profil-Morgenpost: Nachrichten aus CASAGstan
Er war eine in ihrer Widerborstigkeit und ihrem streitlustigen Konservativismus genuin österreichische Gestalt – und von dieser Spezies gibt es bekanntlich nicht mehr viele: Mit dem Architekten und Karikaturisten Gustav Peichl, der am vergangenen Wochenende nach kurzer schwerer Krankheit verstarb, bricht auch ein Stück des alten Österreich weg. Die gute Nachricht: Die von Peichl heftig gegeißelte, aber immer noch geplante Neugestaltung des Wiener Heumarkts (bis 2021 läuft eine von der Stadt Wien einberufene „Nachdenkpause“ mit Umweltverträglichkeitsprüfung) musste er nicht mehr erleben. An Meinungsfestigkeit ließ er auch in dieser Hinsicht nichts vermissen: Als eine „Kiste mit Löchern“ bezeichnete er das für den Heumarkt vorgesehene Hochhaus.
Testosteron-Panorama
Jedes gute Gebäude habe „erogene Zonen“, stellte Peichl im profil-Interview fest, das Kollegin Nina Schedlmayer mit ihm im März 2018 anlässlich seines 90. Geburtstags führte. Er gab dabei, ganz old school, viel Wissenswertes über Clemens Holzmeister, Thomas Bernhard, Bruno Kreisky, Gerd Bacher, Helmut Qualtinger, Claus Peymann und Helmuth Lohner, somit über die Wiener Männergesellschaft vor der Jahrtausendwende zum Besten. Ein Testosteron-Panorama, wenn Sie so wollen.
Es ist vielleicht kein Zufall, dass auch im aktuellen Leitartikel des profil-Herausgebers, der sich kritisch mit der Postenschacherrepublik befasst (und hier als Podcast zu belauschen ist), namentlich (und andeutungsweise) ausschließlich Männer auftauchen. Es hat sich offenbar nicht allzu viel geändert in der Frage, wer hierzulande Macht ausüben, anfüttern und umfärben kann. Nach der Jahrtausendwende ist vor der Jahrtausendwende.
Jetzt neu (und aus finanzethischer Sicht auch nicht wirklich erbaulich): Die gesamte „Akte Meinl“, in der sich jede Menge erstaunlicher Details zum Untergang einer österreichischen Geschäftsbank finden, steht hier zur Herzensbildung bereit, ebenso wie ein weiterer unserer beliebten Podcasts, in dem profil-Investigativkanone Michael Nikbakhsh die epische Recherchearbeit an dem Konvolut beschreibt.
Replikantengrinsen
Sollten Sie sich übrigens gerne an Spielautomaten mit Münzeinwurf, an Roulette- oder Black-Jack-Tischen aufhalten und dabei schnell mal sechsstellige Summen riskieren, so könnte Sie Jakob Winters Bericht über den bei den Casinos Austria (CASAG) unzulänglichen Schutz spielsüchtiger Kundschaft noch weiter verunsichern. Das gewinnende Lächeln des Casinos-Finanzdirektors Peter Sidlo, das in einigen derzeit stark kolportierten Schnappschüssen dokumentiert ist, mag da keine wirklich vertrauensbildende Gegenmaßnahme sein. Wer weiß, was Gustav Peichl aus diesem Replikantengrinsen zeichnerisch noch gemacht hätte. Da fehlt er nun wirklich.
Verbringen Sie einen schönen Mittwoch.
Stefan Grissemann
P.S. Die „Morgenpost“ erscheint inzwischen seit ziemlich genau einem halben Jahr. Gibt es etwas, das wir verbessern können? Das Sie sich von einem Newsletter in aller Herrgottsfrüh wünschen würden? Das Sie ärgert? Erfreut? Wenn ja, dann lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.