profil-Morgenpost: Children Distancing

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Seit Freitag wissen Eltern minderjähriger Kinder, dass sie nicht bis Sommer im Assistenzeinsatz sein werden. Durch die Öffnung der Schulen ab Mitte Mai, die Bildungsminister Heinz Faßmann verkündete, kann das Wohnklassenzimmer wieder schrittweise rückgebaut werden ins reguläre Homeoffice oder stinknormale Wohnzimmer. Seit Wochen sind Eltern in der Doppelmühle als Ersatzlehrer und familiärer Systemerhalter gefangen. Sich als Familie in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg einzurichten, ohne Erfolgsdruck in Mathe und Physik, war ihnen nicht vergönnt. Nun wäre für die Eltern eigentlich ein rot-weiß-roter Thermen-Gutschein fällig (würde auch österreichischen Spas helfen, wieder heiß zu laufen).

Zumindest hat sich die Regierung nun auf dem Feld der Familienpolitik warm gelaufen. So bekommen in Woche sieben nach dem Shutdown sogar Eltern von Kindergartenkindern eine Perspektive, wie es mit ihren Kleinsten weitergeht – nachdem zuvor Tennisspieler, Baumarkt-Stürmer, Kirchengänger über ihre künftigen Corona-Spielregeln in Kenntnis gesetzt wurden.

In den Kindergärten der Hauptstadt werden Kinder nicht mehr abgewiesen, wenn beide Eltern im Homeoffice sind. Ein erstes Eingeständnis, dass es kein Kinderfasching ist, neben der Videokonferenz mit den Chefs und einer zweiten mit Lehrern, die Jüngsten vor Selbstverletzungen zu schützen. Das ist doch etwas.

Der gewisse Zynismus lässt auf die These der zentralen Geschichte in der aktuellen Ausgabe schließen: Kampf gegen das Virus eher top, Öffnung des Landes für Familien eher flop. Bisher zumindest. Die Schulöffnung noch vor dem Sommer scheint eher aus der Not geboren, weil das Hochfahren der Wirtschaft die Betreuung der Kinder daheim verunmöglicht.

Virenschleudern oder nicht?

Es ist mehr als eine Ahnung, dass so mancher in der Regierung mit einem Schul- und Kindergarten-Shutdown bis Herbst gut hätte leben können (bis auf einen Notbetrieb für Eltern kurz vor dem Burnout). Kein Wunder, dass sich viele Eltern bei der unmittelbaren Lebensplanung gefrotzelt fühlten. Hinter der Regierungsstrategie stand die Meinung: Kinder sind Virenschleudern, deswegen werden sie als letztes losgelassen. Klingt logisch. Aber war es wirklich mehr als eine Meinung? Die wissenschaftliche Unterfütterung der These wurde noch nicht offengelegt. Bisherige Evidenzen aus Nordeuropa lassen auch andere Schlüsse zu. Auch dazu mehr im aktuellen Heft.

Neue Betriebskultur für Corona-Kinder

Die Rückkehr in die Normalität ist für Kinder nicht nur eine Frage der Öffnung der Betreuungseinrichtungen. Noch kaum Thema ist die Auswirkung der Corona-Krise auf die Kinderpsyche. Welche „Generation Corona“ wächst heran? Eine mit neuer „Betriebskultur“ ,wie es eine bekannte Erziehungsberaterin in unserer Story formuliert? Sie meint: Die Kleinsten könnte man auf physische Distanz und eine neue Masken-Normalität trimmen. Schränkt aber ein: Wollen wir das?

Und wie lange können wir Kleinkinder noch von anderen potenziellen Spielgefährten zurückhalten? Dafür braucht es zunehmend physische Kraft. Nach Wochen des Ausnahmezustandes ein zunehmend unzumutbares Gezerre an der Kinderseele. Deswegen ist die Öffnung der Kinderwelten überfällig. Und, sollte eine 2. Corona-Welle heran dräuen, ein Plan, wie Risikogruppen besser geschützt werden können - in einem Land mit bis dahin wieder frei herumtollenden Kindern. Denn Kinderwelten als letztes zu öffnen, und dann, bei einem negativen Verlauf, als erstes wieder zu schließen, das wird doch wohl dem kühlsten Strategen im Krisenstab nicht in den Sinn kommen, oder doch?

Eine erfolgreiche Woche am Weg zurück in die Normalität!

Clemens Neuhold

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Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.