profil-Morgenpost: Horror vacui
Guten Morgen!
Vielleicht geht es Ihnen ja momentan auch so: Da hat das Kind gerade noch das Trenzbarterl um den Hals gehabt, und schon ist es volljährig und schickt sich an, die elterliche Wohnung zu verlassen – auf Weltreise, zum Studieren (womöglich sogar nach Wean, was den Wöginger Gustl von der ÖVP lange Zeit besonders geschreckt hat, aber das ist seit dem Wahlabend ja ein bisschen besser geworden) oder sonstwohin.
Angst und Erleichterung
Zurück bleibt eine Leere, die sich mit einer „bislang unbekannten Gefühlsmischung aus Melancholie und Erleichterung“ zu füllen beginnt, wie es Angelika Hager in ihrem dieswöchigen Essay prägnant und aus eigener Erfahrung formuliert.
Es soll aber Haushalte geben, in denen statt emotionalem Horror vacui Erleichterung ausbricht, wenn der Fortpflanz (das ist nur eine von unzähligen wunderbaren Angelika-Hager-Wortschöpfungen) endlich und endgültig die Türe hinter sich ins Schloss fallen lässt. Aus der Wohnung der Familie F. (Name der Redaktion bekannt) dringt gerade vernehmliches Aufatmen auf den Gang: Endlich sind Philippa und Heinz-Christian ausgezogen, und diese Tatsache tröstet darüber hinweg, dass sie schon wieder nicht zusammengeräumt haben – das müssen auch diesmal die Großen erledigen.
Neue Freiheit
Nicht ganz unglücklich dürfte auch die Familie S., dass ihr Thomas mitsamt seinem Porsche auf und davon ist (die Leute im Gemeindebau haben eh schon getuschelt). Die J’s. wiederum haben sich gleich ganz aufgelöst, aber das war ohnehin nur eine WG. So oder so: Wenn sich Familienmitglieder verabschieden, dann ist das für diejenigen, die zurückbleiben, immer „ein privates Weltereignis“ (Alfred Polgar), das eine Umorientierung verlangt. „In manchen Belangen muss man die neue Freiheit erst genießen lernen“, schreibt Hager in ihrem Essay weiter: „Seit mein Kind weg ist, wache ich jeden Morgen Punkt sieben auf.“
Sollte es also auch bei Ihnen so sein, dann genießen Sie es – immerhin bleibt ihnen ja vermutlich mehr vom Tag!