profil-Morgenpost: Vernunft? Ich bitte Sie!
Ganz bei Trost war der junge Mann wohl nicht, als er vergangene Woche schwer bewaffnet in einem Hörsaal der Universität Wien auftauchte – mit gut sichtbarer Pistole am Hosenbund, später wurde zudem noch ein Messer bei ihm sichergestellt. Sein Twitter-Account gab dann auch Aufschluss über den besorgniserregenden Geisteszustand des Physikstudenten („Ich würde gerne in einem Feuergefecht gegen den Islam sterben und so viele wie möglich davon töten!“) Thomas Hoisl recherchierte die Hintergründe dieses Auftritts für profil, ging aber leider der sich daraus zwingend ergebenden Nebenfrage nicht nach, wie viele Islams ein durchgeknallter Einzeltäter im Ernstfall überhaupt ins Visier nehmen könnte.
Überblick im Strache-Dschungel
Apropos Realitätsverlust: Heinz-Christian und Philippa Strache, deren unfreiwillige Facebook-Abstinenz ab sofort für digitale Entzugserscheinungen in den rechten Milieus sorgen wird (zum Abendessen serviert man dort nur noch kalten Truthahn), stehen nebst Gefolgsmann Johann Gudenus im Zentrum vielfältiger Ermittlungsverfahren zwischen Spielbank, Spenden und spanischer Amateurfilmkunst. Wir bieten in diesem Dschungel einen ersten Überblick – und harren einstweilen der nervenverwüstenden Frage, ob Frau Strache heute ihr Nationalratsmandat annehmen wird. Und welche Konsequenzen wird dies für die leicht angegriffene Gemütsruhe in den inneren Kreisen der Freiheitlichen Partei Österreichs haben?
„Der Plafond des Absurden“ sei möglicherweise erreicht, schreibt Robert Treichler dazu sehr passend in seinem Kommentar zum grotesken EU-Austrittsverschleppungstheater, das in Großbritannien derzeit gespielt wird, zur Antiheldensage des Brexit und zur Unerschrockenheit, mit der Wirrköpfe vom Schlage Boris Johnsons, Donald Trumps und Jair Bolsonaros die politische Vernunft in den Ruhestand geschickt haben.
Wirrköpfe und Waffennarren im Kino
Wirrköpfe und Waffennarren trifft man bekanntlich auch im Kino an, auf der Leinwand glücklicherweise eher als im Saal, wenngleich es nicht ganz ausgeschlossen ist, dass es auch da gewisse Schnittmengen gibt. Ab Donnerstagabend kann man dies zwei Wochen lang selbst studieren, sofern man sich in Wien aufhält und die wie stets hervorragend kuratierte Viennale – die über die Verehrung spanischer Amateurfilme deutlich hinausgeht – mehr als eines Blickes würdigen will. Einen kursorischen ersten Rundgang durch das monumentale Filmaufgebot bietet Ihnen profil hier an. Fortsetzung folgt.
Einen feinen Dienstag wünschen wir inzwischen, mit Dank für Ihre geneigte Aufmerksamkeit.
Stefan Grissemann