beeinflussen."

Viele der Ansichten, die auf Metapedia verbreitet werden, fallen bei uns unter das Verbotsgesetz. Demgemäß ist es verboten, sich für die NSDAP oder ihre Ziele irgendwie zu betätigen, darunter fällt auch die "Leugnung, Verharmlosung, Gutheißung und Rechtfertigung" nationalsozialistischer Verbrechen. Trotzdem ist Metapedia auf Google bestens gelistet. Warum?

In Deutschland ist die Seite über Google nicht mehr aufrufbar, die zuständige Staatsanwaltschaft habe das Verfahren zwar eingestellt, weil kein Beschuldigter zu ermitteln war, so Corinna Bochmann von der deutschen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zu mokant.at, es sei aber gelungen, Metapedia in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufzunehmen. Die großen deutschen Suchmaschinenanbieter haben sich verpflichtet, Seiten, die auf dieser Liste stehen, nicht in den Suchergebnissen anzuzeigen. Eine bundesweite Jugendschutzbehörde gibt es in Österreich aber nicht.

Anzeige gegen Unbekannt

Medienrechtsexperte Hans-Peter Lehofer, Honorar-Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien, wundert sich: "Normalerweise sperrt Google solche Seiten sehr schnell, sobald die Staatsanwaltschaft ihnen das übermittelt". Ein juristisches Hindernis könne sein, dass weder ein Österreicher Inhaber der Seite, noch die Domain hierzulande registriert ist, und damit ein Ansatzpunkt für eine Strafverfolgung in Österreich fehlt, so Lehofer. Anders ist es, wenn persönliche Daten oder Ehrenrühriges über Personen aus Österreich veröffentlicht werden. Die Betroffenen könnten dann von Google die Entfernung der Links auf diese Seite aus den Suchergebnissen verlangen, so der Jurist.

Das bestätigt auch Barbara Schloßbauer von stopline.at, der Meldestelle des Verbands der österreichischen Internet-Anbieter: "Subseiten der Website wurden uns schon vielfach gemeldet und von uns auch je nach Inhalt als illegal eingestuft und an die Meldestelle beim Verfassungsschutz weitergeleitet", so Schloßbauer. "Bei Seiten, deren Host-Provider nicht in Österreich sitzt, ist die Entfernung aber oft schwieriger." Sitzt der Host-Provider der Seite in einem Land, in dem es kein Verbotsgesetz gibt, müsse man oft mehr Überzeugungsarbeit leisten: "Viele Provider haben aber strenge Geschäftsbedingungen und reagieren dann auch, wenn es zum Beispiel um Verhetzung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe geht." Schwieriger gestalte sich die Zusammenarbeit mit Google: "Hier steht die Meinungsfreiheit im Vordergrund, Eingriffe in die Suchergebnisse werden teilweise zum Politikum."

Karl-Heinz Grundböck, Pressesprecher des Innenministeriums, bestätigt, dass die Causa der Staatsanwaltschaft Wien übergeben wurde. Grundböck weist aber ebenfalls auf die Problematik der Urheberschaft hin, die in diesem Falle nicht in Österreich liegt. "Die Anzeige lautet gegen Unbekannt", so Nina Bussek von der Staatsanwaltschaft Wien, "wir untersuchen das momentan noch." Grundböck sieht die Entscheidung im Moment bei Google.

Google äußert sich auf Nachfrage von profil.at folgendermaßen zur Causa: "Das Ziel der Suche ist es, relevante und nützliche Ergebnisse für unsere Benutzer bereitzustellen. Die Suche ist eine Widerspiegelung dessen, was im Web existiert. Das richtige Gleichgewicht zu finden, ist ein wirklich herausforderndes Problem, das es erfordert, unsere Algorithmen kontinuierlich zu verbessern. Die Tatsache, dass Hassseiten in den Suchergebnissen erscheinen, bedeutet keinesfalls, dass Google diese Ansichten befürwortet."