profil-Morgenpost: Das Feilschen beginnt
Als der ehemalige Kanzler Franz Vranitzky vor einigen Jahren nach dem Geheimnis der Koalitionsverhandlungen mit Wolfgang Schüssel in den 1990er Jahren befragt wurde, enthüllte er Folgendes: Es gebe viel Kaffee und unglaublich viele Würstel, obwohl das, so Vranitzky, ja gar nicht zusammenpasse. Die politische Bedeutung der Würstel ist bis heute ungesichert, belegt ist aber, dass sie bei Koalitionsverhandlungen in Österreich eine lange Tradition haben. Dieses Mal braucht es jedenfalls eine Alternative zu Würstel und Co., denn mit den Grünen nehmen mehrere Vegetarier und Veganer am Verhandlungstisch Platz.
Den genauen Fahrplan für die türkis-grünen Verhandlungen wollen ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler heute bei einem Treffen festlegen. Schon jetzt ist klar: Einfach wird es nicht. Sowohl Kurz als auch Kogler betonten mehrmals, dass man „ergebnisoffen“ in die Verhandlungen gehe. Scheitern könnte Türkis-Grün nicht nur wegen Migration, Sicherheit oder Klima, sondern auch an den Fragen von Sozialstaat, Energie oder Infrastrukturprojekten. Die Positionen der beiden potenziellen Partner liegen weit auseinander; es stehen langwierige Verhandlungen bevor. Worauf es beim Feilschen um Posten und Positionen ankommt, berichten ehemalige Koalitionsverhandler in der aktuellen profil-Ausgabe: „Es ist ein Jahrmarkt des Abwiegens. Die Frage lautet immer: Was kriege ich, wenn ich etwas anderes hergebe?“, sagt der SPÖ-Nationalrat Christoph Matznetter. Heimo Lepuschitz, der die Kommunikation der freiheitlichen Minister während der jüngsten ÖVP/FPÖ-Koalition koordinierte, empfiehlt dem „schwächeren Partner“ zudem, „alles dezidiert festzuschreiben“ – doch selbst das bringt am Ende oft nichts, gesteht FPÖ-Nationalrat Gerhard Deimek ein, der 2017 den Infrastrukturbereich mitverhandelte: „Es kann 100 Mal im Regierungsprogramm drinnen stehen: ‚Wir hauen dieses oder jenes.’ Die Schwierigkeit beginnt dann, wenn du das Geld brauchst. Der Finanzminister sagt dir dann, was wirklich geht.“ Verständlich also, dass Innsbrucks Grüner Bürgermeister Georg Wili vergangene Woche schon vorsorglich das Finanzministerium für seine Partei beanspruchte.
Christina Pausackl